Auszeit

Ewigkeit Nimm die Zeit und lass sie fallen. Ergeben löst sie sich auf, zerrinnt – vor Deinen Augen – zur Ewigkeit.

Jäh erschütter­t Dich die Schöpfung – Du erkennst, Du bist Teil von ihr.

- MARTINA POKORNY

auch in unserer Freizeit Leistungen erbringen zu müssen. Frei von dem Bedürfnis, zu konsumiere­n. Denn, wer mit sich selbst etwas anzufangen weiß, will weder als Erster den neuesten Film sehen, noch braucht er die angesagtes­te Handtasche oder ein Gala-Menü, um sich gut zu fühlen. Wer erkannt hat, dass ungenutzte Zeit unsere Energiespe­icher füllt und uns Glücksgefü­hle beschert, der geht bestimmt immer noch gern ab und zu ins Theater oder gut Essen, doch er beißt genauso genüsslich in einen saftigen Apfel und genießt hingebungs­voll sein Kopf-Kino.

Einfach sein

Wer einmal auf den Geschmack dieser Einfachhei­t gekommen ist,wird sie nicht mehr missen wollen. Worte wie Sommerfris­che oder Müßiggang wirken dann nicht länger spinnweben­behaftet, sie bekommen einen frischen Geschmack und bieten uns die Chance, unsere Umgebung völlig neu zu erleben. Das Zauberwort dafür heißt für mich „Hingabe“– geben wir uns immer wieder einmal bewusst dem Moment hin: Wenn ich spazieren gehe, lasse ich mein Handy zu Hause. Achtsam setze ich Fuß vor Fuß, spüre den Wind auf meiner Haut und lausche den Klängen, die mich umgeben. Ich kenne den Ruf der Amsel wenn sie Gefahr meldet genauso wie ihr fröhliches Gezwitsche­r. Die Veränderun­gen in der Natur im Lauf der Jahreszeit­en nehme ich bewusst wahr. Jedes Mal gibt es Neues am Wegesrand zu entdecken. Neben den Hagebutten, die verschrump­elt matt im Geäst hängen, beginnt sich erstes, zartes Grün zu zeigen. An den Sträuchern ringsum sind erste Knospen zu erkennen. Von Zeit zu Zeit bleibe ich stehen, drehe mich um und lasse die veränderte Sichtweise auf mich wirken. Was zuerst vor mir lag, liegt jetzt hinter mir, was verborgen war, wird sichtbar. Ich beobachte aufmerksam die Menschen, die mir begegnen: Kann ich ihren Blicken begegnen? Weichen sie aus, wenn ich rechts bleibe? Ich lasse die Menschen hinter mir, verlasse den Weg, bahne mir einen eigenen. Sonnenstra­hlen setzen ein Spinnennet­z ins Rampenlich­t, silbern glitzern Tautropfen wie Perlen daran, ich hebe den Blick, sehe in die Baumkronen – der Frühling ist schon zu erahnen, doch noch ragen die Äste bizarr kahl in den Himmel. Sein Blau ist marmoriert vom Weiß der Schleierwö­lkchen.

Neue Energie

Der Schrei eines Käuzchens schreckt mich auf. Freudig erregt von all diesen Eindrücken fühle ich deutlich meinen Herzschlag. Er ist im Einklang mit der Natur, ich bin ein Teil von ihr! Federleich­t setze ich nun weiter meine Schritte, fühle den Waldboden unter mir und den Himmel über mir, bin eingebette­t zwischen den beiden…

So gehimmelt und geerdet zieht es mich langsam wieder zurück, zurück in mein Zuhause. Erfrischen­d müde und entspannt lebendig bin ich bereit für all das, was jetzt auf mich wartet. Satt und zufrieden wende ich mich meinen alltäglich­en Aufgaben zu. Ich bin mehr als bereit – dank Ruhe und Gemächlich­keit, meine Hingabe an den Augenblick.

Das Leistungs-Karussell dreht und dreht sich, immer schneller, nur... ich dreh mich nicht mehr mit. Denn: Abseits von ‚schneller, höher, weiter‘ wartet das Leben! <

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