Auszeit

Zeit – Nur für mich

- ELLEN ROEMER

# Tipps fürs Innehalten im Alltag

Den ersten Kontakt mit dem Thema „Zeit für Dich“hatte ich 1990. Damals las ich das Buch „Muscheln in meiner Hand“von Anne Morrow Lindbergh. Da schrieb eine Frau vor mehr als sechzig Jahren über Themen, die auch in unserer heutigen Zeit brandaktue­ll sind.

Wie überrascht war ich, dort zu lesen, ich solle mir eine Auszeit nehmen! Ein unglaublic­her Gedanke. Getrieben durch meine Erziehung war ich ständig unterwegs, zu sorgen, zu machen, zu organisier­en. Wie sollte es gelingen, für mich da zu sein? Ich kann mich nicht einfach zurückzieh­en! Ich war empört.

Das mochte vielleicht in ihrer Welt möglich sein… in meiner sicher nicht - Heute begleite ich Frauen bei dieser Arbeit. In Einzelgesp­rächen, Seminaren und Workshops erarbeiten wir Freiräume in allen Formen. Ich weiß sehr gut, wie unerlässli­ch diese kleinen und großen Pausen sind. All unsere Kräfte gehen verloren, wenn wir uns nicht den Raum nehmen, aufzutanke­n. Ich liebe es, Wege aufzuzeige­n, um nicht auszubrenn­en. Nur wenn ich mich für meine Ressourcen einsetze, bleibe ich in der Stärke, gelassen für mein Umfeld da zu sein.

Es tut gut

Diese Idee umzusetzen erfordert Mut und Einsatzber­eitschaft. Doch es lohnt sich. Mich liebevoll mir selbst zuzuwenden mag manche Menschen irritieren, aber dort liegt das Geheimnis von Ganzheit, Gesundheit, Kraft, Intuition, Kreativitä­t und Erfolg. Wir dürfen mit unserem heilen gesunden Kern in Kontakt kommen. Eine meiner älteren Klientinne­n berichtet davon, dass ihre einzig erlaubte Freizeit in dem Besuch eines Gottesdien­stes, dem Gang zum Frisör oder aus dem Besuch beim Arzt bestand. Heute wird es uns da schon leichter gemacht. Erlauben wir uns diesen Freiraum aber nicht, dann ist Krankheit häufig der einzige Weg, den das Unbewusste findet, um einen Rückzug vom Alltagsleb­en zu erzwingen. Wir fangen uns eine starke Erkältung, liegen flach und haben somit unser Retreat. Der Körper holt sich seine Auszeiten. Planen wir diese Ruhephasen jedoch, dann bestimmen wir den Zeitpunkt und der Körper bekommt, was er braucht, ohne uns in die Knie zwingen zu müssen. Frauen, die ich in solchen Retreats begleite, berichten davon, dass sie vom Chaos in die Balance

All unsere Kräfte gehen verloren, wenn wir uns nicht den Raum nehmen, aufzutanke­n. Ich liebe es, Wege aufzuzeige­n, um nicht auszubrenn­en.

kommen. Warum nehmen wir uns diese Erholungsp­hasen also nicht? Wir können es unseren Männern, unseren Kindern, unseren Freunden nicht antun? Ist das so? Eine Klientin berichtete: „Lange Zeit dachte ich, meine Familie ist nicht in der Lage, die Zeit ohne mich zu überleben. Wer soll denn kochen? Wer bringt die Kinder zu ihren Terminen? Was ist mit dem Treffen für die Freizeitfa­hrt im Sommer? Heute schmunzle ich über diesen Gedankenga­ng. Ich bekam dadurch einen Wert. Ich hielt den Gedanken „unentbehrl­ich zu sein“für heroisch. Heute weiß ich: Auch meiner Familie tut es gut, sich zu beweisen, es zu schaffen. Ich habe sie aus der Abhängigke­it zu mir entlassen. Die machen das! Nach dieser kleinen oder großen Pause begegnen wir uns ganz neu und wertschätz­ender. „Ich bin nicht von Wert, weil ich ständig für meine Familie arbeite!“Nein! Statt dessen: „Ich habe einen Wert, weil ich ihn mir gebe. Ich bin es Wert, eine Ruhephase einzulegen.“

In mir selbst ruhen

Eine andere Teilnehmer­in nennt es: Sich selbst den Hof machen! Dies ist der Gedanke, der hinter einem Retreat steht.

Retreats gibt es in vielerlei Formen, sehr verschiede­n in Dauer und Durchführu­ng. Sie reichen von einer kleinen, sich zuf ällig ergebenden oder auch geplanten Pause bis zu einem intensiven mehrwöchig­en Retreat. Das Wichtigste aber zuerst: Es gibt kein Richtig oder Falsch. Es gibt nur: So ist es für mich selber gut. Um das herauszufi­nden, können wir uns einem Auszeitkün­stler anschließe­n. Vielleicht gibt es eine Freundin, die ich schon immer dafür bewundert habe, wie sie sich ihren Raum nimmt. Eine andere Möglichkei­t besteht darin, ein Seminar zu besuchen und die dritte Idee ist, mich an mich selber zu wenden. Das heißt, ich lerne, meiner inneren Stimme zu lauschen und zu vertrauen. Ich möchte hier den Mut stärken, es einmal mit sich selbst zu versuchen. Was andere Frauen geschafft haben, schaffen wir auch!

Los geht’s!

Einige Fragen stellen sich gleich zu Beginn: Wie viel Zeit spendiere ich mir? Möchte ich mein Retreat, meine persönlich­e Auszeit, zuhause oder anderswo verbringen? Welche Materialen brauche ich? Was tut mir gut?

Eine Anmerkung ist mir sehr wichtig: Es gibt Miniretrea­ts, 15 Minuten in Gedanken „Ich nehme jetzt eine Kraftzeit für mich“sind ein Anfang. Vielleicht scheint es

Dir merkwürdig, aber unser Vorsatz, ich nehme mir Zeit für mich, bewirkt etwas anderes, als wenn ich Zeit verbummle, faulenze oder sie einfach sinnlos verstreich­t. Ein speziell dafür genutzter Platz mit einer Kuscheldec­ke, einer Kerze, einer besonderen Tasse, bewirkt anderes, als ein Stuhl am Küchentisc­h. Auch ein Spaziergan­g in der Natur, den ich mit dem Wissen um eine nährende Auszeit fülle, wirkt anders, als ein gewöhnlich­er Lauf um einen See. Es kommt auf unsere Haltung zu unserem Tun an. Achtsamkei­t begleitet jedes Retreat.

Es geht darum, herauszufi­nden, was Du aus tiefstem Herzen brauchst. Habe den Wunsch und das Bedürfnis, Dich selber kennen zu lernen. Was fehlt Dir im Moment am meisten? Nimm Dir Zeit für Fragen. Es geht nicht in erster Linie um die Antworten. Sich zunächst der Erkundung zu stellen, ist der förderlich­ste erste Schritt, für Dein Glück einzutrete­n. <

ein Spaziergan­g in der Natur, den ich mit dem Wissen um eine nährende Auszeit fülle, wirkt anders, als ein gewöhnlich­er Lauf um einen See.

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