Innehalten
# Vom Mut, zur Ruhe zu kommen
Elke und Norbert sind ein Paar – und die Köpfe der „Auszeit-Wochen“. Die Pausen vom Alltag, in die sie mehrmals im Jahr kleine Gruppen führen, machen durchaus Spaß, sind aber doch etwas ganz anderes als ein paar Wellnesstage.
Klar, eine Reise oder Urlaub sind toll, gerade als Paar. Aber wann erlaubt man sich als Paar schon über eine knappe Woche hinweg, in einem geführten Rahmen den Blick nur auf sich selbst, auf die eigenen und die Bedürfnisse des Partners oder der Partnerin zu richten? Und genau darum geht es in den Auszeit-Wochen. Elke und Norbert nennen das eine „Reizunterbrechung“. Also im wahrsten Sinne des Wortes ein bewusstes Aus- oder Abschalten der normalen Alltagsreize, die ins ganz alltägliche Hamsterrad zwingen. Eine Ruhepause, ein Time Out. Eine ganz bewusst gesuchte Möglichkeit, sich in Ruhe selbst besser zu verstehen.
Reizunterbrechung
„Bei uns war das zunächst ganz anders. Die Reizunterbrechungen, die wir erlebt haben, waren alles andere als freiwillig, geschweige denn bewusst gesucht.“Elke erinnert sich gut. Erst mehrere kleine, vermeintlich harmlose und dann zunehmend große Zwangspausen haben die Saat für die heutigen Auszeit-Wochen gelegt. Beide haben erlebt und miterlebt, wie ihr eigener Körper und Geist – und ebenso der von Menschen aus ihrem privaten wie auch beruflichen Umfeld – die Reißleine gezogen und Pausen vom Alltag „verordnet“haben. Erst dann, wenn die Signale, die Körper und Geist
zunächst in schwacher Dosis senden, stärker werden und nicht mehr zu ignorieren seien, so Elke, erst dann beginne ein Hinhören, Hinschauen und Hineinfühlen in das, wofür man zuvor noch taub, blind und unsensibel gewesen sei.
Du bist mehr als der Job
So war es auch bei Elke und Norbert. Ein Blick auf den Alltag des über fünfzigjährigen Paares führt schnell auf den Beruf – Erfolg war und ist für beide wegweisend. Der große Unterschied bei ihr sei, erklärt Elke, dass sie sich früher fast ausschließlich über den Beruf definiert habe. Ihr Selbstbild habe maßgeblich mit ihrer beruflichen Leistung zusammengehangen. „Ich wollte über meine Ausbildung, mein Fachwissen und meine Arbeit wahrgenommen werden. Wer viel weiß, viel kann und viel arbeitet, ist auch viel wert. Das war jahrelang, fast jahrzehntelang mein Credo.“Und entsprechend umtriebig war sie auch, vor allem in ihren Gedanken. Das Gedankenrädchen stand nie still. Der Blick war auf die Zukunft gerichtet und auf das, wie es sein könnte. „In der Gegenwart, also im Hier und Jetzt habe ich ganz selten gelebt.“Natürlich ist ihre Umtriebigkeit auch eine Qualität, derer sich Elke durchaus bewusst ist und die sie auch nicht missen möchte. Die innere Unruhe, das Reflektieren, Hinterfragen und kreative Weiterdenken haben immerhin letztlich in die Selbstständigkeit geführt. Elke arbeitet als Trainerin, Moderatorin und besonders leidenschaftlich als Coach.
An sich selber denken
Abgesehen von ihrer eigenen, teils schmerzlichen Erfahrung, dass innere Ruhe und Zufriedenheit nur zu einem kleinen Teil mit beruflichem Erfolg zu tun habe, haben Elke und Norbert in den letzten Jahren in ihren Coachings immer stärker erlebt, wie sehr es Menschen heute innerlich zerreißt. Beruflich wie auch privat sind wir zunehmend Getriebene der eigenen wie auch der Ansprüche anderer. Da bleibt wenig Raum für die eigenen Bedürfnisse und Grenzen. Das weiß gerade Norbert nur zu genau. Auch er war wie Elke auf beruflichen Erfolg konzentriert. Das internationale Sport-Marketing war sein Zuhause. Er jettete von Termin zu Termin, von Auftrag zu Auftrag. Und das hat sich durchaus sehr gut angefühlt. „Ich habe schon in jungen Jahren sehr viel von der Welt gesehen und mit Menschen zu tun gehabt, die meine Idole waren. Das war durchaus „cool“, sagt er, während er Gänsefüßchen in die Luft malt. „So cool, dass ich völlig unsensibel für meine eigenen Grenzen geworden bin. Ich habe sie nicht mehr gespürt und wollte sie vielleicht auch gar nicht spüren.“Und das solange, bis Norberts Körper ihm einen heftigen Strich
durch die Rechnung gemacht hat. So heftig, dass auch er hinhören und hinschauen musste. Mit 31 das erste Mal, als er von heute auf Morgen Rheuma bekam. Mit 36 das zweite Mal, als ein Herzinfarkt dazu kam. Und trotz dieser eindeutigen körperlichen Signale hat es noch zwei volle Jahr gebraucht, bis er begriffen hat, dass sein Leben sich nur zum Positiven ändern würde, wenn er selbst ihm das Tempo entziehen würde.
Die Dreißiger
Interessant ist, dass sich Elke und Norbert mit ihren Auszeit-Wochen vor allem auf zwei Lebensphasen konzentrieren. Sie benennen es ganz konkret mit 30+ und 50+. „Wir durchlaufen in unserem Leben ja typische Entwicklungszyklen. Wir haben uns für die Auszeit-Wochen zwei herausgepickt, die wir selbst als besonders herausfordernd und auch ‚krisenreich‘ empfunden haben.“Und in der Tat bestätigen Studien, was in den Auszeit-Wochen Thema ist: Mit 30+, also dann, wenn die meisten von uns gefühlt schon einiges erreicht haben, wird genau das Erreichte oft in Frage gestellt. Wenn Kinder da sind, bilden sie meist den Mittelpunkt und das Eigen- und/oder Paarleben gerät ins Hintertreffen. Dazu kommen oftmals wegweisende berufliche Veränderungen. Alles dreht sich ums „Leben“– und gefühlt nur ganz wenig ums „eigene“Leben. Wie nur gelingt es, den tausendfachen Anforderungen des Alltags gerecht zu werden, ohne selbst zu kurz zu kommen? Und wenn man keine Kinder hat oder Single ist, stellt man auch das in Frage. Stimmt etwas mit mir nicht? Kann und will ich auf diese Art alt und glücklich werden? „Und ganz oft,“sagt Norbert, „stoppt uns das Leben gefühlsmäßig, gedanklich und körperlich mit einer Krise – und fordert letztlich eine Auszeit.“
Die Fünfziger
50+, das ist bei Elke seit knapp einem Jahr und bei Norbert seit zwei Jahren. Ob bei ihnen, bei ihren Freunden oder in ihrer Berufstätigkeit, nahezu überall treffe man auf dieselben Fragen: Will ich noch einmal die Richtung ändern? Die Kinder sind aus dem Haus, ich habe schon etliche Berufsjahre auf dem Buckel – was bin ich bereit noch zu geben? Wo bin ich, wo sind wir als Paar vielleicht auf halber Strecke stehengeblieben und haben unsere Ideale aus den Augen verloren?
Wenn wir jetzt noch einmal durchstarten würden, was würden wir dann anders machen wollen? Und wieder sind es Körper und Geist, die Signale senden. Im Idealfall „nur“Gefühle und Gedanken und dennoch sehr zehrend und energieraubend. Und einmal mehr „stoppt“das Leben – und fordert eine Auszeit.
Sich zuhörent
Und gerade, weil sie das persönlich selbst so intensiv miterlebt haben und nach wie vor miterleben, seien die Auszeit-Wochen für sie tatsächlich eine „Mission“. Sie möchten deutlich machen, dass es sehr wohl Sinn macht von Zeit zu Zeit selbst den Stecker zu ziehen und eine
Pause zu machen. Es geht ihnen darum, in die Ruhe zu kommen und sich den eigenen Signalen zu stellen. „Unser Körper und unser Geist, das ist meine tiefe Überzeugung“, sagt Elke, „sind unsere besten Freunde. Körper und Geist suchen den Dialog mit uns, damit es unserer Seele gut geht. Sie sagen uns erst sanft und dann immer deutlicher, was wir verändern sollen. Und es liegt an uns, diese Signale wahrzunehmen, zu deuten und Klarheit zu finden. Ganz persönlich und individuell ganz verschieden. Und was bietet sich da besser an, als eine Auszeit-Woche?“<
Es macht einfach Sinn von Zeit zu Zeit selbst den Stecker zu ziehen und eine bewusste Pause zu machen.