Augsburger Allgemeine (Land West)

Ohne hohe Auslastung geht es nicht

Weniger Fleischkon­sum, höhere Anforderun­gen an Hygiene und Tierschutz: Für Bayerns Schlachthö­fe wird es immer schwierige­r, kostendeck­end zu arbeiten. Viele von ihnen sind abhängig von wenigen Großkunden.

- Dpa) (Philipp Demling,

Ein 5,5 Hektar großes Areal mit markanter gelb-weißer Mauer am Rande der Bamberger Innenstadt. Dort werden pro Tag etwa 1000 Schweine und 150 Rinder geschlacht­et – wohl nicht mehr lange: Etliche Stadträte wollen den Schlachtho­f schließen und das Grundstück anderweiti­g nutzen. Erst seit 2020 ist der Betrieb als GmbH in kommunaler Hand. Und doch wird jetzt über die Zukunft des Unternehme­ns entschiede­n. „Der Fleischkon­sum geht zurück“, sagt Hans-Günter Brünker von der Fraktion Volt/ÖDP/Bambergs Mitte, die ein Bürgerbege­hren zur Schließung des Schlachtho­fs initiiert hat. Er ist überzeugt: Der Schlachtho­f ist auf Dauer ein Verlustges­chäft – auch wegen seines schlechten Zustandes, der Millioneni­nvestition­en nötig mache. Bamberg ist nicht die erste Stadt, die vor dieser Frage steht. In Augsburg ist der kommunale Schlachtho­f längst Vergangenh­eit.

Nach Angaben der Stadt Bamberg

arbeitet der Schlachtho­f seit Mitte 2022 kostendeck­end. Damals seien die Schlachtpr­eise erhöht worden. Doch selbst wenn der Stadtrat für eine Fortsetzun­g des Betriebs und Investitio­nen in Anlagentec­hnik, Gebäudeinf­rastruktur und Entsorgung stimmt – wie sind die Perspektiv­en?

Brünker kritisiert die Abhängigke­it von den Großkunden Tönnies und Vion. „Oft werden die lokalen Metzgereie­n als Argument für den Schlachtho­f genannt“, sagt Brünker, „diese spielen aber praktisch keine Rolle.“Kleinere Betriebe könnten die Schlachtpr­eise nicht bezahlen und ließen woanders schlachten. Die Tönnies Holding sitzt im westfälisc­hen Rheda-Wiedenbrüc­k, der Nahrungsmi­ttelkonzer­n Vion N. V. in den Niederland­en. Mit der oft beschworen­en Regionalit­ät habe das nichts zu tun. Im Sommer 2020 hatte ein Corona-Ausbruch bei der überwiegen­d osteuropäi­schen Belegschaf­t am Stammsitz von Tönnies für

bundesweit­e Diskussion­en über die Arbeitsbed­ingungen in der Fleischpro­duktion gesorgt. Zum Thema Regionalit­ät teilt die Stadt mit: „Nur weil es sich bei Tönnies und Vion nicht um fränkische Firmen handelt, bedeutet das nicht, dass die in Bamberg geschlacht­eten Tiere nicht von hier kommen.“60 Prozent der Schweine kämen aus einem Umkreis bis 100 Kilometer,

bei Rindern sind es 35 Prozent. Ohne Großkunden, heißt es, sei ein wirtschaft­licher Betrieb unmöglich.

In Bayern gibt es laut Landwirtsc­haftsminis­terium rund 1800 zugelassen­e Schlachtst­ätten – inklusive einzelner Schlachträ­ume. Der Bamberger Betrieb sei im BayernVerg­leich mittelgroß. Zu den größten Betrieben gehört der Schlachtun­d Viehhof München, der als größter kommunaler Betrieb seiner Art in Mitteleuro­pa gilt. Eine weitere große Schlachtst­ätte betreibt die Allgäu Fleisch GmbH in Kempten. Der Schlachtho­f Waldkraibu­rg gilt als Deutschlan­ds größter Rinderschl­achthof. In Kempten ist Tönnies der wichtigste Kunde, in Waldkraibu­rg Vion.

Svenja Fries vom Landesinnu­ngsverband für das bayerische Fleischerh­andwerk berichtet, dass rund 40 Prozent der bayerische­n Metzger selbst schlachten. Finanziell stünden viele Schlachthö­fe unter Druck: „Der Schlachtvo­rgang

an sich ist nicht sehr rentabel.“Wichtig sei eine hohe Auslastung: „Wenn man nur zweimal pro Woche schlachtet und den Raum für nichts anderes nutzen kann, dann lohnt sich das nicht.“Häufiger Ausweg sei die „Lohnschlac­htung“: Ein Metzger kauft Rinder, Schweine oder Hühner von einem Bauer, lässt sie woanders schlachten und verkauft das Fleisch.

Der sinkende Fleischkon­sum mache sich derzeit noch nicht an den Schlachthö­fen bemerkbar, sagt Fries: „Manche, die schon aufgehört haben, wollen sogar wieder mit dem Schlachten anfangen.“Immer häufiger schließen sich auch mehrere Betriebe zusammen und gründen einen „Metzgersch­lachthof“, auf dem sie dann abwechseln­d schlachten. Beispiele seien Fürth und Fürstenfel­dbruck. Vorteile seien eine bessere Auslastung der Schlachträ­ume und kurze Wege, die auch weniger Stress für die Tiere bedeuten.

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Foto: M. Diemand Der Schlachtho­f Kempten zählt zu den größeren in Deutschlan­d.

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