Augsburger Allgemeine (Land West)

„Recyceltes Plastik ist oft gar nicht aus Plastikabf­all“

Experte Knut Völzke erklärt, wie man nachhaltig­er gärtnern kann und was sich hinter dem Begriff „Post-Consumer-Plastik“verbirgt.

- Interview: Simone A. Mayer, dpa Zur Person

Herr Völzke, was sollte man beim Einkauf als Erstes verändern, wenn man zu Hause nachhaltig­er gärtnern möchte?

Knut Völzke: Ich rate vor allem zu einem deutlich bewusstere­n Umgang mit Kunststoff. Wir verwenden täglich eine große Menge an Produkten und gerade jene für den Garten bestehen bemerkensw­erterweise in besonderem Maße aus den verschiede­nsten Kunststoff­en. Es gibt Bemühungen, das wieder zu ändern. Das finde ich an dem Bereich Nachhaltig­keit übrigens ganz toll: Es geht hier nicht nur um neue Erfindunge­n, sondern manchmal auch darum, sich zu erinnern, wie es früher war. Etwa, dass ein Schäufelch­en aus Metall, das es vor 50 Jahren schon gab, ja auch funktionie­rt – und eigentlich sogar besser als die billigeren und kurzlebige­ren Produkte aus Kunststoff.

Schaffen wir noch den kompletten Verzicht auf Plastik?

Völzke: Es wird nie so sein, dass wir komplett ohne Kunststoff­e auskommen werden. Aber deshalb ist es umso wichtiger, dass wir bewusst mit ihnen umgehen. Und dass man unterschei­det zwischen einem theoretisc­h recyclingf­ähigen Produkt und einem Produkt, das tatsächlic­h aus recyceltem Material hergestell­t wurde. Also einem Material, das bereits Teil der Kreislaufw­irtschaft ist.

Was ist denn der Unterschie­d?

Völzke: Wenn ich aktuell einen Blumentopf kaufe, sieht man darauf oft grüne Aufkleber mit dem Kreislaufs­ymbol. Das steht für recyclingf­ähig. Dann wurde der Topf aber aus neu gewonnenen Rohstoffen hergestell­t, zu großen Teilen aus Öl und Gas. Er kann nach seiner Nutzung theoretisc­h dem Recycling zugeführt werden. Ich sollte aber ein Produkt wählen, auf dem steht: 100 Prozent aus recyceltem Material. Nur dann wurde das Produkt aus wiederverw­ertetem Material hergestell­t. Auch diese Art der Produktion benötigt Energie und setzt CO2 frei, das darf man nicht vergessen. Aber natürlich deutlich weniger. Insofern ist das schon ein ganz wichtiger Nachhaltig­keitstipp, den die meisten Menschen noch nicht beachten.

Bekomme ich diese Infos denn auch immer so einfach?

Völzke: Man muss schon genau hinschauen und durchaus gezielt nachfragen. Ein Beispiel: Kürzlich habe ich bei einer Firma nachgefrag­t, warum sie ihr neues Gartenmöbe­l als Eco-Stuhl bezeichnen. Ich bekam die Antwort, dass er zu 20 Prozent aus Altholz und zu 20 Prozent aus recyceltem Polyethyle­n hergestell­t wird. Das macht also 40 Prozent der verwendete­n Materialie­n aus. Aber woraus bestehen denn die weiteren 60 Prozent? Ich habe in diesem Fall tagelang auf eine Antwort gewartet, und dann wurden mir verklausul­iert die am wenigsten nachhaltig­en Kunststoff­e genannt. Der Stuhl besteht also aus einer Mischung verschiede­nster Materialie­n, die sich nicht mehr voneinande­r trennen lassen und so ein Recycling unmöglich machen.

Gibt es auch positive Beispiele?

Völzke: Ich habe auf der Gartenmess­e Spoga+Gafa in Köln Produkte einer Firma gesehen, die darauf verweist, dass ihre Produkte zu 98 Prozent aus recyceltem Material bestehen. Ich gehe davon aus, dass es ihnen technologi­sch noch nicht möglich ist, auch die restlichen zwei Prozent zu ersetzen. So eine präzise Angabe empfinde ich durchaus als vertrauens­würdig. Wenn man nun noch tiefer in das Thema einsteigen möchte, muss man hinterfrag­en, welche Art recyceltes Plastik verwendet wurde. Erste Firmen werben mit einem Anteil an sogenannte­m „Post-Consumer-Plastic“in ihren Produkten. Dabei handelt es sich um unseren Verpackung­smüll, also zum Beispiel die Kunststoff­materialie­n, in die unsere Lebensmitt­el verpackt sind. Diesen Verpackung­smüll sammeln wir in gelben Säcken oder Wertstofft­onnen. Davon wird in Deutschlan­d aber leider bislang nur rund fünf Prozent recycelt. Es gibt in anderen Ländern bessere Systeme, dort wird dieser Müll bereits deutlich mehr genutzt. Zum Beispiel macht die italienisc­he Firma Teraplast daraus Blumentöpf­e.

Woraus ist denn dann das recycelte Plastik in Produkten, die üblicherwe­ise damit beworben werden?

Völzke: Ein verbreitet­es Verfahren ist die Nutzung von Produktion­sresten. Wenn beispielsw­eise im Industriep­rozess wie bei einem Kuchenteig etwas über den Rand der Form hinausläuf­t. Diese Reste sind so sortenrein, so sauber – die können direkt für die nächste Produktion­srunde genutzt werden. Dabei handelt es sich aber eigentlich nicht um Abfall. Man muss sich also schon etwas umsehen, aber man findet erste Hersteller, die angeben, welche Art von Plastikrec­ycling sie machen und zu welchen Anteilen. Manche Firmen legen genau offen, wie viel Industriem­üll, wie viel Post-Consumer-Plastic und andere Materialte­ile in einem Produkt stecken. Und man muss sagen: Post-Consumer-Plastik zu nutzen, ist gar nicht so einfach für die Industrie, denn die Kunststoff­gemische müssen ja viel können, etwa genauso lange haltbar sein wie neue Rohstoffe. Aktuell kann Post-Consumer-Plastic daher nur für ein eingeschrä­nktes Spektrum an Produkten verwendet werden. Blumentöpf­e lassen sich daraus aber bereits zu 100 Prozent herstellen. Das ist doch schon etwas. Wenn wir diese Produkte kaufen, haben sie Erfolg und werden positiven Einfluss auf die weitere Entwicklun­g nehmen. Jeder Schritt zählt.

 ?? Fotos: Wolfgang Seibt, Caroline Seidel-Dißmannel, dpa ?? Gerade beim Gärtnern, wo es grünt und blüht, findet man viele Plastikpro­dukte. Zumindest bei Blumentöpf­en könnte die Industrie schon komplett auf Nachhaltig­keit umstellen, meint Experte Knut Völzke.
Fotos: Wolfgang Seibt, Caroline Seidel-Dißmannel, dpa Gerade beim Gärtnern, wo es grünt und blüht, findet man viele Plastikpro­dukte. Zumindest bei Blumentöpf­en könnte die Industrie schon komplett auf Nachhaltig­keit umstellen, meint Experte Knut Völzke.

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