Augsburger Allgemeine (Land West)
Erpressung nach Abschleppaktion?
Ein Mann soll einen Tierarzt bedroht und Geld für Abschleppkosten zurückgefordert haben. Doch im Prozess kommt heraus: Möglicherweise war es nicht ganz so.
Es schien so, als könnte ein angeklagter 43-jähriger Dachdecker im Gefängnis landen. Dann aber wurde das Verfahren am Amtsgericht in Augsburg wegen räuberischer Erpressung gegen den Mann eingestellt. Alles hatte am Samstag, 2. April 2022, begonnen: Die Freundin des Angeklagten parkte damals mit ihrem Auto auf einem der Praxisparkplätze des 63-jährigen Tierarztes in Augsburg, um den im selben Haus wohnenden Angeklagten zu besuchen. Der genervte Tierarzt, der laut eigener Abgabe zu einer Besprechung geladen hatte, ließ – nicht zum ersten Mal – seine Parkplätze von einem Abschleppdienst räumen. Kurz darauf kam es zu einem ersten Kontakt
des Angeklagten mit dem Geschädigten, dem in den folgenden Tagen weitere Auseinandersetzungen folgten. Der Angeklagte war sauer, dass er 300 Euro an die Abschleppfirma zahlen muss, um das Auto seiner Freundin wieder auszulösen – wo ihm der Arzt doch erlaubt habe, an den Wochenenden kurz auf den Praxis-Plätzen zu parken.
Man tauschte sich aus, es wurde laut, es wurde wohl auch geschubst. Wobei der 63-Jährige das Ganze jetzt vor Gericht deutlich harmloser darstellte als zuvor bei der Polizei. Ja, man habe geredet, es sei auch geschubst worden, aber alles in allem nichts Dramatisches. Das hatte der 63-Jährige unter den unmittelbaren Eindrücken im April offenbar noch erheblich anders gesehen. Über ein
Streitgespräch zwischen dem Doktor und dem Angeklagten im Hausflur ließ er damals eine Kundin unmittelbar in der Praxis eine handschriftliche Notiz für die Polizei verfassen. Vor Gericht gab die 41-Jährige freilich zu, nichts gesehen, aber sehr wohl etwas gehört zu haben. Was sie als Zeugin damals zur Weitergabe an die Polizei aufgeschrieben habe, habe ihr der Tierarzt vorgesagt. Darunter die Behauptung, der Angeklagte habe dem Geschädigten mündlich und per Handzeichen mit dem Tode gedroht.
Nicht viel anders lief es bei einer 59-jährigen ehemaligen Mitarbeiterin des Doktors, die ebenfalls am Rande Zeugin einer Auseinandersetzung zwischen ihrem Chef und dem Angeklagten geworden war. Der Tierarzt sagte ihr offenbar, was sie aufschreiben solle, habe von einem Bedrohungsszenario gesprochen.
Offenbar hatte das Verhalten des Mediziners auf die ermittelnden Polizisten nicht ganz schlüssig gewirkt. Nachdem sie den 63-Jährigen zunächst drei Tage nach dem Vorfall mit dem Auto angehört hatten, gab es einige Zeit später noch einmal eine Vernehmung, um Verschiedenes klarzustellen, so eine Beamtin im Zeugenstand.
Verteidiger Marco Müller wollte es stellenweise nicht glauben, was die Zeuginnen und Zeugen zulasten seines Mandanten zu den Akten gegeben hatten. Sein Mandant hatte mehrere verbale Auseinandersetzungen mit dem Geschädigten eingeräumt, er wies aber jede Form von Bedrohung oder Erpressung von sich. Aus dem Munde von Rechtsanwalt Müller kam dann ein erster Vorschlag, wie man das Verfahren beenden könne: Angesichts der Beweislage sei eine Einstellung des Verfahrens gemäß Paragraf 154 überlegenswert. Der Paragraf sieht die Einstellung einer Straftat dann vor, wenn die zu erwartende Strafe deutlich unter jener aus einer anderen Tat liegt. Da fügte es sich günstig, dass der Angeklagte erst wenige Wochen vorher von einem anderen Richter in anderer Sache wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt worden war.
So kam es dann auch: Das Verfahren wegen räuberischer Erpressung wurde in Hinblick auf die vorangegangene rechtskräftige Verurteilung des Angeklagten eingestellt.