Auszeit

Zeit für Neues

# Freiraum schaffen

- REBECCA MANTELL

Wer kennt das nicht: Irgendwann sind die Schrankfäc­her und Schubladen voll und man sitzt beim Aussortier­en. Dann hat man das eigentlich „Überfl üssige“in der Hand, schwelgt plötzlich in Erinnerung­en oder ist sich sicher, es irgendwann noch gebrauchen zu können. Und man legt es zurück. Loslassen geht anders ...

Häufig fühlen sich Menschen in ihrem Leben übersättig­t, müde, ja gelangweil­t und überreizt von den vielen Dingen, die auf sie zukommen und sich um sie herum befinden. Sie fühlen sich leer und manchmal auch einsam, obwohl sie eigentlich alles haben, wonach ihnen der Sinn stand. Ein scheinbar kleiner Schritt schafft Abhilfe, schafft wieder Luft zum Atmen und Raum für neue Ideen: Von Zeit zu Zeit ist es unbedingt sinnvoll, die eigenen vier Wände zu entrümpeln und Dinge loszuwerde­n, die im wahrsten Sinne des Wortes eigentlich nur unnötiger Ballast sind. Das Resultat ist nicht selten erstaunlic­h und die Folgen unmittelba­r zu spüren.

Platz schaffen

Das Entrümpeln in der Wohnung hilft dem Entrümpeln im eigenen Kopf. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen einfach nicht mehr. Hierbei geht es nicht nur um das Klischee der westlichen Überflussg­esellschaf­t, in der auch das Beste schon irgendwie nicht mehr aufregend genug ist. Auch Menschen, die in ihrem Leben bisher bewusst konsumiert haben und deren Herzenswün­sche auch wirklich Herzenswün­sche waren, verspüren ab und zu ein Gefühl der Verworrenh­eit und Unlust. Wenn sie genauer darüber nachdenken, werden sie feststelle­n, dass all ihr Unbehagen ungerechtf­ertigt ist.

Das Leben war bisher immer gut zu ihnen. Doch trotz alledem stimmt einfach etwas nicht. Die Energie fehlt, im Körper wie im Geist. Es wird Zeit für etwas frischen Wind. Man will wieder geradeaus gucken und unbeschwer­t aufatmen. Dafür muss man sich manchmal von unnötigem Ballast trennen. Viele Dinge, die das ganze Leben lang mitgetrage­n werden, besitzen gar keine wirkliche Verbindung zum eigenen Selbst. Sie sind einfach nur da und nehmen Platz weg. Sie bescheren weder Freude, noch erzeugen sie Euphorie oder erinnern an einen schönen Moment. Manchmal ist es sogar ganz das

"Die Energie fehlt, im Körper wie im Geist. Es wird Zeit für etwas frischen Wind.“

Gegenteil davon. Manchmal tragen Menschen Gegenständ­e mit sich, die ihnen eigentlich nur Leid, Unglück, Misserfolg und Unmut vor Augen führen. Und trotzdem tragen Menschen diese Gegenständ­e von Wohnung zu Wohnung oder starren Abend für Abend darauf, ohne sich bewusst zu werden, dass sie in selbstgeba­uten mentalen Abwärtsspi­ralen gefangen sind.

Jeder Gegenstand hat eine Geschichte, oder er hat eben gar keine und vermittelt auch keine Freude. Viele Dinge sind nutzlos und werden einfach nur „akzeptiert“. Wenn der Mensch bereit ist, sich von diesen für ihn nutzlosen materielle­n Dingen zu trennen, dann ist er auch bereit sich geistig und seelisch zu erneuern und einen Schritt nach vorne zu gehen. Manchmal wagt er sogar ganz was Neues!

Die Wohnung neu zu gestalten, die Möbel umzustelle­n, die Bilder umzuhängen oder einfach nur die Vorhänge zu tauschen, kann bereits einen sehr berauschen­den Effekt haben. Man wird mit Neuem konfrontie­rt. Mit etwas, was man schön findet. Etwas, was man aus dieser Perspektiv­e vielleicht noch nie so gesehen hat. So sieht die Kommode von dieser Seite viel besser aus und die Farbe kommt auch ganz anders zur Geltung. Vielleicht ist der Mensch nun bereit auch sich selbst und den Rest seines Umfeldes mit anderen Augen und aus einem anderen Blickwinke­l zu betrachten. Vielleicht ist die Nachbarin ja gar nicht so unfreundli­ch wie sie scheint? Vielleicht sollte ich meinen Kollegen mal zum Essen einladen? Eigentlich wollte ich ja schon lange mal wieder anfangen zu malen... Diese und viele andere Gedanken könnten unverhofft auftauchen und das Leben zutiefst bereichern. Und das alles nur, weil man ein wenig Raum geschaffen und die Dinge neu betrachtet hat.

Wann ist es Zeit?

Ein guter Moment, die eigenen Habseligke­iten ein wenig durchzugeh­en, ist, wenn Sie merken, dass Sie zu viele Sachen besitzen, die sie eigentlich nicht brauchen. Sachen, die womöglich sogar Platz wegnehmen und für Sie wichtigere Dinge ausschließ­en. Manchmal besitzen Menschen auch Dinge, die

ihnen zusätzlich­e Arbeit abverlange­n bzw. Aufmerksam­keit benötigen. Eine Standuhr etwa muss aufgezogen werden. Und was bringt sie Ihnen, wenn Sie das Geläute sowieso nicht mögen und die Standuhr auch optisch gar nicht schön finden? Vielleicht fanden

Sie sie mal schön oder sie war ein Geschenk.

Aber die eigene Sicht auf viele Dinge kann sich mit der Zeit verändern. Manchmal ist man ein anderer Mensch geworden und lebt ein neues Leben, zu dem manche Habseligke­it einfach nicht mehr dazugehört. Wozu braucht ein Ex-Raucher noch den hochwertig­en Aschenbech­er? Vielleicht erinnert er nur schmerzhaf­t an die ganzen Jahre des Leidens, die nun endlich vorbei sind.

Was kann weg?

Diese Frage können nur Sie sich gewissenha­ft beantworte­n. An dieser Stelle können lediglich einzelne Empfehlung­en gegeben werden. Sie können getrost Dinge behalten, aus denen Sie persönlich einen Nutzen ziehen. Dieser Nutzen kann praktische­r aber auch seelischer Art sein. Besitzen Sie eine Teetasse, die zwar gar nicht in Ihr Service passt, Ihrem Tee aber jeden Morgen einen ganz besonderen Flair verleiht? Hängt dort ein Gemälde an der Wand, welches eigentlich nicht dem Stil Ihrer Wohnung entspricht, aber an dem Sie sich schon seit Jahren erfreuen? Dann behalten Sie diese Dinge. Auch wenn materielle Habseligke­iten häufig schlecht geredet werden, so können sie die Seele erfrischen und das Gemüt erfreuen. Manche Dinge sind zwar banal, aber sie zaubern ein Lächeln auf

Ihre Lippen. Manchmal, weil sie eine Geschichte haben. Manchmal auch scheinbar grundlos. Aber wenn Sie für sich so einen Kraftund Freudebrin­ger gefunden haben, lassen Sie ihm den Platz an Ihrer Seite. Er wird Ihnen weiterhin Gutes tun.

Womit anfangen?

Gibt es Dinge, die Sie an schlimme Ereignisse, schmerzhaf­te Erlebnisse, negative Erfahrunge­n oder Unglück erinnern? Dann können Sie getrost darauf verzichten. Kontinuier­lich andauernde negative Gedanken sind Gift für Ihren Körper. Ein Geist voller Unmut und Schmerz schädigt über längeren Zeitraum auch den Körper. Das haben Sie nicht verdient. Lassen Sie Dinge los, die Ihnen Ihre Laune verderben. Lassen Sie Dinge los, die die Mühe nicht mehr wert sind und mehr Arbeit machen, als dass sie Freude bereiten. Lassen Sie Dinge los, die Sie einfach nicht brauchen, etwa Kleidung, die Sie nicht mehr tragen werden, oder sogar nie >

"Lassen Sie Dinge los, die mehr Arbeit machen, als dass sie Freude bereiten.“

getragen haben. Manche Dinge sind auch „einfach nur da“und hätten vielleicht einen Nutzen, doch Sie persönlich können oder möchten diesen Gegenstand keiner wertvollen Verwendung zuführen. Dann machen Sie Ihr Leben ein wenig leichter. Konzentrie­ren Sie sich auf das, was Sie wirklich brauchen und wovon Sie etwas zurückbeko­mmen. Was gibt Ihnen Kraft? Was erinnert Sie an Ihre Erfolge, Errungensc­haften und Siege? Manchmal tragen Erfolge auch so manche Leidensges­chichten mit sich, doch wenn Sie daraus Ihren Mut schöpfen, dann ist dies ein wertvoller Gegenstand für Sie. Was hat für Sie

Bedeutung? Auch längst Vergangene­s kann immer noch Lebenslust und Euphorie erzeugen, die Ihnen im Hier und Jetzt den Weg erleichter­t. Ist es der erste Liebesbrie­f, den Sie bekommen haben? Ist dies schon so viele Jahre her, aber tun Ihnen die Erinnerung­en, die dieser kleine Zettel auslöst, noch immer gut? Dann genießen

Sie diese Momente, diese süßen Momente des Lebens.

Und wenn alles geschafft ist – fürs erste zumindest – dann vollziehen Sie in Gedanken, was Sie da geschafft haben. Seien Sie ruhig stolz auf sich und genießen Sie ganz bewusst den eroberten Freiraum und die Leichtigke­it nach so viel Aktion. Schätzen Sie Ihre Arbeit und verweilen Sie in den neu gewonnenen Eindrücken. Vielleicht schaffen Sie es, in Zukunft ein wenig bedachter mit materielle­n Dingen umzugehen und sich von unnötigem Ballast schon von vornherein zu verschonen, zumindest soweit dies für Sie möglich ist. Gewöhnen Sie sich an das Gefühl dieser Freiheit und versuchen Sie dieses Gefühl in Ihrem Leben zu halten. Damit werden Sie Menschen und Situatione­n anziehen, die Ihnen genau das auch weiterhin vermitteln werden. <

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany