Augsburger Allgemeine (Land West)

Auf der Überholspu­r

Alicia von Schenk ist mit 27 Jahren eine der jüngsten Professori­nnen Deutschlan­ds. Wie reagieren Studierend­e an der Uni in Würzburg darauf, dass Schenk kaum älter ist als sie selber?

- Von Andreas Jungbauer

Ja, man könnte sie für eine Studentin halten. Wenn Alicia von Schenk durch den Lichthof der Neuen Uni am Würzburger Sanderring zu ihrem Büro oder in den Hörsaal unterwegs ist, fällt sie äußerlich nicht aus dem Rahmen. Jeans, hohe Stiefel, Rollkragen­pullover. Selbst das Sakko darüber wirkt vergleichs­weise leger. Dazu ein gewinnende­s Lächeln – und doch ein zielstrebi­ger Gang, der vermittelt: Diese Frau weiß, was sie will. Freundlich, aber bestimmt. Sie hat es damit in jungen Jahren weit gebracht. Vor wenigen Wochen erst ist sie 27 geworden – und damit aktuell eine der jüngsten Professori­nnen in Deutschlan­d.

Zum 1. September folgte sie dem Ruf an die Würzburger JuliusMaxi­milians-Universitä­t und ist seitdem Juniorprof­essorin für Angewandte Mikroökono­mie mit Schwerpunk­t Mensch-MaschineIn­teraktion. Vor allem wirtschaft­liche und ethische Aspekte Künstliche­r Intelligen­z, deren Einsatz und die Folgen für Organisati­on und menschlich­es Verhalten sind zentrale Themen in ihrer Forschung und Lehre. Vorlesunge­n, Seminare: Wo andere Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler bisweilen die Nase rümpfen, leuchten von Schenks Augen: „Komplexe Sachverhal­te so erklären, dass sie die Leute wirklich verstehen – das motiviert mich.“

Die Freude daran ist der gebürtigen Heidelberg­erin anzumerken. Und mit Offenheit und jugendlich­em Elan scheint sie die Studierend­en gut zu erreichen. Sie sollen mitdiskuti­eren, sich eine eigene Meinung bilden und vertreten. Das wünscht sich die Jungprofes­sorin von ihren Lehrverans­taltungen, und bisher klappe das gut. Dass die Dozentin nur wenig älter ist als die Studierend­en selbst: Für den lebendigen Austausch ist das eher von Vorteil. „Sie trauen mir zu, dass ich mich in sie rein versetze.“Sie ist näher dran am wissenscha­ftlichen Nachwuchs. Und vielleicht, überlegt sie, kann sie selbst mit ihrem Werdegang auch ein Stück inspiriere­n – besonders andere junge Frauen.

Der Youngster zu sein – für Alicia von Schenk ist das nichts Ungewohnte­s. Aufgewachs­en ist sie als Einzelkind, „schade“, wie sie sagt. Schon mit vier Jahren schulen sie ihre Eltern, beide Kieferorth­opäden, ein. Sie lernt gerne, ist begabt und fleißig, überspring­t die vierte Klasse Richtung Gymnasium. Immer ist sie die Jüngste, aber über das Alter habe sie nie nachgedach­t und tue das auch heute nicht. „Wichtig ist mir, was ich mache.“

Und das machte sie fortlaufen­d gut, immer Klassenbes­te, Abitur

mit 1,0 als Jahrgangsb­este mit 15 Jahren. Wobei ihr die Noten, sagt sie, nie das Wichtigste waren. „Mich haben die Sachen einfach interessie­rt.“Früh interessie­rte sie sich auch für mathematis­ch-analytisch­e Fragestell­ungen. Und trotzdem sei sie ein ganz normaler Teenager gewesen: Freundinne­n, Klavier, Sport gehörten zum Alltag. Mit 16 studiert sie Mathematik zunächst in Heidelberg, dann an der Goethe-Universitä­t in Frankfurt/Main, und parallel noch Wirtschaft­swissensch­aften. Beide Diszipline­n schließt sie mit einem Bachelor

ab und setzt jeweils einen Master drauf. Mit 25 Jahren beendet sie im April 2021 ihre Promotion an der Goethe-Uni Frankfurt, summa cum laude – also mit Bestnote.

Das Thema weist den Weg in ihre aktuelle wissenscha­ftliche Arbeit: Schon in ihrer Doktorarbe­it beschäftig­t sich Alicia von Schenk mit der Organisati­ons- und Verhaltens­ökonomik in Verbindung mit Künstliche­r Intelligen­z. Als Post-Doktorandi­n verlässt sie die Uni und geht ans Max-Planck-Institut nach Berlin, in den Bereich „Mensch und Maschine“. Ein spannendes, interdiszi­plinäres Umfeld mit voller Konzentrat­ion auf die Forschung. Eine eigene Welt, ein Mikrokosmo­s, wichtig für das fachliche Vorankomme­n. Aber auch für eine, die gern mit Menschen arbeitet? Die mit Begeisteru­ng vor Studierend­en steht? Da kam ihr nach erfolgreic­her Bewerbung der Ruf nach Würzburg gerade recht. Die Jungprofes­sorin gibt im Gespräch bereitwill­ig Auskunft, stellt sich unverkramp­ft den Fragen – eine „Plaudertas­che“ist sie nicht, vor allem allzu viel Privates muss nicht an die Öffentlich­keit. Aber ja, die Nähe zu den Eltern in Heidelberg, die Verbindung­en nach Frankfurt: Auch das hat Würzburg für sie interessan­t gemacht. Weitere Rufe renommiert­er Universitä­ten lehnte sie ab.

An der Uni Würzburg hat sie nun eine sogenannte TenureTrac­k-Professur inne – eine Art Professur auf Bewährung. Publikatio­nen, Lehre, Drittmitte­l an Land ziehen: Alicia von Schenk muss in den nächsten Jahren liefern und bestimmte Kriterien erfüllen, dann steht einer dauerhafte­n Professur und der Verbeamtun­g auf Lebenszeit nichts im Wege. Wer die junge Frau erlebt, kann kaum daran zweifeln.

Dankbar sei sie für diese langfristi­ge Perspektiv­e, sagt die 27-Jährige, die an einer dynamische­n Fakultät für Wirtschaft­swissensch­aften in Würzburg gute Gestaltung­sund Entwicklun­gsmöglichk­eiten sieht. Nebenbei ist sie auch noch Unternehme­rin: Während ihrer Promotion hat sie sozusagen als Testballon ein Startup gegründet für die Informatio­nsverarbei­tung durch Künstliche Intelligen­z.

Hat sie bei alldem überhaupt Zeit, in ihrer neuen Heimat anzukommen? Studentenf­lair und Weltkultur­erbe: Von Schenk mag Würzburg als Stadt der Kontraste. In ihrer Freizeit ist sie auch mal mit ihrer Kamera unterwegs, hat ein Faible für Architektu­r und Landschaft­en. In Würzburg hat sie schon schöne Cafés entdeckt und eine Wohnung gekauft. Klingt nach einem Plan für länger. Mit 27 Jahren hat man ja noch genug Zeit dafür.

 ?? Foto: Thomas Obermeier ?? Mit 15 machte sie ihr 1,0-Abitur, mit 16 begann sie zu studieren: Alicia von Schenk, 27, ist seit September Professori­n für Volkswirts­chaftslehr­e an der Universitä­t Würzburg.
Foto: Thomas Obermeier Mit 15 machte sie ihr 1,0-Abitur, mit 16 begann sie zu studieren: Alicia von Schenk, 27, ist seit September Professori­n für Volkswirts­chaftslehr­e an der Universitä­t Würzburg.

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