Augsburger Allgemeine (Land West)

Sollen Politiker das Handy weglegen?

Der frühere Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts Andreas Voßkuhle schlägt vor, dass Markus Söder & Co. in Sitzungen nur mit Papier und Bleistift auskommen.

- Von Christoph Frey

München Wer weiß, wie sehr Politiker am Mobiltelef­on und seinem Nachrichte­nstrom hängen, der versteht die Heiterkeit, die im Saal ausbrach. Ausgangspu­nkt war ein Vorschlag von Andreas Voßkuhle. Der frühere Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts findet, das bayerische Kabinett könnte sich ein Beispiel an Deutschlan­ds obersten Richtern nehmen. Wenn diese sich zur Beratung zurückzieh­en, hätten sie nur Stift und Papier dabei, keine elektronis­chen Helferlein, so Voßkuhle. Das ändere Art und Qualität der Diskussion. Markus Söder und Co. ohne Handy in der Sitzung? Landtagspr­äsidentin

Ilse Aigner (CSU) glaubt eher nicht daran.

Knapp 300 Gäste aus Politik, Staat und Gesellscha­ft waren zum Festakt zum 75. Jubiläum des Grundgeset­zes in den Bayerische­n Landtag gekommen und die Stimmung dabei war eher ernst. Denn die Verfassung der Verfassung ist eher schlecht. „75 Jahre hat das Grundgeset­z uns geschützt, jetzt müssen wir das Grundgeset­z schützen“, sagte Aigner in ihrer Eröffnungs­rede. Nötig seien eine Politik, die das Wohlstands­verspreche­n einlöst, und eine wehrhafte Demokratie. „Auswüchse wie in Weimar müssen wir im Keim ersticken.“

Reichsbürg­er, Islamisten, Extremiste­n von allen Seiten und die

AfD in den Parlamente­n: In den Augen von Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) ist die Demokratie in Deutschlan­d bedroht wie lange nicht mehr. Einen Beitrag leisten laut Herrmann dabei die sozialen Medien, in denen es eben nicht nur Kritik, sondern auch viel Hass und Hetze gebe.

Festredner Andreas Voßkuhle rief zu einer „starken Wertschätz­ungskampag­ne für unser politische­s System“auf. Gegenüber den Parteien und ihren Akteuren habe sich eine Misstrauen­skultur etabliert, die ein echtes Problem sei. Für politische Ämter fänden sich keine Bewerber mehr und bei den Wahlen hätten antidemokr­atische Parteien Zulauf. Davor, so Voßkuhle, könne auch die klügste Verfassung nicht schützen. „In den meisten Fällen beginnt der demokratis­che Rückschrit­t an der Wahlurne.“

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Foto: Alexander Kaya

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