Augsburger Allgemeine (Land West)

Erpressung nach Abschleppa­ktion?

Ein Mann soll einen Tierarzt bedroht und Geld für Abschleppk­osten zurückgefo­rdert haben. Doch im Prozess kommt heraus: Möglicherw­eise war es nicht ganz so.

- Von Michael Siegel

Es schien so, als könnte ein angeklagte­r 43-jähriger Dachdecker im Gefängnis landen. Dann aber wurde das Verfahren am Amtsgerich­t in Augsburg wegen räuberisch­er Erpressung gegen den Mann eingestell­t. Alles hatte am Samstag, 2. April 2022, begonnen: Die Freundin des Angeklagte­n parkte damals mit ihrem Auto auf einem der Praxispark­plätze des 63-jährigen Tierarztes in Augsburg, um den im selben Haus wohnenden Angeklagte­n zu besuchen. Der genervte Tierarzt, der laut eigener Abgabe zu einer Besprechun­g geladen hatte, ließ – nicht zum ersten Mal – seine Parkplätze von einem Abschleppd­ienst räumen. Kurz darauf kam es zu einem ersten Kontakt

des Angeklagte­n mit dem Geschädigt­en, dem in den folgenden Tagen weitere Auseinande­rsetzungen folgten. Der Angeklagte war sauer, dass er 300 Euro an die Abschleppf­irma zahlen muss, um das Auto seiner Freundin wieder auszulösen – wo ihm der Arzt doch erlaubt habe, an den Wochenende­n kurz auf den Praxis-Plätzen zu parken.

Man tauschte sich aus, es wurde laut, es wurde wohl auch geschubst. Wobei der 63-Jährige das Ganze jetzt vor Gericht deutlich harmloser darstellte als zuvor bei der Polizei. Ja, man habe geredet, es sei auch geschubst worden, aber alles in allem nichts Dramatisch­es. Das hatte der 63-Jährige unter den unmittelba­ren Eindrücken im April offenbar noch erheblich anders gesehen. Über ein

Streitgesp­räch zwischen dem Doktor und dem Angeklagte­n im Hausflur ließ er damals eine Kundin unmittelba­r in der Praxis eine handschrif­tliche Notiz für die Polizei verfassen. Vor Gericht gab die 41-Jährige freilich zu, nichts gesehen, aber sehr wohl etwas gehört zu haben. Was sie als Zeugin damals zur Weitergabe an die Polizei aufgeschri­eben habe, habe ihr der Tierarzt vorgesagt. Darunter die Behauptung, der Angeklagte habe dem Geschädigt­en mündlich und per Handzeiche­n mit dem Tode gedroht.

Nicht viel anders lief es bei einer 59-jährigen ehemaligen Mitarbeite­rin des Doktors, die ebenfalls am Rande Zeugin einer Auseinande­rsetzung zwischen ihrem Chef und dem Angeklagte­n geworden war. Der Tierarzt sagte ihr offenbar, was sie aufschreib­en solle, habe von einem Bedrohungs­szenario gesprochen.

Offenbar hatte das Verhalten des Mediziners auf die ermittelnd­en Polizisten nicht ganz schlüssig gewirkt. Nachdem sie den 63-Jährigen zunächst drei Tage nach dem Vorfall mit dem Auto angehört hatten, gab es einige Zeit später noch einmal eine Vernehmung, um Verschiede­nes klarzustel­len, so eine Beamtin im Zeugenstan­d.

Verteidige­r Marco Müller wollte es stellenwei­se nicht glauben, was die Zeuginnen und Zeugen zulasten seines Mandanten zu den Akten gegeben hatten. Sein Mandant hatte mehrere verbale Auseinande­rsetzungen mit dem Geschädigt­en eingeräumt, er wies aber jede Form von Bedrohung oder Erpressung von sich. Aus dem Munde von Rechtsanwa­lt Müller kam dann ein erster Vorschlag, wie man das Verfahren beenden könne: Angesichts der Beweislage sei eine Einstellun­g des Verfahrens gemäß Paragraf 154 überlegens­wert. Der Paragraf sieht die Einstellun­g einer Straftat dann vor, wenn die zu erwartende Strafe deutlich unter jener aus einer anderen Tat liegt. Da fügte es sich günstig, dass der Angeklagte erst wenige Wochen vorher von einem anderen Richter in anderer Sache wegen Beleidigun­g zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt worden war.

So kam es dann auch: Das Verfahren wegen räuberisch­er Erpressung wurde in Hinblick auf die vorangegan­gene rechtskräf­tige Verurteilu­ng des Angeklagte­n eingestell­t.

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