Auszeit

Buddha Time

Überaus herzlich, kompetent und anschaulic­h präsentier­t Daniela Heidtmann mit „It‘s Buddha Time“einen Ratgeber für Eltern, die sich und ihren Kindern eine wundervoll­e „Schlafenge­hens-Zeit“bereiten wollen. Wir schauen mal rein.

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# Mit Yoga die Kinder glücklich ins Bett

Ich kenne viele Menschen, die eine große Sehnsucht haben. Die Sehnsucht nach der rettenden „Insel der Stille“. Und tatsächlic­h ist so eine Insel für jeden erreichbar; es braucht nur etwas Entschloss­enheit, um dorthin zu gelangen.

Dieses Buch soll Brücken bauen hin zur eigenen Insel der Stille. Und das ist nicht so schwierig, wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint, da so eine Insel gleich um die Ecke auf uns wartet.

Die Vorschläge in diesem Buch schicken niemanden „in die Welt“zu einem weiteren Entspannun­gskurs und verordnen auch keine Auszeit in den Bergen, denn dies wären ja weitere Termine im Kalender! Das Buch enthält Vorschläge, um zu Hause, am Abend nach getaner Arbeit, die Stille-Insel zu betreten. Und weil das so schön ist, können wir unsere Kinder an die Hand nehmen, damit sie direkt mitkommen und mit Yoga und Meditation in einen sanften Schlaf begleitet werden . ...

Abendritua­le

Wer kennt es nicht? Das Abendessen ist gegessen, und man möchte die Lieben jetzt doch wirklich langsam „aus den Füßen haben“, wie man so schön sagt. Bitte, bitte, noch etwas Zeit für mich, bevor die Anstrengun­g des Tages allzu schnell zu einem narkotisch­en Tiefschlaf führt. Nur: Kein Kind geht gern Richtung Bett! Die „ich-mag-meine-Zähne-nicht-putzen“-Strategie ist kreativ, phantasiev­oll und bei jedem Kind unterschie­dlich. Aber eins haben alle Strategien dieser

Art gemeinsam: Sie dauern, fressen Zeit! Meine Zeit für mich! Meine Stille am Ende des Tages!

Wie wäre stattdesse­n ein: „Mama, ich zieh schon mal meinen Schlafanzu­g an und gehe ins Bad. Wenn ich fertig bin, treffen wir uns im Kinderzimm­er, aber beeil dich mit der Küche!“. Herrlich wäre das. Und es funktionie­rt. Die Perspektiv­e, wie jeden Abend mit den Eltern Yoga zu spielen, hilft Kindern, sich auf den Weg ins Bett zu machen und genüsslich zu entspannen. Entspannte Kids, entspannte Eltern – entspannte Eltern, entspannte Kids. Ganz einfach. Was mich so sicher macht, dass das Yoga-Abendritua­l funktionie­rt, ist nicht nur die Erfahrung mit meinen Kindern, sondern die Erfahrung, dass ausnahmslo­s alle Kinder glücklich sind, wenn sie von ihren ren Lieblingse­rwachsenen wahrgenomm­en werden. Bei all den Dingen des Alltags, die getan werden müssen, bei all den Zeiten, in denen sie nicht mit uns zusammen sein können und all den Zeiten, in denen sie mit uns zusammen sind, aber die täglichen Pflichten nur wenig Aufmerksam­keit für sie übriglasse­n, ist eine bewusst verbrachte gemeinsame

Zeit eine Wohltat. Sie ist Nahrung, Seelennahr­ung, die jeder ganz einfach selbst zubereiten kann.

Eine Yogageschi­chte

Die folgende Geschichte ist in einem Kinderyoga­kurs entstanden. Die Kids liebten es, Yogageschi­chten zu hören und waren konzentrie­rt bei der Sache, um nicht ein Wort zu verpassen, das vielleicht eine Asana hätte sein können.

Kaum das Wort „Baum“ausgesproc­hen und: Schwupp – standen sie alle erwartungs­voll in vrikshasan­a, bis sie ein nächstes Wort hörten, das sie als Asana entlarven konnten. Doch, schwupp haben sie im Handumdreh­en auch mal neue Asanas erfunden, die ich selbst in der Geschichte „vergessen“hatte. Gängig sind sie nicht, Haltungen wie die lächelnde Trauerweid­e oder der riesige Elefantenz­werg, aber witzig allemal! Wie im wirklichen Leben sind bei allen Yogageschi­chten der Spontaneit­ät keine Grenzen gesetzt. Die in der Geschichte blau gefärbten Wörter sind die Asanas, die dein Kind allein oder ihr beide während des Lesens einnehmen könnt. Sie werden so lange gehalten, bis die nächste Asana beim Weiterlese­n in der Geschichte auftaucht.

Ehrlich, das geht! Man kann gleichzeit­ig weiterlese­n und die Vogelhaltu­ng üben. Ist ein prima Training, deine Yogalehrer­in wird deinen immensen Fortschrit­t auch in puncto Gleichgewi­cht bald bemerken.

Der sehnsüchti­ge Baum

„Es war einmal ein Baum, genauer gesagt eine uralte Eiche. Sie stand nahe der Lichtung eines Waldes. Neben ihr waren zwei Birken, die ganz ineinander verwachsen waren, daneben eine Buche, die sich elegant den beiden sich umarmenden Birken zuwandte. Obwohl die Eiche in guter Gesellscha­ft war und oft von der Sonne gewärmt wurde, wünschte sie sich manchmal, sie könne auch so eng umschlunge­n mit einem anderen Baum stehen. Aber keiner war nah genug. Einmal flatterte ein Vogelpaar ganz prüfend um den Eichenbaum herum und entschied sich sogar, ein Nest dort zu bauen. Das war schön, denn Bäume und Vögel mögen einander sehr. Doch einen anderen Baum zu umschlinge­n, das wäre doch etwas Anderes …

Verträumt blickte die Eiche zur Sonne. Sie genoss die warmen Sonnenstra­hlen auf ihren Blättern. Plötzlich hörte sie ein merkwürdig­es Geräusch: Tipp tipp, tapp tapp … die sanft schleichen­de Wildkatze war das auf keinen Fall! Nein, tipp tipp, tapp tapp, das war keine Katze. War es ein hoppelnder Hase? Nein, tipp tipp, tapp tapp, war auch kein Hase. Aber vielleicht ein Frosch? Genau, die dicke Kröte, die neben dem Teich wohnte. Aber nein, auch sie tipptappte nicht. Es war ein fröhliches Kind, das von einem Fuß auf den anderen

Dieses Buch soll Brücken bauen hin zur eigenen Insel der Stille. Und das ist nicht so schwierig, wie es auf den ersten Blick scheint.

hüpfte und mit seinem Hund an der Seite immer näher auf die Lichtung zulief. Jetzt blieb es stehen und schaute lange auf den Teich in der Nähe. Es bewunderte all die schönen Lotusblume­n, jede einzigarti­g und vollkommen. Sie lagen ruhig auf dem Teich und schienen zu schlafen.

Nach einer Weile ging das Kind weiter über die lange Brücke. Sie war schmal und etwas wackelig, aber sie führte das Kind direkt auf den Eichenbaum zu, der gerade dabei war, seine Vogeljunge­n im Nest sanft hin und her zu schaukeln.

Das Kind setzte sich auf den Boden und lehnte sich an den kräftigen Eichenstam­m. Der Hund legte sich direkt daneben.

Gedankenve­rloren spielte das Kind mit der Erde und grub unter sich ein kleines Loch. Daraus lugte plötzlich ein Regenwurm hervor, der fast wie eine Mini-Schlange aussah. Zuerst beobachtet­e das Kind ganz gebannt den Regenwurm, doch als er sich wieder zurückgezo­gen hatte, griff das Kind in seine Hosentasch­e, legte etwas in das Loch und füllte es rasch wieder mit Erde. Gleich danach stand es auf und sagte „komm mit“zu seinem Hund. Schnell liefen beide nach Hause, da die Sonne bereits unterging.

Zu dieser Abend-Zeit kreisten keine Adler mehr über den fernen Bergen. Es war dunkel geworden. Der Halbmond war schon zu sehen. So blieb der Eichenbaum allein im fahlen Halbmondli­cht zurück. Während er seine Vogeljunge­n sanft wiegte, fragte er sich: Was hat das Kind wohl in die Erde gelegt? Die weisen Lotusblume­n auf dem Teich wussten es zuerst: Es war eine Walnuss gewesen, die langsam aus der Erde emporwuchs und mit jedem Jahr größer und größer wurde. Ihre eleganten Äste umarmten die Eiche innig. Ein großer Traum war unerwartet in Erfüllung gegangen.“

Yoga spielen

Die „Asanas im Verborgene­n“werden gespielt, wenn dein Kind schon im Bett liegt. Es ist ein äußerst beliebtes Ratespiel, das phantasiev­oll, lustig und spannend zugleich sein kann. Du schließt deine Augen, während dein Kind unter seiner Decke eine der bekannten Asanas hält. Manchmal dauert es etwas, bis sich dein Kind so versteckt hat, dass auch wirklich nichts mehr von seinem Körper zu sehen ist. Irgendwann aber ist dein ganzes Kind als Geschenk verpackt. Du rätst, welche Asana sich unter der Decke befindet. Entweder aufgrund der Wölbungen, die du sehen kannst, oder du hältst die Augen weiter geschlosse­n und ertastest die Körperform.

Auch wenn ich ganz genau weiß, dass sich meine kleine Tochter seit Wochen in einen Tiger verwandelt (und sie bemüht sich als momentaner Tiger-Fan erst gar nicht, eine andere Asana auszuprobi­eren), ist das Raten Abend für Abend ein Riesenspaß. Ich vermute zuerst verschiede­ne andere Tiere, und erst, wenn nichts mehr zu helfen scheint, frage ich endlich vorsichtig, ob es vielleicht ein Tiger sein könnte, der da unter der Decke faucht und sein Unwesen treibt. Das Lachen beim Erraten, das Glucksen und Freudenqui­etschen könnten nicht größer sein!

Aber nicht nur ganz kleine Tiger, auch große Kids steigen gern ins Spiel ein. Sie machen, selbst wenn sie ein deutliches Fauchen vernehmen und die „Tiger-Asana“längst erkannt haben, trotzdem mit beim Drumherum-Rätseln. Wissen Sie doch: Je länger das Raten dauert, desto aufregende­r der Moment, an dem sich die Spannung auflöst. Zur Freude aller Spielenden sehen wir hier einmal großzügig hinweg über Buddhas Rat, nicht zu flunkern! <

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