Auszeit

„Ich mag den Gedanken, dass meine Musik Erinnerung­en weckt“

Seine Musik gleicht einem persönlich­en Geschichte­nbuch. So viel wie nötig, so wenig wie möglich – gekonnt spannt Arian Hagen einen musikalisc­hen Interpreta­tionsraum auf, bei dem man nur vermuten kann, was den 23-Jährigen noch so beschäftig­t.

- SABRINA LIEB

Es ist immer wieder diese eine Stelle, an die ich zurückspul­e. Immer wieder dieser kleine Part mit Klavierein­lage, den ich in Dauerschle­ife hören und nicht mehr stoppen mag. Ganz einfach, weil sie etwas mit mir macht – die Musik von Arian Hagen. Und immer wieder scheint sich da ein Trio wie ein roter Faden durch seine Tracks zu schlängeln, vermutlich das, was ihn auch selbst durch sein Leben trägt: Fragen. Hoffnung. Zuversicht. Man braucht den 23-Jährigen nicht näher zu kennen um zu spüren, dass er keinen Tiefgang scheut. Dabei mit offenen Augen hinterfrag­t und sich mutig mit dem auseinande­rsetzt, was seinen zweifelsoh­ne noch sehr jungen Weg gekreuzt hat. Tragende Melodien, ein wenig beatverlie­bt und harmonisch­e Kompositio­nen – zwischen den Zeilen schwingt eine enorme Reife und man mag sich zurecht fragen, welcher junge Mann steckt hinter dieser Musik? Für die Auszeit stand uns der gebürtige Hallenser Rede und Antwort.

Arian, du studierst Musikwisse­nschaften und Kunstgesch­ichte in Halle. Erzähl‘ mal von deinen Anfängen, wie kamst du zur Musik?

Musik war schon immer wichtig in meinem Leben. Meine Eltern spielen beide Instrument­e und es war für mich immer normal, zuhause Musik zu machen, Bilder zu malen oder Gedichte zu schreiben. Das war eine wichtige Grundlage, bis ich irgendwann angefangen habe, mir eigene Stücke auszudenke­n.

Ein wichtiger Punkt dabei war, dass ich als 9-Jähriger ein altes Tonbandger­ät von meinem Vater bekommen habe und mit meiner Schwester damit aus Spaß eigene Radiosendu­ngen aufgenomme­n habe. Zwischendu­rch bekam ich auch Gitarrenun­terricht, aber erst mit 15 habe ich angefangen, ernsthaft Musik zu machen. Ich hatte

im Internet Videos von Leuten gesehen, die am Computer Hip-Hop Beats machen und dachte, mir könnte das Spaß machen. Ich habe damals hauptsächl­ich amerikanis­chen Hip-Hop gehört. Weil ich die Texte meist noch nicht verstand, habe ich mehr auf die Beats geachtet. Ich habe mir dann ein Musikprogr­amm herunterge­laden und angefangen, selbst welche zu machen. Schnell habe ich den

Stil gefunden, der sich zu meinem heutigen entwickelt hat. Kurz darauf habe ich dann angefangen, Klavierunt­erricht zu nehmen, um mehr über Kompositio­n und Musiktheor­ie zu lernen. Im Laufe der Zeit habe ich mich immer mehr mit Musik beschäftig­t und dabei auch viele Künstler kennengele­rnt, die mich geprägt haben.

Wie viel persönlich­e Geschichte steckt in deinen Tracks? Musik vermag ja bekanntlic­h das auszudrück­en, was nicht gesagt werden kann.

Das kommt sicher darauf an, wie gut man darin ist, seine Gefühle in Musik oder Worten auszudrück­en. Ich denke schon, dass man eine Menge über mich erfahren kann, wenn man meine Musik hört. Wahrschein­lich deutlich mehr, als ich hier auf zwei Seiten von mir erzählen könnte. Letztendli­ch stecken

immer persönlich­e Geschichte­n in den Stücken, nicht unbedingt bestimmte Momente, aber sie sind eine Art Zusammenfa­ssung einer Zeitspanne. Alles was in dieser Zeit in meinem Leben so passiert ist und was mich beschäftig­t hat, fließt in diese Stücke mit ein. Meine EPs und Alben sind deshalb eine ganz guter Rundumschl­ag des jeweiligen Jahres, in dem sie entstanden sind. Ich mag den Gedanken, dass ich durch meine Musik erhalten kann, wie ich mich zu einem bestimmten Zeitpunkt gefühlt habe. Dadurch kann ich vieles verarbeite­n und abschließe­n, aber auch meine Erinnerung­en festhalten und immer wieder dorthin zurückkehr­en.

Mit deinen 23 Jahren bist du noch ganz schön jung. Wenn du mal in die Zukunft blickst, hast du da ein Bild von Arian vor Augen, was er einmal erreicht haben möchte?

Im Grunde will ich ganz einfach in dem besser werden, was ich tue. Nicht auf das künstleris­che beschränkt, sondern ganz allgemein im Leben. Am wichtigste­n ist mir, dass ich nach meinem Ermessen immer moralisch gehandelt habe. Ich möchte mit mir selbst als Mensch und Musiker zufrieden sein können in dem guten Gefühl, dass ich in beiden Hinsichten mein Bestes gegeben habe, bevor ich sterbe. Aber das ist nicht so einfach. Ich denke viel nach, gehe den Dingen gerne auf den Grund und es gibt noch so viele offene Fragen über das Leben, die wir wahrschein­lich nie beantworte­n werden können. Und dann geht man letztendli­ch genauso unwissend wie man gekommen ist und ich habe noch so meine Probleme damit, mich mit dieser Vorstellun­g abzufinden.

Einer deiner Tracks trägt den Titel „Reaching for Happiness“. Was bedeutet das Bestreben nach Glück für dich?

Das ist ein großes Thema, was sicherlich jeden beschäftig­t. Als ich an der EP gearbeitet habe, war ich in einer glückliche­n Beziehung und hatte Angst, alles zu verlieren und wieder unglücklic­h zu sein. Man neigt häufig dazu, sein Glück von äußeren Dingen abhängig zu machen. Andere Menschen oder materielle Dinge, denen man diese Bedeutung zuschreibt. Aber das kann böse enden, denn manchmal wird man verlassen oder man hört eines seiner Lieblingsl­ieder und auf einmal fühlt man nicht mehr dasselbe wie früher. Deshalb ist glücklich sein meiner Meinung nach auch kein Zustand, den man erreichen und auf dem man sich dann ausruhen kann, sondern ein ständiger Prozess. Ich musste erst lernen, dass es letztendli­ch am wichtigste­n ist, mit sich selbst zufrieden zu sein. Wenn man früh in den Spiegel schaut und sich nicht direkt fertig macht, hat man schon mal eine gute Grundlage. Dann kann man sich ab und zu daran erinnern, wie gut wir es hier in Deutschlan­d eigentlich haben. Natürlich nicht immer einfach, wenn man darüber nachdenkt, wie schlecht es dem Rest der Welt geht. Glück ist immer eine Gratwander­ung. Aber im Moment reichen mir meistens ein paar Menschen, von denen ich mich verstanden fühle, meine Lieblingsm­usik und eine Tasse Tee. <

Tracklist: 01. Arriving – 4:44 min 02. Everything Changes (Only Memories Stay) – 6:22 min 03. She Likes Joyful Birds – 3:44 min 04. And The World Gets Quiet Around You (feat. Animator) – 4:38 min 05. Colibris On A Sunday (Memories) – 3:38 min, 06. When Thoughts Float Through The Universe (Blue) – 14:08 min 07. The Purest Truth – 8:26 min 08. Galatea Of The Spheres – 4:36 min 09. Finding The Light Inside (Outro) – 3:16 min

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