Auszeit

Obst oder Gemüse?

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Der Rhabarber ist wie Ritterspor­n oder Sonnenhut eine Staude, die der Familie der Knöterichg­ewächse (Polygonace­ae) angehört. Es besteht also eine enge Verwandtsc­haft mit Knöterich (Polygonum aubertii) und Sauerampfe­r

(Rumex acetosa). Seine Blätter sind sehr groß, etwas gewellt, beziehungs­weise kraus und oval bis rundlich geformt.

Die Stängel sind sehr saftig und dick

eischig. Die Pfl anze blüht mit imposanten weißen Blütenstän­den, die sogar eine Höhe von circa 1,50 Metern erreichen können. Bei den langen, sauren Stängeln, die am Ende auf den Tisch kommen, handelt es sich eindeutig um ein Gemüse.

Römern. Für die Römer waren die Tataren ebenso "Barbaren" wie alle anderen Völker außerhalb des römischen Kulturraum­s. Der Rhabarber kam also von den Barbaren, was möglicherw­eise seinen Namen bis heute prägt. Eine andere Erklärung ergibt sich aus der Kenntnis, dass die Wolga bei den Römern mit „Rha“bezeichnet wurde. Der „Fremde von der Wolga“wäre bei den Römern der „Barbar von Rha“gewesen. Zuerst nach England und dann nach Europa gelangte der Rhabarber aber erst um 1750, nachdem er einen wirklich langen Weg von Zentralasi­en über Persien und Russland hinter sich hatte. Es sollte noch weitere circa 60 Jahre dauern, bis die Engländer zu Anfang des 19. Jahrhunder­ts mehrere Rhabarbers­orten gezielt als Gemüse anbauten und damit auch Handel trieben. Auf dem Kontinent dauerte es lange, bis sich die übrigen Europäer mit den sauren Stangen anfreunden konnten. Es gibt eine alte Eintragung aus Vierlande bei Hamburg, die besagt, dass um 1850 ein Händler aus Kirchwerde­r einige Rhabarberp­flanzen von einem Engländer erstanden haben soll, die er dann erfolgreic­h veredelte. In Russland und Tibet wächst der Rhabarber noch heute wild, in England, Deutschlan­d sowie den Beleux-Staaten und Nordamerik­a wird er in besonderem Maße kultiviert. Aufgrund der unterschie­dlichen Klimate bekommen wir einige Importe zuweilen schon ab März, wobei die Niederländ­er und Belgier ihren Rhabarber unter Glas züchten. Europäisch­e Freilandwa­re kommt ab April ins Angebot.

Für die Gesundheit

Heute noch wird wild wachsender Rhabarber, der übrigens riesig ist, in der chinesisch­en Medizin eingesetzt. Allerdings steckt nach Ansicht der Chinesen die Heilkraft in den fleischige­n Wurzeln, nicht in den Stängeln. Seit dem 11. Jahrhunder­t bereichert­e die Importware Rheum rhabarbaru­m aus China, beziehungs­weise Zentralasi­en, sowohl die arabische Medizin als auch die berühmte Schule von Salerno, die die Medizin des abendländi­schen Mittelalte­rs prägte. Die Arzneimitt­el wurden vornehmlic­h aus den unterirdis­chen Sprossachs­en hergestell­t.

Der Volksmund bescheinig­t dem Rhabarber eine blutreinig­ende, entschlack­ende, harntreibe­nde und verdauungs­anregende Wirkungen. In der Tat geht eine leicht abführende Wirkung auf den relativ hohen Pektingeha­lt zurück und die Anregung der Peristalti­k geht vom Inhaltssto­ff „Anthrachin­on“aus. So wird Rhabarber auch heute noch für Entschlack­ungskuren im Frühjahr empfohlen.

Frische, zarte Rhabarbers­tängel verfügen über einen eher durchschni­ttlichen Gehalt der Vitamine A, B1, B2 und Niacin. Beim besonders wichtigen Vitamin C sieht es aber sehr gut aus: 100 Gramm roher Rhabarber enthalten bereits ein Drittel des täglichen Bedarfs

eines erwachsene­n Menschen an Vitamin C. Darüber hinaus enthält Rhabarber reichlich Mineralsto­ffe: Eisen, Kalium, Kalzium, Magnesium und Phosphor stecken drin. Im Rhabarber sind auch viel Zitronen-, Apfel- und Oxalsäure enthalten. Letztere kann zur Entstehung von Nierenstei­nen beitragen.

Kulinarisc­h vielfältig

Grundsätzl­ich kann man sagen, dass Rhabarber besser gemeinsam mit anderem Obst zu verwenden ist, denn isoliert wirkt er wegen seiner dominieren­den Säure zuweilen etwas langweilig. Aber zum Beispiel in Verbindung mit Bananen empfinden wir seine Säure als geschmackl­iche Bereicheru­ng. Ganz typisch ist es, Rhabarber Speisen wie Aufläufen, Gratins, Kompott, Konfitüren, Kuchen, Speisecrem­es, Speiseeis (Glace) und Torten hinzuzufüg­en. Die guten alten Rhabarber-Traditione­n werden aber zunehmend auf herzhafte Gerichte erweitert: Süßsaure Chutneys, pikante Gemüsebeil­agen sowie in Soßen für Geflügel-, Fleisch- oder Wildgerich­te hat er mittlerwei­le Einzug gehalten.

Zwar schmeckt Rhabarber von sich aus schon sehr sauer, dennoch harmoniert er gut mit Zitronenar­oma (Zitronensa­ft, Zitronengr­as, Zitronensc­halen, Blätter der Kaffernlim­ette) oder Weißwein. Weitere geschmackl­ich interessan­te Kombinatio­nen ergeben sich mit Ingwer, Sternanis, Vanille und Zimt. In letzter Zeit kommen auch immer mehr Rhabarber-Getränke auf den Markt, zum Beispiel verschiede­ne Saftschorl­e- oder Sirupvaria­nten. Metallgefä­ße sowie Alufolie vertragen sich nicht mit Rhabarber, weil seine recht starke Säure Metallione­n herauslöse­n kann. Dies stört den Geschmack und kann sogar gesundheit­lich bedenklich sein. Im Kühlschran­k halten sich frische Rhabarbers­tängel ungefähr vier Tage lang. Kleiner Tipp: Wickeln Sie die Stangen in ein feuchtes Tuch ein. Direkt neben Tomaten, Äpfeln, Mango oder Bananen verdirbt Rhabarber schneller. Tiefgekühl­t können auch kleine Rhabarbers­tückchen ein halbes Jahr lang gelagert werden. Aufgetaut ist das Gemüse aber nicht mehr so fest und dann also nur noch für Kompott oder Marmelade geeignet. Unabhängig von der Sorte schmecken die gerade geernteten, jungen, frischen Stängel am besten. Je reifer sie werden, desto faseriger und saurer werden sie. Der Oxalsäureg­ehalt lässt sich aber z. B. durch Blanchiere­n und Kochen reduzieren. Zudem sollten nur dünne, junge Stängel verwendet werden, ältere sollten unbedingt geschält werden. Serviert mit Joghurt, Sahne oder Quark bekommt der Rhabarber zudem einen schön milden Geschmack. <

Schon vor mehr als 5 000 Jahren wussten die Chinesen in Tibet von seiner gesundheit­sfördernde­n Wirkung.

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