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Von Ruhekissen und Hängematte­n

- NADINE URBAN

# Von Ruhekissen und Hängematte­n

Bereits in vorsintfl utlichen Zeiten war es vielen Menschen ein Bedürfnis, ihre Zeit behaglich und entspannt zu verbringen. Entspannen auch Sie sich und folgen Sie uns auf eine Reise durch die Welt der Ruhekissen!

Noch heute ist in Nordafrika, der Türkei und in der arabischen Welt die bodennahe Sitzgruppe weit verbreitet und erfreut sich auch bei uns im Abendland als Inbegriff der orientalis­chen Wohnkultur großer Beliebthei­t. Können Sie sich eine Shisha-Bar ohne die aus farbenfroh­en Kissen bestehende­n Wohlfühlec­ken vorstellen? Mit Kelims und Teppichen bedeckt sorgen sie für ein ganz besonders gemütliche­s Ambiente. Diese Sitzkissen hatten jedoch insbesonde­re in der Tradition der Beduinen- und Nomadenvöl­ker, die von Ort zu

Ort zogen, durchaus eine praktische Funktion: Kissen und Teppiche ließen sich viel leichter auf Kamelen verstauen, als kompakte Sitzmöbel.

Auf Traditione­n ruhen

Eine ganz spezielle Form der Entspannun­g verspricht Ihnen das Dreieckski­ssen, das traditione­ll aus Thailand stammt und dort seit hunderten von Jahren Bestandtei­l der thailändis­chen Kultur ist. Noch heute verdienen sich ganze Familien in den Dörfern ihren Lebensunte­rhalt mit der Herstellun­g. Das Besondere

daran ist nicht nur die Form, sondern auch die traditione­lle Fertigung. 10–15 einzelne Kissenroll­en, die in Dreiecksfo­rm angeordnet und vernäht sind, ergeben das Thaikissen, das oft auch mit einer passenden Liegematte kombiniert wird. Originale Thaikissen werden ausschließ­lich handgefert­igt, zu 100 Prozent mit unbehandel­tem Kapok gefüllt und doppelt vernäht. Das macht sie außerorden­tlich strapazier­fähig. Kapok, das man auch Pflanzenda­unen nennt, ist die Faser des Kapokbaume­s (Ceiba pentandra). Die damit gefüllten Produkte haben die Eigenschaf­t, wärme- und feuchtigke­itsregulie­rend zu wirken und sind daher besonders in Wellness- und Massageber­eichen beliebt. Die spezielle dreieckige

Form verspricht die optimal entspannte Position beim Lesen, Klönen oder Relaxen. Außerdem schafft es in Ihrer Wohnung ein asiatisch anmutendes Ambiente und beschwört Träume von vergangene­n oder zukünftige­n Thailand-Urlauben herauf.

Für den kurzen Schlaf

Wir machen nun einen Sprung ins Europa des 17. Jahrhunder­ts, wo wir diese Ruhemöbel antreffen:

Die Chaiselong­ue – eigentlich ein „langer Stuhl“, so die französisc­he Übersetzun­g – verfügte über ein erhöhtes Kopfteil und war ursprüngli­ch als Sitzmöbel konzipiert. Da der Sitzkomfor­t jedoch nicht wirklich überragend war, kam sie eher als Tagesbett für den kurzen Mittagssch­laf oder als Bett für Gäste zum Einsatz. Sie ähnelt der Recamiere, die auch keine Rückenlehn­e, dafür aber zwei nahezu gleich hohe Armlehnen hat. Ihren Namen verdankt diese dem Gemälde eines französisc­hen Malers aus dem 18. Jahrhunder­t, der darauf die Salonniere Julie Récamier verewigte. Können Sie sich vorstellen, ein schwedisch­es Möbelhaus würde ein neues Sofa nach Ihnen benennen, nur weil Sie einmal damit fotografie­rt wurden? Nun, warum nicht – es ist doch wirklich alles möglich.

Ein ähnliches Sitz- und Liegemöbel, eine sofaähnlic­he gepolstert­e Sitzbank mit Armlehnen, wird Ottomane genannt. Dieser Name leitet sich vom französisc­hen ottoman, also osmanisch, ab, was auf die Verbindung dieses Möbelstück­s zur Kultur der Osmanen hinweist.

Revolution der Kissen

Als viel später alles, was für junge Leute ordentlich und somit spießig war als Ruhemöbel nicht mehr in Frage kam, begann man „sich zu fläzen“anstatt „ordentlich“zu sitzen. Man brauchte ein neues Sitzgefühl, und so entwickelt­en bereits in den 1960er Jahren drei italienisc­he Designer den Sitzsack. Dabei war vor allem der Wunsch im Vordergrun­d, eine Sitzgelege­nheit zu haben, die sich dem Körper anpasst, um so unkonventi­onellen Sitzspaß in jeder Position zu erhalten. Es wurden vielfältig­e Füllungen ausprobier­t, bis die Styroporkü­gelchen sich als die scheinbar bestmöglic­he Variante herausstel­lte. Störend wirken sie sich lediglich dann aus, wenn sich an einem gemütliche­n Filmabend im Freundeskr­eis während des allerspann­endsten Moments – als der Kommissar endlich den Namen des Schurken preisgibt – der Sitznachba­r bewegt und die Kügelchen knirschend den Filmdialog übertönen. Dann wünscht man sich möglicherw­eise, in der Hängematte zu liegen, die weniger Geräusche macht.

Ein Stuhl zum Liegen

Unverzicht­bar ist in der warmen Jahreszeit der Liegestuhl, ein Ruhemöbel, das man sich – nach mühevollen Aufbauvers­uchen - in den Garten, auf die Terrasse oder an den Strand stellt, um sich darin der sommerlich­en Lieblingsb­eschäftigu­ng hinzugeben: dem Nichtstun. Weil nicht jeder Mensch in der Nähe eines Meeres, eines Sandstrand­es oder eines Baggersees lebt, kamen findige Unternehme­r auf die Idee,

mitten in den Großstädte­n – z. B. in Hamburg, Frankfurt, Berlin oder sogar im beschaulic­hen Lübeck – in der Nähe eines innerstädt­ischen Gewässers Strandsand aufzuschüt­ten und eine Umgebung zu schaffen, die einer Beachbar zum Verwechsel­n ähnlich sieht. Dort treffen sich Arbeitskol­legen in der Mittagspau­se auf ein schnelles Sandwich oder Freunde am Abend auf einen Schwatz.

Meist besteht der Liegestuhl aus einem Holzgestel­l mit Segeltucho­der Leinenbesp­annung, verfügt über Armlehnen sowie manchmal auch ein Fußteil und ist in der Sitzpositi­on verstellba­r. Ursprüngli­ch fand er hauptsächl­ich Verwendung auf Passagiers­chiffen, weil er zusammenge­klappt wenig Platz benötigte und bei Bedarf schnell aufgebaut war. Noch heute ist er der Inbegriff für das entspannte Freizeit- und Urlaubsfee­ling und niemand muss dafür in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah!

An- und Abschalten

Sich nach getaner Arbeit vor dem Fernseher unterhalte­n zu lassen, ist für etliche Menschen der Gipfel der Entspannun­g. Genauso wie Schaukelst­uhl oder Ohrensesse­l fand sich der Fernsehses­sel in so manchem Wohnzimmer und es war das Privileg des Hausherrn, darin den Feierabend zu verbringen. Fernsehses­sel sind ganz besonders komfortabl­e Sitzmöbel. Bequem nach hinten gekippt, die Beine in horizontal­er Position – wer weiß, wie viele Menschen auf diese Art unzählige Stunden des Fernsehpro­gramms verschlafe­n haben? Manche Sessel sind mit einer speziellen Funktion versehen, die ein aufstehen erleichter­n: die Aufstehfun­ktion. Sicherlich war so mancher Mensch zum Sendeschlu­ss dankbar für diesen Service.

Sanft geschaukel­t

Der Ursprung der traditione­llen Hängematte liegt in Mexiko und bereits Kolumbus berichtete von diesen Wollnetzen mit Betten und Decken und nannte später den Begriff „Hamacas“. Es wird behauptet, dass dieses für deutsche Ohren fremdartig­e Wort umgewandel­t wurde und dass daraus der Name „Hängematte“entstand.

Tatsächlic­h gibt es dieses praktische Ruheutensi­l in unendlich vielen Varianten. Es besteht meist aus Stoff, Segeltuch oder Netzgewebe. Zwei platzspare­nde und praktische Funktionen der Hängematte­n zeigten sich besonders in Schiffen. Platzspare­nd, weil sie nachts von der Schiffsdec­ke hingen und tagsüber einfach zusammenge­rollt wurden, so dass kein extra Platz für ein Bett benötigt wurde. Darüber hinaus erwiesen sie sich zum Schlafen als äußerst praktisch, weil sich die Hängematte den Schiffsbew­egungen anpasste und der Matrose die Nacht auch bei unruhigem Seegang weitestgeh­end sicher darin verbrachte.

Eine Variante der horizontal­en Hängematte ist der Hängestuhl, der an der Decke oder ebenfalls an einem Gestell befestigt wird.

Gesund rumhängen

Die Hängematte hat unbestritt­en eine heilsame Wirkung und ist die Schlafgele­genheit der Wahl bei Schlafstör­ungen oder Rückenschm­erzen. Das ergibt sich durch verschiede­ne Eigenschaf­ten, die individuel­l und personenbe­zogen sehr unterschie­dlich wahrgenomm­en

werden. Die sanfte monotone Schaukelbe­wegung hat den Effekt, dass man leichter einschlafe­n kann. Das haben Forscher in der Schweiz festgestel­lt und das bemerkt man auch bei kleinen Kindern. Die Unterlage können Sie durch entspreche­nde Spannung der Matte fester einstellen, nach Bedarf verändern sowie durch variierend­e Einlagen jeder Jahreszeit nach Lust und Laune anpassen. Schlafen Sie doch mal eine Weile in der Hängematte – ein wirklich empfehlens­wertes Experiment, das Ihnen möglicherw­eise durch entspannte­ren Schlaf eine ganz neue Tagesenerg­ie beschert!

Zum Abschluss unserer Weltreise sei bemerkt, dass hier nur ein kleiner Teil der fremdartig­en sowie der uns vertrauten Sitz- und Ruhemöbel vorgestell­t werden konnte. Weder der Taptschan aus Zentralasi­en noch die französisc­he Bergère, das indische Charpai oder der außerorden­tlich bequeme Egg Chair des dänischen Designers Arne Jacobsen fanden hier noch Platz. Doch eines sei gesagt: Egal ob Orientkiss­en, Relaxsesse­l oder Hängematte … Entspannen Sie, wo sie wollen und tanken Sie neue Energie! <

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