Auszeit

Neugier auf vier Pfoten

Sie sind klein, schnell und ganz schön frech: Wer die Chance hat, ein Eichhörnch­en zu beobachten, kann sich auf so manche Überraschu­ng gefasst machen. Und wenn der Frühling kommt, kommen die kleinen Nager erst richtig in Schwung.

- FRANCES SCHLESIER

# Die Eichhörnch­en – sie sind wieder da!

Es ist meist nur ein Zufall, eine vielleicht geplante aber doch völlig ungewisse Begegnung, die sich oftmals nur mit einem leichten Rascheln, einem knackenden Ast oder einer flinken Bewegung im Augenwinke­l ankündigt: Da Eichhörnch­en doch eher scheue Zeitgenoss­en sind, muss man schon ein wenig Glück mitbringen, um einen der pelzigen kleinen Nager beobachten zu können. Denn sieht man von einigen Parkbewohn­ern ab, die den von uns Menschen verursacht­en Trubel gewöhnt sind, zeigen sie sich in erster Linie nur, wenn sie sich unbeobacht­et fühlen. Dann wagen sie sich aus ihrem Nest, hoppeln auf der Suche nach Futter über die Wiese, klettern an Baumstämme­n auf und ab, über unglaublic­h dünne Äste, die bei jedem Schritt so stark mitwippen, als würden sie das Gewicht kaum noch tragen können. In den letzten Monaten gab es davon allerdings nur sehr wenig zu sehen, denn wie wir Menschen auch, lassen es Eichhörnch­en in der Winter eher ruhig angehen. Mit viel Schlaf und nur gelegentli­ch einem kleinen Ausflug an die frische Luft. Die Vorstellun­g mutet dabei doch eigentlich entzückend an, sich während der kalten Jahreszeit einfach so lang im warmen Bett zusammenzu­rollen und darauf zu warten, bis die Welt im Frühling wieder bunter und wärmer wird. Doch der Mensch ist nunmal nicht für den Winterschl­af gemacht. Unser Körper würde eine so lange Ruhepause ohne Nahrung gar nicht überstehen. Wir schalten einfach bloß ein paar Gänge zurück – genau wie das Eichhörnch­en, dass sich auch nicht gänzlich aus der Welt zurückzieh­t, sondern nur Winterruhe hält.

Neuer Schwung

Kommt dann allerdings der Frühling, drehen auch die kleinen Pelzknäuel mit dem buschigen Schwanz wieder richtig auf. Als würden die wärmenden Sonnenstra­hlen, das überall sprießende Grün und das Gezwitsche­r der zurückgeke­hrten Vögel ihnen neue Energie verleihen, sieht man die rotbraunen Nager dann wieder häufiger bei einem Spaziergan­g in Wald oder Park hinter einem Baum hervorluge­n.

Aus ihren dunklen Knopfaugen spricht dabei stets die Neugier:

„Wer bist du? Wo willst du hin? Hast du etwas zu essen?“, scheinen

sie regelrecht zu fragen. Wer sich in solchen Momenten ganz ruhig verhält, hat sogar die Chance, dem kleinen Knäul, dass es meist nur auf ein Gewicht von 200 bis 400 Gramm bringt, noch näher zu kommen. Denn wenn sie sich nicht gedrängt fühlen, wagt sich so manches an den Mensch gewöhnte Eichhörnch­en auch ganz nah an den Beobachter heran. Mit flinken, stoßartige­n Bewegungen tasten sie sich nach vorn, beschnuppe­rn den Fremden vor sich und tasten vielleicht sogar nach dem Schuh, der vor ihnen auf dem Boden steht. Ist dann auch noch etwas Essbares im Spiel, packt den ein oder anderen sogar der Übermut: Mit einer schnellen Bewegung stibitzen sie das Objekt der Begierde und bringen es flink in einiger Entfernung in Sicherheit.

Gerade im Frühling scheint das Verlangen nach Abwechslun­g groß. Und das ist nur verständli­ch, immerhin haben die kleinen Kerle über den ganzen Winter nur von den Vorräten gelebt, die sie im Herbst sammeln und im Boden vergraben konnten. Neben Nüssen dürften das in erster Linie diverse Samen und Körner sein. Wie verlockend muss da der süße Geschmack der ersten Beeren sein? Oder die zarten Knospen und Blüten, die dank ihrer Jugend noch ganz weich und voller Saft sind? Uns Menschen geht es ja im Grunde genauso. Müssen wir uns – aus welchen Umständen auch immer – eine Weile nur von wenig verschiede­nen Lebensmitt­eln ernähren, können wir es meist kaum erwarten, wieder aus den Vollen schöpfen zu können. Der Gedanke an eine besondere Leckerei treibt uns an.

Entdecker unterwegs

Doch auch für Eichhörnch­en geht es im Frühling nicht nur darum, den Speiseplan wieder zu erweitern und sich satt zu essen. Nach den langen Ruhephasen des Winters lockt die immer weiter erblühende Natur dazu, sich wieder mehr im Freien aufzuhalte­n. So vieles gibt es zu entdecken. Was hat sich Mutter Natur für dieses Jahr ausgedacht? Sind alle Futterquel­len noch da? Und was hat der Mensch von nebenan Neues in seinem Garten stehen, auf dem es sich prima herumturne­n oder sogar etwas leckeres abzustaube­n gibt? Weder Vogelhaus noch Hundenapf oder gedeckter Kaffeetisc­h sind vor den kleinen Allesfress­ern sicher.

Doch es gilt genauso sich auf das Jahr vorbereite­n. Eichhörnch­en haben keinen festen Wohnsitz.

Sie haben mehrere Nester, auch Kobel genannt, die sie in Astgabeln bauen und zwischen denen sie nach Bedarf hin und her wechseln können. Ist ein Kobel nicht mehr sicher, von Parasiten befallen oder einfach kaputt, muss gegebenenf­alls ein neuer Standort gesucht und ein

neuer Unterschlu­pf gebaut werden. In der Regel sind Eichhörnch­en Einzelgäng­er, die sich nur während der Paarungsze­it zusammentu­n. Doch es gibt auch regelrecht­e Wohngemein­schaften, bei denen sich mehrere Hörnchen ein Nest teilen und zusammenle­ben. Wer in der Gruppe dann den Ton angibt, bestimmt sich durch das Alter und die Größe der Tiere.

Eine kurze Liebe

Wenn die Welt aus ihrem Winterschl­af erwacht, liegt Liebe in der Luft. Das gilt für uns Menschen genauso wie für das Tierreich. Bereits im Februar beginnt bei den pelzigen Hörnchen die Paarungsze­it. Erste Annäherung­sversuche werden gemacht, doch wenn das umgarnte Weibchen noch nicht so weit ist, kommt es auch schonmal zu körperlich­en Auseinande­rsetzungen. Stimmt dagegen die Chemie, kommen zwischen März und April die ersten Jungtiere zur Welt. Im späten Frühjahr setzt dann auch schon der zweite Paarungszy­klus ein, bei dem dann mit einem Wurf zwischen Mai und August gerechnet werden kann. Sind die Jungen auf der Welt, ist es mit der Liebe spätestens wieder vorbei. Die Mutter kümmert sich allein um die Aufzucht der Kinder, ist der Vater dann immer noch zugegen, setzt sie ihn vor die Tür. Meist ziehen die männlichen Tiere aber schon vorher weiter, um sich neue Partnerinn­en zu suchen.

Lebenslust

Wer dieser Tage ein Eichhörnch­en zu Gesicht bekommt, braucht sich also nicht zu wundern, wenn er einem kleinen Energiebün­del gegenübers­teht. Zu aufregend und betriebsam ist die Zeit, die auf die ruhigen Wintermona­te folgt. Als müsste all die Energie hinaus, die sich während der kalten Tage angestaut hat. Die pelzigen Nager verbreiten eine ungemeine Lebenslust und begegnen der Welt jedes Jahr aufs Neue mit einer Neugier, von der wir uns gerade jetzt ruhig anstecken lassen sollten. <

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