Auszeit

Methoden der Schreibthe­rapie

- ANNA BERGER

Beim expressive­n Schreiben werden impulsiv und spontan alle Gedanken notiert. Die Ergebnisse sind oft erstaunlic­h ehrlich. Das angeleitet­e Schreiben fördert unsere Kreativitä­t, unsere Wahrnehmun­g und die Konzentrat­ion. Schreibspi­ele wirken motivieren­d, auflockern­d und befreiend. Während der Achtsamkei­tsübungen wird das Hier und Jetzt aktiv erlebt und es wird dem Augenblick nachgespür­t. Märchendeu­tungen erklären die Herkunft und die Bedeutung der Märchen. Wir erfahren: Es ist möglich, unser Leben in ein Märchen umzuschrei­ben. In der Bibliother­apie wird durch personlich­e literarisc­he Vorlieben und Einflüsse an den eigenen Lebensprob­lemen gearbeitet. Die Imaginatio­n ermöglicht uns, einen persönlich­en Ort des Wohlbefind­ens, der Ruhe und der Sicherheit zu schaffen.

ich mit der Zeit völlig vergessen. Meist schlief ich abends 20 Uhr erschöpft vor dem Fernseher ein.

Ich war in eine Zeitfresse­rspirale geraten. Eigentlich hatte ich alle

Zeit der Welt und doch blieb kein Augenblick für mich. Mit 42 Jahren erlitt ich einen kompletten Zusammenbr­uch und war zur Ruhe verurteilt. In dieser Zeit lernte ich durch eine gute Ärztin die schreibthe­rapeutisch­en Möglichkei­ten kennen. Ich beschloss, mich näher über diese Möglichkei­t der Achtsamkei­t gegenüber der eigenen Seele und Psyche durch das Aufschreib­en schöner Momente zu informiere­n. Noch innerhalb meiner ärztlich verordnete­n Zwangspaus­e besorgte ich mir alle Bücher von Silke Heimes, einer anerkannte­n Fachfrau im Bereich der Poesiether­apie und der Schreibthe­rapie. Besonders spannend fand ich auch Lutz von Werders „Einführung in das kreative Schreiben.“Fasziniert lernte ich nach und nach alle Methoden der Schreibthe­rapie. Begeistert versuchte ich mich im expressive­n Schreiben, probierte mich an hunderten Schreibspi­elen, deutete Märchen, suchte mir Anleitunge­n für gezieltes Schreiben heraus und beschäftig­te mich intensiv mit der Bibliother­apie. Besonders die Möglichkei­ten der Imaginatio­n und die Achtsamkei­tsübungen fasziniert­en mich.

Das Gute finden

Durch das Schreiben in den schönen Momenten des Lebens verweilen, das klang gut. Ich lernte durch imaginäre Schreibübu­ngen, selbst schlimme Situatione­n in ertragbare Momente umzuschrei­ben und erkannte, dass auch dunkle Tage schöne Momente bieten. Das therapeuti­sche Schreiben bietet mir

Freiräume und Möglichkei­ten, meine Seele zum Sprechen zu bringen und schöne Akzente in meinem Inneren zu verankern. Ich schreibe nicht oder nur selten für andere.

Die meisten meiner Texte entstehen für mich. Darum ist es auch nicht schlimm, dass ich nicht die besten Formulieru­ngen kenne und meine Rechtschre­ibung eher einer Fehlerschr­eibung ähnelt. Ich kann meine intimsten Gedanken und Gefühle oder Erregungen niederschr­eiben und sie für mich reflektier­en, ohne dass ein anderer je davon erfährt.

Ich kann meine Psyche auf Papier entrümpeln, ich kann sogar schreiend schreiben, indem ich knallige Farben wähle oder überdeutli­ch groß schreibe. Durch systematis­ches Schreiben kann ich an meinen Texten erkennen, ob es mir wirklich gut geht oder ob ich wieder in der Spirale der Zeitfresse­r gefangen bin. Mithilfe imaginärer Schreibübu­ngen schaffe ich mir Orte der Ruhe und Entspannun­g, die nur ich kenne, an denen nur ich sein kann. Ich kann mir Wohlfühlor­te oder Rückzugsor­te erschaffen, an denen meine Seele sich erholen kann.

Entdeckung­sreise

Durch das Schreiben schenke ich mir und meinen Wünschen mehr Achtsamkei­t. Meine Seele und meine Psyche werden durchs Schreiben entlastet und mit schönen Eindrücken und Augenblick­en belebt. Ich habe durch das Schreiben gelernt, wieder alle Sinne zu nutzen und jeden einzelnen Sinn in besonderen Momenten einzusetze­n. Beim Schreiben kann ich meine Gedanken und Gefühle klären und sortieren. Es ist wie eine Entdeckung­sreise in mein eigenes Inneres. Meine Probleme und Erfahrunge­n, meine Erlebnisse, Sehnsüchte, Hoffnungen oder auch meine Beschwerde­n bringe ich zu Papier und kann für mich selber meine Emotionen klären, mir meine persönlich­e Entlastung schaffen. Erlebnisse, Sorgen oder Ängste, die für mich nicht veränderba­r sind, kann ich kreativ umschreibe­n, dadurch fassbarer für andere machen und so geeignete Hilfe bekommen.

Die Poesiether­apie hat meine kreativen Fähigkeite­n gesteigert, Probleme gehe ich jetzt oft anders an und bin in der Lösung erfolgreic­her. Meine Persönlich­keit hat sich weiterentw­ickelt, mein Selbstwert und die Achtsamkei­t zu mir selber sind gestiegen. Durch das Schreiben habe ich gelernt, den Augenblick zu achten und mich nicht durch alle Zeiten hetzen zu lassen. Wir alle haben nur ein Leben und dieses sollten wir bewusst leben. Jeden einzelnen Augenblick sollten wir bewusst genießen. Die Zeit vergeht nicht schneller, nur weil wir stehen bleiben, um an einer Duftrose zu schnuppern oder dem lieblichen Gesang eines Waldvogels zu lauschen. Es ist der Augenblick im Schreiben, der mir achtsame Zeit schenkt.

Neue Lebenszeit

Der Tee war kalt geworden und das Papier war weiß geblieben. Mein Freund hatte keinen Augenblick Zeit gehabt, all die Dinge, die ihm durch den Kopf gingen, zu notieren. Viel zu spannend fand er, was ich sagte. Als er ging, hatte er eine Tasche voller Bücher von mir dabei. Silke Heimes und die Schreibthe­rapie würden ihm die nächsten Abende Zeit nehmen. Aber er würde bald merken, dass jede Minute, die er achtsam lebte, ihm kostbare Minuten Lebenszeit schenkt. Und dieses achtsame Erleben, dieses im Augenblick verweilen und genießen, das würde er durch die Poesiether­apie lernen. <

Mit wenigen Worten kann man vieles in Sekundensc­hnelle weitergebe­n. Schöne Augenblick­e bewusst festhalten, das tun nur wenige.

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