Augsburger Allgemeine (Land West)
Auf der Sonnenseite
Das Unternehmen Sonnen aus Wildpoldsried im Allgäu hat 2022 so viele Stromspeicher hergestellt wie noch nie. Die Nachfrage ist sogar noch größer gewesen. Jetzt wird die Produktion massiv ausgebaut.
Wenn man nicht sicher sein kann, ob morgen noch Strom aus der Steckdose kommt, liegt die Überlegung nahe, sich einen Stromspeicher in den Keller zu stellen. Vor allem, wenn eine Photovoltaikanlage auf dem Dach bereits eigenen Strom erzeugt. Wer auf Oliver Koch trifft, begegnet deshalb einem zufriedenen Mann, der alle Hände voll zu tun hat. Koch, in Hannover geboren, übernahm im Oktober 2020 den Chefposten bei dem Allgäuer Stromspeicher-Hersteller Sonnen. Während im vergangenen Jahr Betriebe und Bürger unter der Energiekrise ächzten, führt der 50-Jährige ein florierendes Unternehmen, das 2022 so viele Speicher verkaufen konnte wie noch nie. „Inzwischen können wir 100.000 Speicher im Jahr herstellen“, sagt er. „Dabei kommen wir nahe an eine Vollauslastung heran.“
Hat Sonnen anfangs rund zwölf Jahre gebraucht, 100.000 Speicher auf den Markt zu bringen, könnte diese Zahl nun in nur 18 Monaten erreicht werden. Das Wachstum schlägt sich am Unternehmenssitz in Wildpoldsried sichtbar nieder. Das Unternehmen investiert kräftig. Sonnen ist in einem hellen Gebäude am Ortsrand untergebracht, idyllisch gelegen in der Hügellandschaft, die Windräder des Energiedorfs drehen sich in Sichtweite, die schneebedeckten Alpen sind nah. Gegenüber des Hauptgebäudes hat Sonnen eine neue Halle für die Produktion gebaut. Es gibt zudem ein neues Testzentrum, auf dem Parkplatz sind E-Ladesäulen eine Selbstverständlichkeit. Und das neue, große Schulungszentrum nimmt diesen Januar seinen Betrieb auf.
Sonnen wächst kräftig. „Wir hatten das Jahr 2022 mit 800 Leuten begonnen, aktuell sind wir 1250“, sagt Koch. Davon arbeiten rund 400 Beschäftigte im Allgäu, andere in Büros in Bergamo, Los Angeles, Sydney, Barcelona, aber auch Berlin. „Es tut sich einiges“, fasst es der Sonnen-Chef zusammen. Stromspeicher sind inzwischen zu stylishen Produkten geworden, die man sich wahrscheinlich auch in den Flur oder einen Wohnraum stellen könnte. Die kühlschrankgroßen Geräte sind schwarz oder weiß lackiert, das reduktionistische Design erinnert an den Smartphone-Hersteller Apple, auf der Vorderseite der Geräte pulsiert der Schriftzug „Sonnen“. Die Batterien speichern Energie insbesondere
der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, um sie in der Nacht zu nutzen. Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass der Bedarf an Heimspeichern in den kommenden Jahren stark steigen wird.
Zwei Entwicklungen, so der Sonnen-Chef, geben dem Unternehmen gerade Schub: Da ist der hohe Strompreis seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs, der die Wirtschaftlichkeit von Photovoltaik-Anlagen und Stromspeichern erhöht. Statt Elektrizität teuer einzukaufen, erscheint es günstiger, den selbst erzeugten Strom zu speichern und zu nutzen. „Die Speicher haben sich früher bei einem Strompreis von 25 bis 30 Cent gerechnet, bei einem Preis von 50 Cent rentiert es sich noch schneller“, sagt Koch. Zum anderen können die Speicher auch eine Sicherheit gegen Stromausfälle bieten, ein Argument, das anscheinend immer wichtiger wird.
„Der Schutz gegen Stromausfälle hat früher vor allem in den USA als Verkaufsargument eine Rolle
gespielt, weil etwa nach einem Hurrikan der Strom ausfiel“, sagt Koch. Inzwischen treibt die Vorsorge gegen Stromausfälle auch Menschen in Europa um. Mit einer Speicherkapazität von 10 Kilowattstunden lasse sich im Haushalt ein Stromausfall von einigen Stunden oder auch Tagen überbrücken. Die Kosten für solch ein Gerät starten – fertig installiert – bei rund 8500 Euro. Das Unternehmen hat zudem eine neue Produktgeneration mit dem Namen „Performance“eingeführt, die auch große Stromverbraucher versorgen kann, insbesondere Wärmepumpen.
Dabei steckt in den Stromspeichern viel „made in Germany“: Im neuen Produktionsgebäude baut ein Team aus Frauen und Männern Speicher zusammen. Wechselrichter, Steuerung, Kabel, Gehäuse werden zusammengefügt, am Ende wird das Gerät getestet. Das schwere Batteriemodul bauen die Handwerker erst bei den Kundinnen und Kunden zu Hause ein. Das spart Gewicht auf dem Transport
weg und vereinfacht später die Montage. Produziert werden die Speicher fast ausschließlich in Wildpoldsried. In den USA gibt es eine Fertigung für den dortigen Markt. Im Sommer hatte Sonnen angesichts der hohen Nachfrage von einer auf zwei Schichten erweitert. Dieses Jahr – 2023 – soll eine zweite Fertigungslinie hinzukommen.
„Wir haben im vergangenen Jahr 2022 nicht nur produziert, was wir uns als Ziel vorgenommen hatten, sondern 20 bis 30 Prozent mehr“, berichtet Koch. „Es hätten nochmals 20 bis 30 Prozent mehr Speicher sein können. Die Anfragen waren da, allerdings fehlte uns das Material“, fügt er an. Chips und Gehäuse waren knapp, die Kosten für Batterien stiegen deutlich. Die Kundschaft sitzt nicht nur im Heimatmarkt Deutschland, sondern auch in Skandinavien, Italien oder Australien und anderen Ländern. Da das Klima dort ganz anders sein kann – heißer und feuchter oder aber deutlich kälter – hat Sonnen ein Test-Labor eingerichtet. Eine Klimakammer geht in den nächsten Tagen in Betrieb, die zum Beispiel die Bedingungen im australischen Regenwald simulieren kann. In einem Batterielabor testet das Unternehmen, wie viele Ladevorgänge Akkus schaffen. „Es müssen deutlich mehr sein als bei einem E-Auto“, erklärt Koch. In den letzten Jahren hat Sonnen eigenen Angaben zufolge einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag am Stammsitz investiert. Der Umsatz erreiche inzwischen einen dreistelligen Millionen-Betrag.
Gegründet wurde Sonnen 2010 von dem Tüftler Torsten Stiefenhofer und dem Betriebswirt Christoph Ostermann. Das Start-Up wuchs über die Jahre Stück für Stück. Im Jahr 2019 übernahm es der Energiekonzern Shell. Inzwischen sieht sich Sonnen nicht nur als reiner Speicherhersteller, sondern bietet auch Leistungen eines Stromversorgers an. Die Batteriebesitzer können Teil einer „Sonnen Community“werden. Das Unternehmen vernetzt dafür die Speicher über eine eigene Plattform. So wird es möglich, Strom bilanziell untereinander zu tauschen, wenn zum Beispiel an einem Ort keine Sonne scheint. In Deutschland hat das Netzwerk mehrere zehntausend Teilnehmer.
In der Summe sind die Heimspeicher eine nennenswerte Größe. Die bisher in Wildpoldsried produzierten 100.000 Speicher haben eine Leistung von zusammen rund 500 Megawatt – so viel wie ein ordentliches Gaskraftwerk. Die Mitglieder der Community können mit ihren Speichern deshalb auch Teil eines „virtuellen Kraftwerks“werden, erklärt Koch. Droht zu wenig oder zu viel Strom im Netz zu sein, bietet Sonnen den Netzbetreibern eine Kapazitätsreserve aus den Batterien an, um das Stromnetz zu stabilisieren. Die Speicher in den Haushalten werden dann kurz be- oder entladen.
In den letzten Monaten hat Sonnen die Leistungen der Community ausgedehnt. Zum Beispiel vermarktet das Unternehmen den Strom aus den Solaranlagen neuer Mitglieder direkt an der Strombörse in Leipzig. Dort gibt es höhere Erlöse, als wenn der Strom zu den regulären Fördersätzen ins Netz eingespeist wird.
Dies alles sind kleine Bausteine. „Am Ende hilft es aber, den Strompreis der Kundinnen und Kunden zu senken“, sagt Sprecher Mathias Bloch. Und es hilft, die deutsche Energieversorgung insgesamt ein Stück robuster zu machen.