Augsburger Allgemeine (Land West)
Ohne hohe Auslastung geht es nicht
Weniger Fleischkonsum, höhere Anforderungen an Hygiene und Tierschutz: Für Bayerns Schlachthöfe wird es immer schwieriger, kostendeckend zu arbeiten. Viele von ihnen sind abhängig von wenigen Großkunden.
Ein 5,5 Hektar großes Areal mit markanter gelb-weißer Mauer am Rande der Bamberger Innenstadt. Dort werden pro Tag etwa 1000 Schweine und 150 Rinder geschlachtet – wohl nicht mehr lange: Etliche Stadträte wollen den Schlachthof schließen und das Grundstück anderweitig nutzen. Erst seit 2020 ist der Betrieb als GmbH in kommunaler Hand. Und doch wird jetzt über die Zukunft des Unternehmens entschieden. „Der Fleischkonsum geht zurück“, sagt Hans-Günter Brünker von der Fraktion Volt/ÖDP/Bambergs Mitte, die ein Bürgerbegehren zur Schließung des Schlachthofs initiiert hat. Er ist überzeugt: Der Schlachthof ist auf Dauer ein Verlustgeschäft – auch wegen seines schlechten Zustandes, der Millioneninvestitionen nötig mache. Bamberg ist nicht die erste Stadt, die vor dieser Frage steht. In Augsburg ist der kommunale Schlachthof längst Vergangenheit.
Nach Angaben der Stadt Bamberg
arbeitet der Schlachthof seit Mitte 2022 kostendeckend. Damals seien die Schlachtpreise erhöht worden. Doch selbst wenn der Stadtrat für eine Fortsetzung des Betriebs und Investitionen in Anlagentechnik, Gebäudeinfrastruktur und Entsorgung stimmt – wie sind die Perspektiven?
Brünker kritisiert die Abhängigkeit von den Großkunden Tönnies und Vion. „Oft werden die lokalen Metzgereien als Argument für den Schlachthof genannt“, sagt Brünker, „diese spielen aber praktisch keine Rolle.“Kleinere Betriebe könnten die Schlachtpreise nicht bezahlen und ließen woanders schlachten. Die Tönnies Holding sitzt im westfälischen Rheda-Wiedenbrück, der Nahrungsmittelkonzern Vion N. V. in den Niederlanden. Mit der oft beschworenen Regionalität habe das nichts zu tun. Im Sommer 2020 hatte ein Corona-Ausbruch bei der überwiegend osteuropäischen Belegschaft am Stammsitz von Tönnies für
bundesweite Diskussionen über die Arbeitsbedingungen in der Fleischproduktion gesorgt. Zum Thema Regionalität teilt die Stadt mit: „Nur weil es sich bei Tönnies und Vion nicht um fränkische Firmen handelt, bedeutet das nicht, dass die in Bamberg geschlachteten Tiere nicht von hier kommen.“60 Prozent der Schweine kämen aus einem Umkreis bis 100 Kilometer,
bei Rindern sind es 35 Prozent. Ohne Großkunden, heißt es, sei ein wirtschaftlicher Betrieb unmöglich.
In Bayern gibt es laut Landwirtschaftsministerium rund 1800 zugelassene Schlachtstätten – inklusive einzelner Schlachträume. Der Bamberger Betrieb sei im BayernVergleich mittelgroß. Zu den größten Betrieben gehört der Schlachtund Viehhof München, der als größter kommunaler Betrieb seiner Art in Mitteleuropa gilt. Eine weitere große Schlachtstätte betreibt die Allgäu Fleisch GmbH in Kempten. Der Schlachthof Waldkraiburg gilt als Deutschlands größter Rinderschlachthof. In Kempten ist Tönnies der wichtigste Kunde, in Waldkraiburg Vion.
Svenja Fries vom Landesinnungsverband für das bayerische Fleischerhandwerk berichtet, dass rund 40 Prozent der bayerischen Metzger selbst schlachten. Finanziell stünden viele Schlachthöfe unter Druck: „Der Schlachtvorgang
an sich ist nicht sehr rentabel.“Wichtig sei eine hohe Auslastung: „Wenn man nur zweimal pro Woche schlachtet und den Raum für nichts anderes nutzen kann, dann lohnt sich das nicht.“Häufiger Ausweg sei die „Lohnschlachtung“: Ein Metzger kauft Rinder, Schweine oder Hühner von einem Bauer, lässt sie woanders schlachten und verkauft das Fleisch.
Der sinkende Fleischkonsum mache sich derzeit noch nicht an den Schlachthöfen bemerkbar, sagt Fries: „Manche, die schon aufgehört haben, wollen sogar wieder mit dem Schlachten anfangen.“Immer häufiger schließen sich auch mehrere Betriebe zusammen und gründen einen „Metzgerschlachthof“, auf dem sie dann abwechselnd schlachten. Beispiele seien Fürth und Fürstenfeldbruck. Vorteile seien eine bessere Auslastung der Schlachträume und kurze Wege, die auch weniger Stress für die Tiere bedeuten.