DAS WAR'S DANN WOHL
Da war es wieder, dieses Gefühl, nicht mehr ehrlich lachen zu können. Nicht mehr interessiert zuzuhören, wenn sie mir etwas erzählt. Gemeinsame Zeit? Lieber mit den Jungs. Und all diese kleinen Lügen, um es hinauszuzögern – das Ende einer Beziehung.
Als ob ich diese vermeintlich so plötzliche Ahnung, diesen Moment der Ehrlichkeit nicht schon länger habe heran schleichen sehen. Beim mir war es immer dieser eine Augenblick der Erkenntnis gewesen, wo ich gespürt habe, dass diese Beziehung keine Zukunft mehr hat. All die Kränkungen, Verletzungen und falschen Wahrheiten, die ich seit geraumer Zeit hingenommen hatte, um die Beziehung aufrechtzuerhalten, hatten nun endlich ihren Tribut gefordert. Stück für Stück hatten sie sich einen Weg gebahnt, bis zu diesem kleinen fiesen Moment – Stopp. Bis hierhin und keinen Schritt weiter.
Oh du fröhliche
„Ich kann nicht mehr“– dieses Mal hörte ich mich das ausgerechnet zwischen Weihnachten und Silvester sagen. Da halfen auch keine Ausreden mehr. Ich wollte nicht schon wieder eine Feier mit Freunden zum Schauspiel meiner Noch-Beziehung werden lassen. Ich wollte das neue Jahr wirklich neu beginnen. Mit aller Konsequenz. Wer jemanden verlässt, mag zunächst der prädestinierte Part von beiden sein. Man bleibt zumindest nicht als Verlassener zurück. Was bleibt, ist jedoch nicht nur das miese Gefühl von verlorener Hoffnung, das ein „Aus“mit sich bringt. Dies auch noch einem Menschen mitteilen muss, der einen immer noch liebt, jemanden zu verletzen, der in einem seine Zukunft gesehen hat und der mit dir im Vertrauen einen gemeinsamen Weg gehen wollte – für mich gibt es kaum eine schlimmere Situation.
Gedankengänge
Über einen Monat lang haderte ich mit dem Gedanken, um mich dann in letzter Konsequenz endlich dazu durchzuringen. Für eine Trennung gibt es ja nie den richtigen Moment. Es ist ja immer so ein „Augen zu und durch“in der Hoffnung, dass dein Gegenüber nicht in Tränen ausbricht. Nach dem Gespräch mit ihr ging ich mit zwei Herzen in der Brust nach Hause. Ich war erleichtert, andererseits zweifelte ich, ob das jetzt so richtig war. Hätte ich mich vielleicht doch mehr drauf einlassen sollen? Ich ging im Geiste unsere Zeit durch. Mandy und ich waren 1,5 Jahre zusammen. Ich erinnerte mich an viele schöne Erlebnisse und Erfahrungen mit einer Frau, der ich sehr nah sein durfte. Was zurück bleibt sind Gedanken an einen lieb gewonnenen Menschen, den man nun verletzt hinter sich lässt. Aber sollte ich weiter Liebe heucheln, nur um nicht zu verletzen? Mir ist das zu unehrlich.
Als ich jünger war, hatte ich dieses
Spiel aus Unerfahrenheit gespielt, bis ich gemerkt habe, dass dabei beide nur verlieren können. Aber was hat man nicht alles gemacht – aus Unwissen, jungem Stolz und naiver Liebe, um sich mit dem Herzen zu verrenken. Heute kann ich darüber herzlich lachen und über meine Torheiten vermutlich Bücher füllen, aber wer nicht?
Was danach kommt
Ich weiß nicht, wie viele Beziehungen nur noch aus Gewohnheit und Angst vor dem Alleinsein existieren. Ein liebloses Nebenbei statt eines herzlichen Miteinanders. Für mich war das ab einem gewissen Erfahrungsgrad einfach keine Option mehr. Zu häufig habe ich in meiner eigenen Familie gesehen, was das aus einem Menschen macht. Wenn dir ein 63-jähriger, gestandener Mann erzählt, dass er für das Leben, das er gerne geführt hätte, einfach die falsche Frau gehabt hat (und noch immer hat) und dabei sein Gesicht für einen kurzen Moment alles ausdrückt, was er über die letzten 37 Jahre gefühlt hat – nein, danke! Dann lieber ein schmerzlich-ehrlicher Abschied, um beide für eine neue Zukunft frei zu geben.
Aber was kommt danach? Der Austausch von Geborgtem, der Abschied von einem Freundeskreis, das Zurückgeben von Schlüsseln? Das alles kann sich über Monate hinweg ziehen und jedes Mal stehst du wieder vor deiner Ex, die die Hoffnung in deinen Augen sucht, dass du es dir vielleicht doch noch mal anders überlegt hast. Und auch wenn du dir noch so Mühe gibst, jedwedes Relikt verschwinden zu lassen, findest du in stillen Momenten dennoch einen Teil des Menschen, den du gerade aus deinem Leben manövriert hast: Unterm Bett, in einer Schublade, in einer schönen Erinnerung. Eine Trennung kann man noch so konsequent durchziehen, Abschied und Loslassen kommen nicht selten in schmerzhaften Raten.
Alles auf Anfang
Nach unserer Trennung war ich in einem Zwischenzustand aus Rückblick und dem beflügelten Gefühl neuer Möglichkeiten. Nach der anfänglichen Euphorie zurückgewonnener Freiheit, zu viel Alkohol mit Freunden, installierten Dating-Apps, unverbindlichen, gescheiterten und erfolgreichen Dates, sind sie trotz allem schnell wieder da: Die einsamen Sonntagabende, an denen du trotz bunter Single-Zeit wieder vor Augen geführt bekommst, dass du allein bist. Vorbei die geplanten Wochenenden und schönen Erlebnisse zu zweit. Dieses Jahr leider kein Sommerplan! Stattdessen die Herausforderung, sich wieder mit sich selbst zu beschäftigen. Meist flüchte ich mich dann in Aktivitäten, treibe mehr Sport, ernähre mich bewusster. Gerade Sport ist für mich immer die kleinste und einfachste Gefälligkeit, die man sich antun kann. Es ist wie ein Automatismus, ganz so, als ob mein Körper einen Selbstheilungsprozess
startet, weil Kopf und Herz mit der neuen Situation überfordert sind.
Fragen über Fragen
Was habe ich falsch gemacht? Lag es an ihr? Habe ich mich verbogen und bin dabei an mir selbst vorbeigegangen? Hatte ich zu hohe Erwartungen? Hatte ich das nicht eigentlich schon mal alles hinter mir gelassen? Oder habe ich mich zu schnell in was Neues gestürzt? Nach einem Ende wälzt man viele Fragen. Nicht immer findet man Antworten. Wenigstens die letzte konnte ich dieses Mal mit einem klaren „Ja“beantworten.
Die Beziehung mit Mandy war ich nach nur zwei Monaten einer vorherigen eingegangen. Viel zu schnell für eine so lange Zeit, die ich mit der „Frau davor“verbracht hatte. Ein fliegender Wechsel, aber warum? Weil ich mir die einsamen Wochenenden, die Beschäftigung mit mir selbst und die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ersparen wollte. Statt mir die Chance zu geben, mich weiterzuentwickeln, hatte ich auf Abenteuer und Ablenkung gesetzt.
Erinnerungsstücke
Dass diese Rechnung des „einfach weitermachens“nicht immer aufgeht, wurde mir bewusst, als ich kürzlich meine Wohnung ausmistete. Dabei stellte ich fest, dass es noch viele unausgeräumte Schubladen gibt, die mich daran hindern, mich wirklich frei mit den offenen Fragen zu beschäftigen. Wenn immer wieder die Erinnerung an eine alte Beziehung auftaucht, wie will ich da eigentlich anfangen, wirklich neu zu denken? Das war in dieser Deutlichkeit neu für mich. Ich sagte mir: Der ganze Besitz, der mich noch mit ihr verbindet, muss raus! Diese gemeinsam angeschafften Dinge und Vorstellungen an eine Zukunft zu zweit. Dieses ganze „uns“das schon lange kein „wir“mehr war. Zum ersten Mal kamen auch neue Fragen auf. Weniger die rückwärts gewandten, vielmehr jene an die Zukunft nahmen ihren Raum ein: Wie stelle ich mir eine zukünftige Partnerschaft vor? Was erwarte ich von meiner neuen Freundin, das ich auch selbst akzeptieren kann, ohne mich erneut zu verbiegen? Wie stelle ich mir unser Miteinander eigentlich vor, wenn es nicht nur ein nebenbei sein soll? Bisher hatte ich mich in Beziehungen immer treiben lassen, war viel zu optimistisch, dass alles schon gut wird. Sicher, keine schlechte Eigenschaft an mir. Ich hatte damit meine Partnerinnen auch in schlechten Zeiten immer mitgezogen. Immer vorwärts, das wird schon wieder. Ja nicht zu viele Fragen stellen, es läuft doch ganz gut mit uns! Wer als Mann grübelt denn schon gerne ständig über seine Beziehung? Um die mir wichtigsten Fragen war ich damit aber scheinbar immer vorbeigezogen. Eine zugegebenermaßen späte Erkenntnis. <