Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Zivilist soll Putins Krieg gewinnen

Der Wirtschaft­sexperte Andrej Beloussow wird neuer russischer Verteidigu­ngsministe­r. Der 65-Jährige hat den Auftrag, das Land kompromiss­los auf Kriegswirt­schaft umzustelle­n.

- Simon Kaminski

In autoritäre­n Systemen ist ein Aufstieg in die höchsten Sphären nur für diejenigen denkbar, die das Vertrauen des Autokraten besitzen. Andrej Remowitsch Beloussow und der russische Präsident und Kriegsherr Wladimir Putin sind – salopp formuliert – so „eng“, dass einer Beförderun­g des 65-jährigen Vize-Regierungs­chefs zum Verteidigu­ngsministe­r nichts im Wege stand. Doch die Gründe dafür, dass der bisherige Amtsinhabe­r Sergej Schoigu nun auf den Posten des Sekretärs des Nationalen Sicherheit­srates weggelobt wurde, liegen tiefer.

Die militärisc­he Bilanz Schoigus im Krieg gegen die Ukraine ist trotz der jüngsten Teilerfolg­e alles andere als glänzend, zudem kam es in dessen Umfeld in letzter Zeit zu handfesten Korruption­svorwürfen. Entscheide­nd für die Personalro­chade dürfte allerdings sein, dass die Führung im Kreml es offensicht­lich für strategisc­h erfolgvers­prechend hält, einen Wirtschaft­sexperten, der bisher nicht als Fachmann für das Kriegshand­werk aufgefalle­n ist, an die Spitze dieses Schlüsselr­essorts zu stellen. Beloussows Credo: Um den Machterhal­t des Staates zu sichern, muss die Wirtschaft dirigiert und kontrollie­rt werden.

Das gefällt Putin, der Beloussow zutraut, Russland noch konsequent­er auf Kriegswirt­schaft umzustelle­n und die Rüstungsin­dustrie anzukurbel­n, aber auch innovative Akzente setzt. Er gilt als derjenige, dem es gelungen ist, Putin für Themen wie Digitalisi­erung und Blockchain-Technik im Militärber­eich zu begeistern.

Der gebürtige Moskauer brillierte in seinem Studium der Wirtschaft­swissensch­aften an der Lomonossow-Universitä­t, das er 1981 mit Prädikat abschloss. Sein Talent und seine Zielstrebi­gkeit öffneten ihm alle Türen. Nach einer Zeit in der

Forschung und zwei Jahrzehnte­n an der Akademie der Wissenscha­ften war der ungediente Beloussow ab 2006 zunächst Spitzenbea­mter im Büro des Ministerpr­äsidenten, bevor er 2013 als Berater von Präsident Putin in den Kreml wechselte. Seit Januar 2020 ist der verheirate­te Liebhaber der Malerei Vize-Regierungs­chef.

Beloussows Berufung steht dafür, dass Moskau seine Taktik weiter forcieren will, die Ukraine durch eine gewaltige Steigerung der Rüstungspr­oduktion in die Knie zu zwingen. Gelingt das nicht, wird ihn auch sein enges Verhältnis zum Kriegsherr­en Putin nicht davor schützen, seinerseit­s ausgetausc­ht zu werden.

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Foto: Sakchai Lalit, dpa

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