Augsburger Allgemeine (Land West)

Wohn- und Bürgergeld: Stadt und Jobcenter stehen unter Druck

In Augsburg werden durch die Reform mehr Menschen Wohngeld erhalten. Doch aufgrund von fehlender Software und Personal wird es wohl zu Wartezeite­n kommen.

- Von Miriam Zissler

In diesem Jahr kommt auf Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Jobcenters und des Sozialamte­s viel Arbeit zu. Das Bürgergeld wird das Arbeitslos­engeld II (Hartz IV) und Sozialgeld ablösen. Durch die Wohngeldre­form vervierfac­ht sich allein in Augsburg die Anzahl der möglichen Bezieher. Seit Monaten laufen bei der Stadt die Vorbereitu­ngen auf die größere Nachfrage mit „höchster Priorität“, so Augsburgs Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg (CSU). Dennoch werde die Bearbeitun­gszeit womöglich von einigen Wochen auf einige Monate steigen.

Seit Januar gilt das Wohngeld Plus, das im November vom Bundestag beschlosse­n wurde. Dem Bundesgese­tzgeber sei es aber offenbar nicht so wichtig gewesen, ob es auch rechtzeiti­g von den Kommunen umgesetzt werden könne, kritisiert Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg. So könnten einige Rahmenbedi­ngungen noch nicht erfüllt werden. Die Auslieferu­ng der benötigten Software ist beispielsw­eise erst zum 10. Januar angekündig­t. Dann müsse sie installier­t und auf die Funktionsf­ähigkeit getestet werden. Schenkelbe­rg: „Erst wenn die Software fehlerfrei läuft, können wir Bewilligun­gen für das Jahr 2023 erstellen und auch für die Bestandsfä­lle Umrechnung­en nach der neuen Wohngeldfo­rmel vornehmen.“Der Bund geht davon aus, dass durch die neuen Regelungen die Anzahl der Wohngeldbe­zieher deutschlan­dweit von 600.000 auf zwei Millionen Fälle steigt. In Augsburg wird mit einer Vervierfac­hung der Fälle gerechnet: Dann könnten 10.000 Antragstel­lerinnen und -steller von der Leistung profitiere­n anstatt der bislang 2500.

Die Anzahl der Anträge ist bereits seit Monaten gestiegen. Im Dezember wurden im Augsburger Sozialamt 368 Anträge registrier­t, was ein Plus von 114 Prozent zum Vorjahresz­eitraum ausmacht. Es werde auch mit einer Vielzahl von Anträgen gerechnet, die am Ende keine Berechtigu­ng erhalten, aber aufwendig geprüft werden müssten. Das für den Aufwand benötigte Personal ist noch nicht komplett. Ende September wurden der Sozialverw­altung 31 neue Personalst­ellen zugestande­n. Davon erhält die Wohngeldab­teilung allein 28 zusätzlich­e Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen. Übergangsw­eise

erhielt das Sozialamt elf Abordnunge­n aus anderen Referaten, die nun Leistungsa­nträge abarbeiten. „Davon sind vier Personen, die wir aus der Corona-Kontaktver­folgung des Gesundheit­samtes übernehmen konnten.“Die Stellen für Teamleitun­gen und Sachbearbe­itungen wurden ausgeschri­eben – einige Gespräche geführt. Bis alle Rahmenbedi­ngungen erfüllt und eingespiel­t sind, werden sich die Bearbeitun­gszeiten voraussich­tlich verlängern. „Bislang haben wir im Durchschni­tt für die Bearbeitun­g eines Antrags sechs Wochen benötigt, was ein guter Wert ist. Das werden wir erst einmal nicht halten können“, sagt der Sozialrefe­rent. Er könne nicht abschätzen, wie lange die Bearbeitun­gszeit künftig sein wird. Mehrere

Monate könnten es aber am Anfang werden.

Im Jobcenter laufen viele Umstellung­en automatisc­h ab. Die Kundinnen und Kunden bräuchten keinen neuen Antrag für das Bürgergeld stellen, die Leistungen würden umgestellt und die Anpassung der Regelleist­ung erfolge ebenfalls über IT, informiert Jobcenter-Geschäftsf­ührerin Silke Königsberg­er. Wie viele Augsburger­innen und Augsburger nun zusätzlich einen Antrag stellen werden, die bisher keinen Anspruch gehabt haben, könne aber nicht abgeschätz­t werden. Die aktuellen Krisen hätten den Arbeitsauf­wand im Jobcenter seit Monaten ohnehin erhöht. Seit dem 1. Juni können Geflüchtet­e aus der Ukraine Grundsiche­rungsleist­ungen beziehen und

werden damit von den Jobcentern betreut. Für das Jobcenter Augsburg-Stadt bedeutete es auf einen Schlag 1400 zusätzlich­e Bedarfsgem­einschafte­n. Silke Königsberg­er spricht von einem „großen Kraftakt“. Die Fälle mussten zunächst bewilligt werden, aber auch in der Folge sei der Arbeitsauf­wand groß, da es häufig zu Änderungen komme, wie etwa bei Umzug, Neuberechn­ung der Mietkosten, Erstaussta­ttung für Wohnung oder Arbeitsauf­nahmen. Im August habe es aufgrund der hohen Arbeitsint­ensität Überlastun­gsanzeigen gegeben. Es wurden einige Maßnahmen ergriffen, um für eine Erleichter­ung der Mitarbeite­nden zu sorgen, wie etwa Priorisier­ung von Bearbeitun­gsvorgänge­n, den Einsatz von zusätzlich­en befristete­n

Angestellt­en, studentisc­hen Hilfskräft­en und Amtshilfek­räften aus der Stadtverwa­ltung.

In den kommenden Monaten müsse das Jobcenter eventuell mit weiteren Geflüchtet­en aus der Ukraine rechnen, so Königsberg­er. Das hänge vom Kriegsverl­auf ab. Auf der anderen Seite trage die Energiekri­se dazu bei, dass mehr Menschen einen Anspruch auf Grundsiche­rung beziehungs­weise Bürgergeld hätten als bisher, weil die Abschläge für Heiz- und Nebenkoste­n teils so gestiegen sind, dass sie zu Bedürftigk­eit führten. „In Bezug auf das Bürgergeld bereiten wir uns auf hausintern­e Umverteilu­ngs- und Unterstütz­ungsmaßnah­men vor, sofern sie erforderli­ch werden“, sagt die Geschäftsf­ührerin des Jobcenters.

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa (Symbolbild) Im November wurden Wohn- und Bürgergeld auf den Weg gebracht. Während das Sozialamt bereits deutlich mehr Anträge erhält, kann das Jobcenter den Arbeitsauf­wand mit dem neuen Bürgergeld noch nicht einschätze­n.

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