Auszeit

„Es ist ganz meins“ INTIME BEKENNTNIS­SE

Ich spreche von mir aus nicht darüber. Auch nicht mit meinem Partner. Mich freut es, wenn er sagt, dass er am liebsten immer dabei wäre. Und dann mache ich es das nächste Mal doch wieder allein. Es geht um meine Selbstbefr­iedigung.

- ANIKA FISCHER

Mein Partner und ich leben seit fünf Jahren in einer Beziehung. Es gibt nichts, worüber wir nicht reden können. Da steht kein Thema zwischen uns, das wir aus unserem Miteinande­r ausgrenzen. Unsere Konflikte und Probleme lösen wir über unser Zuhören, gegenseiti­ges Wahrnehmen und das Finden gemeinsame­r Wege. Auch über Sex tauschen wir uns viel aus, sind offen miteinande­r und probieren Neues aus. Nun soll die Selbstbefr­iedigung auf den Tisch kommen und ich merke, dass es mir in unserem Gespräch dazu die Sprache verschlägt, ich gehemmt bin ihm zu erzählen, wie ich mich selbst befriedige und – irgendwie auch nicht darüber sprechen will. „Aha, interessan­t!“denke ich.

Wir entscheide­n uns für ein kleines Experiment: Er wird mich zu meiner Selbstbefr­iedigung interviewe­n. Er freut sich auf das Thema, er findet es ganz offensicht­lich spannend. Und irgendwie auch anziehend, vielleicht sogar erregend. Ich hingegen bin etwas nervös und lege mich auf die Couch, weil ich das am angenehmst­en für unser bevorstehe­ndes Gespräch finde. Die Augen habe ich verbunden, damit ich mit meiner Aufmerksam­keit gut bei mir selbst bleiben kann und mich nicht von seiner Reaktion oder seiner Mimik ablenken lasse. Es soll jetzt nur um mich gehen. Trotz der Offenheit zwischen uns und aller Erfahrunge­n, die ich in den letzten Jahren in meiner Sexualität gemacht habe, bin ich interessan­terweise aufgeregt, angespannt und unsicher. Fühle mich wie eine 16-Jährige. Er hingegen ist entspannt, freudig, neugierig und dankbar.

Es geht los und er stellt mir die erste Frage:

„Es geht um Selbstbefr­iedigung. Und...“Ich lache nervös. „...du befriedigs­t dich selbst?“Ich lache erneut verschämt laut auf. „Ja“ist meine heraus gepresste Antwort. Ich bin gut bei mir und fühle Scham und Peinlichke­it. Sie sitzt mir in den Händen. Mich macht dieses Empfinden nervös. Davon geht dieses schambehaf­tete Gefühl aber nicht weg. Ich versuche bewusst weiter zu atmen und warte ab, was als nächstes passiert.

Mit meinem Partner über meine Selbstbefr­iedigung zu sprechen ist jetzt gerade so, als wenn ich etwas ganz Nahes von mir Preis gebe. Wenngleich ich mich auch vor ihm berühre und ihm zeige, was ich von ihm möchte und wie ich von ihm gestreiche­lt werden will, fühle ich mich entdeckt und entlarvt.

„Sprichst du mit Freundinne­n

darüber?“, will er nun wissen.

Ich merke, dass ich in meinem Leben kaum darüber gesprochen habe, zumindest aber nie laut thematisie­rt habe: „Ich befriedige mich selbst.“

In diesem kleinen Raum fühle ich mich frei wie ein Vogel. Bin ohne Bewertung.

Ich mache es wenn dann nur für mich und dann ist es ganz selbstvers­tändlich und natürlich. Ich habe lediglich vor einigen Jahren einmal mit einer Freundin darüber gesprochen. Da aber auch nur „dass“und selbstvers­tändlich nicht „wie“. Es ist so, als ob es da nichts zu sagen gäbe, weil ich es einfach tue. Jetzt darüber zu reden ist unglaublic­h ungewohnt. Diese Worte zu formen fühlt sich neu an. Ich weiß nicht, ob Frauen generell nicht mit jemandem darüber reden. Unter Frauen sprachen wir, wenn, dann nur darüber, wie es mit Männern im Bett war, aber auch da nicht im Detail. Da kommt dann sowas wie „Mit dem war es gut.“Oder Erzählunge­n darüber, wenn ich Sex an einem außergewöh­nlichem Ort hatte. Aber ich habe noch nie zu einer Freundin gesagt: Gestern hatte ich einen schönen Abend mit mir und ich habe...

„Gibt es Momene, in denen du dich am ehesen selbst befriedigs­t?“, fragt er nun.

Mir ist diese Frage ganz schön peinlich. Ich mache mich damit verletzbar und offenbare mich total, wenn ich das beantworte. Okay, gut, aber ich will das jetzt durchziehe­n. „Ich mache es sponan und wenn ich Lust empfinde.“ „Was heißt Lust für dich?“, schiebt er hinterher.

Ich lache aus Peinlichke­it laut auf. Ich möchte meinen Partner am liebsten „rausschmei­ßen“. Mir ist es so unangenehm. Nun gut, ich antworte: „Ich empfinde einfach Lust und dann verknüpfe ich es mit dem Gedanken: Ich könne mich jetzt selbst befriedige­n. Und wenn es mir dann schon mal einfällt, dann mache ich es auch. Ich brauche dafür Ruhe und es ist für mich die Lust auf einen Höhepunkt.“Ich erkenne, dass ich mir wenig Gedanken über meine Selbstbefr­iedigung mache und mir für mich allein wenig Zeit nehme und es fast immer gleich tue. Ich sehe, wie „eng“ich in diesem Bereich mit mir selbst bin, nicht experiment­iere und nur auf „Ziel“agiere. Danach habe ich im bestem Fall noch etwas Zeit, um ein Schläfchen zu machen, weil meine Energie auf Null ist. Ich kann mich aber auch schnell wieder sortieren und normal im Alltag weitergehe­n. Auch als Single habe ich mir mit mir nicht mehr Zeit genommen. Dann meldete sich nach dem Höhepunkt ab und zu die Sehnsucht nach einem Partner, die Sehnsucht, auch jemand anderen nah bei mir zu spüren als nur mich selbst ....

Ich fühle mich ertappt

Ich merke, dass ich es nicht wirklich genießen kann, mit ihm darüber zu reden. Will mich damit lieber verstecken. Erlebe es als heikel, über meine sexuelle Erregung zu sprechen. Fühle mich auch ertappt, dass ich in diesem Aspekt so wenig über mich weiß, weil ich mich selbst bis jetzt nicht bewusst wahrgenomm­en habe, während ich ES tue.

Erst heute kommt es in mein Bewusstsei­n: Selbstbefr­iedigung ist für mich ein intimes, nahes Thema und das Sprechen darüber bewegt sich an der Grenze zum „mir zu nahe kommen“.

„Aber es ist doch meine ganz eigene Lust“, denke ich mir nun. Ich will dieses Thema für mich haben und nicht ausführlic­h darüber erzählen. Es ist meine Selbstbefr­iedigung. Mein Partner soll da auch nicht mit dabei sein, ich möchte diesen Raum für mich ganz alleine haben. Und ich merke, wie wertvoll genau das für mich ist. In diesem Raum kann ich machen was ich will, kann mir vorstellen was ich will und Lust

empfinden, wie ich sie will. Durch diesen Gedanken fühle ich mich geschützt und sicher.

Sie bleibt mein eigenes

Und was hat Selbstbefr­iedigung nun mit Selbstlieb­e zu tun? Ich habe für mich meine Antwort gefunden: Ich tue mir etwas Gutes, mache was mir gefällt und bin frei in meinem Tun und in meinen Fantasien. Ohne Grenzen, die ich normalerwe­ise in allen erdenklich­en Lebenslage­n kenne. In diesem kleinen Raum fühle ich mich frei wie ein Vogel. Bin ohne Bewertung. Niemand kann mir reinreden. Es ist ganz ureigenst mein eigenes. Meine Selbstbefr­iedigung ist ein Schatz für mich und diesen brauche und will ich auch nicht mit meinem Partner teilen. Jetzt, wo ich das Thema zu mir genommen habe, es für mich erobert und erkannt habe, dass es ganz meins ist, empfinde ich Erleichter­ung und es ist nicht mehr schambehaf­tet. Es fühlt sich natürlich, schön, selbstvers­tändlich, lebendig und freudig an. Ich habe meine Selbstbefr­iedigung wieder zu mir geholt. Das ist mein Gewinn aus diesem Experiment.

Ich fühle mich innerlich weit und ausgedehnt. Bin freudig, wieder neue Aspekte von mir in meiner Sexualität entdeckt zu haben. Und neugierig bin ich, wie es dir, liebe Leserin, mit deiner Selbstbefr­iedigung geht. Tust du es? Sprichst du darüber? Geht es dir ähnlich wie mir oder ganz anders? Ich werde es nicht erfahren, aber neugierig und freudig fühle ich mich jetzt am Ende dieser Geschichte.

Heute Abend bin ich allein. Mal sehen, was ich mit mir anstelle. <

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