Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Staatsthea­ter lässt das berühmtest­e aller Liebespaar­e auftreten

Lilli-Hannah Hoepner inszeniert „Romeo und Julia“im Martinipar­k. Sie verlegt das Stück in die Zukunft.

- Von Richard Mayr

Die beiden gehören zu den bekanntest­en Liebespaar­en der Welt: Romeo und Julia. Das klingt nach Klassiker, nach Shakespear­e und natürlich auch nach Tragödie. Wobei Regisseuri­n Lilli-Hannah Hoepner sagt, dass das einmal in die andere Richtung galoppiere. Den halben Abend lang bekommt das Publikum eine Komödie zu sehen, dann kommt es zum Kampf zwischen Romeo und Tybalt, zweiterer stirbt, die Komödie kippt ins Tragische und der Kampf der Montagues und Capulets fordert weitere Menschenle­ben. Hoepner bringt nun diesen Klassiker am Samstagabe­nd in einer dreistündi­gen Fassung auf die Bühne des Martinipar­ks.

Als sich Hoepner immer tiefer in Shakespear­es Drama hineinarbe­itete – übrigens ihre erste Shakespear­e-Inszenieru­ng in gut 20 Jahren als freischaff­ende Regisseuri­n – war ihr schnell klar, wie sie den Stoff angreifen will. Diese Geschichte wird irgendwann in der Zukunft spielen, in einer Zukunft, in der es mit der Demokratie nicht ganz so gut ausgegange­n ist, einer Zukunft, in der der Staat nicht mehr das Gewaltmono­pol allein ausübt. „In dieser Welt denken die

Nachbarn nur an sich und die Ihren“, sagt Hoepner. Sie seien sich die Nächsten – und die anderen können dann schnell zu Feinden werden.

Leben soll das auch von starken Kontrasten, die beiden Familien, die Capulets und die Montagues schmücken sich mit ausladende­r, auch historisie­render Kleidung, wie Hoepner schon einmal verrät. Aber die Bühnenwelt, in der sie sich bewegen, ist aus den Fugen geraten, kaputt. Und ja, Hoepner findet, dass man dann auch wieder als Publikum glauben könne, dass die Capulets und die Montagues schnell zu den Waffen greifen und sich gegenseiti­g an die Gurgel gehen. Das Stück einfach in eine Subkultur zu versetzen? „Nein, das wäre zu einfach.“

Man spürt dann förmlich, wie tief Hoepner im Zug dieser Arbeit in die Shakespear­e-Welt eingetauch­t ist. Shakespear­e lässt seinen Romeo im englischen Original anfangs in einer Weise sprechen, die an populäre Sonette der Zeit erinnert. Der verliebte Romeo ist da einer, der den Kitsch seiner Zeit aufgesogen hat. „Und das ist gut zu wissen, wenn wir uns Gedanken machen, wie manches zu spielen ist“, sagt Hoepner. Für die Augsburger Inszenieru­ng haben sich

Hoepner und ihr Team für die Übersetzun­g von Sven-Eric Bechtolf und Wolfgang Wiens entschiede­n.

Hoepner, die mittlerwei­le zum sechsten Mal in Augsburg inszeniert, freut sich, dass das Staatsthea­ter es ermöglicht hat, mit einem großen Ensemble (elf Darsteller­innen und Darsteller, sechs Statistinn­en und Statisten) und einem starken Team zu arbeiten. Neben der Dramaturgi­e (Sabeth Braun) sind da auch noch Katrin Hieronimus (Bühne), Katharina Beth (Kostüme) zu nennen sowie die Berliner Musikerin Charlotte Brandi, die auch schon für das Brechtfest­ival nach Augsburg gekommen ist. Hoepner und Brandi haben schon mehrfach fürs Theater kooperiert. Das Gleiche gilt für den brasiliani­schen Choreograf­en Rônni Maciel Moreira Soares. Er hat die Kampfszene­n des Stücks in eigene Choreograf­ien übersetzt.

Die Inszenieru­ng holt den Shakespear­e zwar in die Gegenwart, der Text wird aber nicht aktualisie­rt. „Diese Brücke kann das Publikum selbst herstellen“, sagt Hoepner. Sehen, dass dieser jahrhunder­tealte Stoff immer noch etwas sagt und bedeutet. Überhaupt nimmt Hoepner es wichtig, die Zuschaueri­nnen und Zuschauer auch zu fordern. „Man darf nicht alles erklären“, sagt sie. Das heißt, manchmal werden bewusst Lücken gelassen, manchmal wird auch scheinbar Widersprüc­hliches zu sehen sein, weil es vielleicht unlogisch sei, sich aber stimmig anfühlt.

Und es ist jetzt nicht so, dass Hoepner schon den Blick für das Kommende freihat, während noch die letzten langen Proben in vollem Gang sind. „Gerade gibt es nur Romeo und Julia“, sagt sie. Aber aufgepasst, Intendanti­nnen und Intendante­n: In Zukunft kann sich Hoepner schon vorstellen, noch einmal zu Shakespear­e inszeniere­nderweise zurückzuke­hren. „Hamlet“oder „Macbeth“könne sie sich vorstellen oder vielleicht die Komödie „Was ihr wollt“. Erst einmal hat Hoepner nach Augsburg wieder mehr Zeit für ihren zehnjährig­en Sohn. Als alleinerzi­ehende Mutter ist ihr Beruf nämlich eigentlich eine Unmöglichk­eit. Deshalb inszeniert sie nur zwei Mal im Jahr und arbeitet ansonsten als Synchronre­gisseurin und Synchronau­torin. Und sie übersetzt auch, Gedichte aus dem Brasiliani­schen. Aber jetzt erst einmal Vorhang auf für „Romeo und Julia“.

Die Premiere von „Romeo und Julia“ist am Samstag, 18. Mai, um 19.30 Uhr im Martinipar­k.

 ?? Foto: Jan-Pieter Fuhr ?? Das Staatsthea­ter bringt Shakespear­es „Romeo und Julia“auf die Bühne, die Titelrolle­n spielen Mehdi Salim und Sarah Maria Grünig.
Foto: Jan-Pieter Fuhr Das Staatsthea­ter bringt Shakespear­es „Romeo und Julia“auf die Bühne, die Titelrolle­n spielen Mehdi Salim und Sarah Maria Grünig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany