Augsburger Allgemeine (Land West)

Liebesnest und Familienku­tsche

Schreckmom­ente, Peinlichke­iten und viel Liebe: Mit seinem ersten Auto erlebt man so einiges. Unsere Redaktion hat Geschichte­n dazu aus dem Augsburger Land gesammelt.

- Von Bianca Dimarsico

Landkreis Augsburg Das erste Auto ist etwas ganz Besonderes und mit vielen Geschichte­n verbunden – manche schön, manche weniger schön. In jedem Fall erinnert man sich noch lange daran, oft mit einem Hauch Nostalgie, als es zur Gangschalt­ung noch keine für alle erschwingl­iche Alternativ­e gab, die Abgaswerte egal und 50 PS noch eine ganze Menge waren. Menschen aus dem Landkreis Augsburg erzählen uns von ihrem ersten Auto und woran sie sich heute noch gerne erinnern.

Mehr als nur eine Erinnerung hat Günter Presnitz aus Schwabmünc­hen an sein erstes Auto: ein mausgrauer Käfer, Baujahr 1968 und zuvor der Dienstwage­n seines Vaters. Zum Studienbeg­inn schenkten ihm seine Eltern das Gefährt. Mit 34 PS und knapp 90.000 Kilometer auf dem Tacho brachte Presnitz’ Herbie ihn zumeist zuverlässi­g von A nach B – allerdings nicht ohne das eine oder andere Schreckerl­ebnis.

So war Presnitz eines Nachts mit seiner zukünftige­n Frau unterwegs, als bei 80 Kilometern pro Stunde plötzlich die Scheinwerf­er ausfielen. „Das werden wir nie vergessen. Nach kurzer Besinnung von unserem Käfer wurde es wieder hell vor uns“, erzählt der Schwabmünc­hner. Nach mehreren Jahren verkaufte Presnitz seinen geliebten, aber verrostete­n Herbie schließlic­h an einen Automechan­iker. Stolze 263.000 Kilometer hatte das Auto dann auf dem Tacho.

Ähnlich gut befahren war das erste Auto von Werner Mayr aus Langweid – allerdings bereits, als er es erwarb. Zehn Jahre und 200.000 Kilometer hatte der Opel Olympia, Baujahr 1953, auf dem Buckel. Trotz seiner Macken bezahlte Mayr damals gerne die 500 D-Mark. Unabdingli­ch war bei jeder Fahrt jedoch ein Reservekan­ister Motoröl. „Der Ölverbrauc­h war enorm. Ein Liter auf 500 Kilometer“, erinnert sich der Langweider.

Für Mayr war das erste Auto jedoch nicht nur Fortbewegu­ngsmittel. „Seine Macken haben wir ihm gerne verziehen, es war unser Liebesnest“, erzählt Mayr. Die Freundin mit aufs Zimmer zu nehmen, sei zu damaliger Zeit nicht erlaubt gewesen. Seine damalige

Freundin Renate und er sind inzwischen seit 60 Jahren verheirate­t und erinnern sich gerne an viele verliebte Stunden in dem alten Auto.

Seit gut 60 Jahren hält Werner Springstei­n aus Dinkelsche­rben an seinem ersten Auto – heute längst ein Oldtimer – fest. Der VW Karmann Ghia Typ 34, Baujahr 1963, ist seit 1969 in seinem Besitz und wird weiterhin gründlich von ihm gepflegt. Mit seiner Frau unternimmt Springstei­n darin noch immer gerne Tagesausfl­üge ins Allgäu. „Gerne erinnern wir uns auch an die alljährlic­hen Urlaubsfah­rten in den 70er-Jahren mit vollem Gepäck über die Brenner Landstraße an die italienisc­he Adria zum Campingpla­tz in Cavallino“, sagt der Dinkelsche­rber.

Gemeinsam mit einem Freund kaufte sich Helmut Mensching aus Neusäß 1966 sein erstes Auto: einen gebrauchte­n VW 1500 S für 2800 D-Mark. Alle paar Wochen fuhren die zwei Jungingeni­eure damit die Strecke von Augsburg nach Hannover und zurück. An eine Fahrt im Jahr 1967 erinnert sich Mensching noch besonders gut: Auf der Rückfahrt nach Augsburg lief das Auto bestens, bergab kam es auf bis zu 140 Kilometer pro Stunde. „Wir lieferten uns ein Duell mit einem neuen Fiat 124, der gerade auf den Markt gekommen war. Bergauf war er schneller, bergab unser VW“, erzählt Mensching.

Der Spaß sollte die Männer jedoch einiges kosten. Plötzlich gab es einen kurzen Schlag im Motor, der sich danach nicht mehr starten ließ. „Wir durften tief in die Tasche greifen und waren um eine teure Erfahrung reicher. Seit dem Tag bin ich Mitglied beim ADAC“, erinnert sich der Neusässer heute.

Günther Friemel aus Königsbrun­n sammelte seine ersten FahrErfahr­ungen mit einem Fiat 600. Gleich in den ersten Tagen wurde sein Können auf die Probe gestellt. Er fuhr zum Baden nach Mühlhausen auf den dortigen Campingpla­tz und stellte sein Auto ab. Als er zurückkam, war dieses vollkommen eingeparkt. Und Friemel, damals noch Fahranfäng­er, wusste nicht, wo der Rückwärtsg­ang war. „Also habe ich gewartet, bis die anderen Autos weggefahre­n sind. Bescheuert, aber wahr“, erzählt der Königsbrun­ner. Heute lache er darüber.

Ebenfalls einen Fiat hatte Justine Guadagnini aus Schwabmünc­hen in den 1960er-Jahren als erstes Auto. Einen gebrauchte­n, hellblauen Fiat 500. Viele Jahre blieb sie dem Auto treu, sei es beim Umzug aus München nach Schwabmünc­hen im Jahr 1964 oder bei den Schwangers­chaften, die folgen sollten. „Sicherlich sehenswert, wie eine Hochschwan­gere sich aus diesem kleinen Auto schält“, sagt Guadagnini. Kleine Reisen wie zum Tegernsee unternahm der Fiat ebenso, jedoch „mit einem klammen Gefühl auf der Autobahn, wenn Laster uns überholten“, erinnert die Schwabmünc­hnerin sich. Mit zwei Erwachsene­n und drei Kindern war der Kleinwagen schließlic­h überforder­t. Guadagnini denkt weiterhin gerne an ihr erstes Auto zurück. „Der kleine Italiener hat Großes geleistet“, findet sie.

Das wöchentlic­he Duell auf der Heimfahrt

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