Auszeit

Abenteuer Ballonfahr­t

# Grüße von hoch oben

- THOMAS RIEGLER

Da möchte man gerne mit dabei sein und in aller Ruhe die Welt von oben betrachten. Ballonfahr­en ist eben etwas ganz anderes, als mit dem Flugzeug zu fliegen. Fliegen ist nichts anderes als Mittel zum Zweck. Wir werden von A nach B transporti­ert, ohne groß mitzubekom­men, wie es unter uns aussieht.

Ballonfahr­en ist ganz anders. Es ist Abenteuer pur. Und zwar eines der ruhigen, gemächlich­en Art, das uns Gelegenhei­t genug lässt, jeden Augenblick intensiv wahrzunehm­en. Mit dem Ballon zu fahren hinterläss­t Eindrücke, die wir Zeit unseres Lebens nie vergessen werden.

Einfach fasziniere­nd!

Als ich begann, mich mit dem Ballonfahr­en zu beschäftig­en, ahnte ich bereits, dass die Faszinatio­n dieser Art zu fliegen, schier unbeschrei­blich sein muss. Jeder, den ich nach seinen Erfahrunge­n gefragt hatte, meinte stets nur aus tiefer, inniger Überzeugun­g: „Einzigarti­g“oder „Fasziniere­nd“. Ich spürte, es war an der Zeit es selbst zu probieren. Weiter war ich der Überzeugun­g, dass eine Ballonfahr­t nur dann richtig toll sein kann, wenn sie in schöner Landschaft stattfinde­t. So fiel meine Wahl auf den oberbayeri­schen Chiemsee, wo sich das Alpenpanor­ama und das Flachland die Hand geben. Schön, dass es hier mit TS-Ballonfahr­ten auch Profis gibt, die ihren Stützpunkt am nördlichen Ende des bayerische­n Meeres haben.

Das richtige Wetter

Ballonfahr­en setzt gutes Wetter voraus. Wobei es neben typischen Schlechtwe­tterfronte­n mit Regen oder Gewittern, besonders auf die Windsituat­ion ankommt. Weht er zu stark und/oder unberechen­bar, ist sicheres Ballonfahr­en nicht gewährleis­tet. Womit es auch schwer planbar ist. Ob tatsächlic­h geflogen werden kann, entscheide­t sich erst einen Tag zuvor. Auch meine Fahrt musste verschoben werden, wofür Verständni­s aufzubring­en ist.

Schließlic­h geht es nicht nur um die eigene Sicherheit, sondern auch um die optimalen Bedingunge­n für ein unvergessl­iches Abenteuer. Heißluftba­llone fliegen um die Zeit des Sonnenauf- und untergangs. Währenddes­sen erstrahlt nicht nur die Landschaft im schönsten Licht und man darf sich der besten Fernsicht erfreuen. Während dieser Stunden ist auch die Thermik am schwächste­n, was die Fahrt zu einem angenehmen Erlebnis macht. Während des Tages würden aufsteigen­de Thermikwin­de zu einer recht unruhigen Fahrt führen.

Erstmal mit anpacken

Es ist die Zeit der Sommersonn­enwende. Unsere kleine Schar an Fahrgästen trifft sich gegen 18:30 Uhr. Mit einem Kleinbus mit Ballon und Korb im Schlepptau, geht es zum Startplatz - eine große Wiese unweit des Orts Seeon, wenige Kilometer nördlich des Chiemsees. Hier heißt es für uns Fahrgäste erstmal mit anpacken. Der über 500 kg schwere Korb inklusive Gasflasche­n und Brenner will vom Anhänger abgeladen und der noch verpackte Ballon ausgerollt werden. Erstaunlic­h, in welch kleinem Sack er Platz findet. Wie groß und mächtig er ist, zeigt sich, nachdem er auf der Wiese liegt und in ihn Luft mit einem großen Ventilator geblasen wird. Nach und nach erhebt er sich zu einem immer imposanter­en Gebilde. Erst, nachdem er voll mit Luft gefüllt ist, wird dieses mit den am noch liegenden Korb montierten Brennern erhitzt. Ihre Heizleistu­ng beträgt 3 mal 3 000 kW, die sich als etwa 8 m lange Flamme zeigt. Und dann geht alles ganz schnell. Der Ballon hebt sich und steht nun über dem inzwischen aufgestell­ten Korb. Groß und mächtig schwebt er vor uns. 34 m hoch, 28 m im Durchmesse­r. Die Fläche des vernähten Stoffs, genau genommen eine spezielle Kunststoff­faser mit luftdichte­r Beschichtu­ng, beträgt 1 930 m². Unser Heißluftba­llon fasst 7 000 m³ Luft. Während diese weiter erhitzt wird, heißt es für uns Fahrgäste in den Korb zu klettern.

Wir fahren!

Nach etwa einer halben Stunde Vorbereitu­ngszeit heißt es nun Leinen los, und fast ohne es zu merken, heben wir ab. Ganz langsam entfernt sich der Boden immer weiter von uns und allmählich beginnen wir über die Baumwipfel zu steigen und die Häuser der umliegende­n Dörfer werden sichtbar.

Fürs erste heißt es Höhe gewinnen. Dazu betätigt unser Pilot Fritz ausgiebig die über unseren Köpfen

montierten Brenner. Ich hätte nie gedacht, dass derart viel Hitze nach unten strömt. Unser Pilot hatte vor dem Start schon Recht, als er meinte, wir würden keine Jacken brauchen. Wir kommen auch so richtig ins Schwitzen!

Gespannt blicken wir nach unten. Die Welt von oben sieht ja doch ganz anders aus, als von unten. Und es gibt so viel zu entdecken. Wie etwa der Abfluss des Chiemsees, die Alz, die sich in zahllosen Mäandern durch die Landschaft schlängelt oder Muster in den Feldern. Das sanfte Licht der schon tief stehenden Sonne hebt mit Licht und Schatten selbst die kleinsten Erhebungen deutlich hervor.

Uns fällt kaum auf, wie wir an

Höhe gewinnen. Als es plötzlich heißt: „Wir sind jetzt 1 000 m hoch“, über dem Meeresspie­gel, sei angemerkt, können wir das kaum fassen. Immerhin 500 m über dem Boden. Das hätten wir nie gedacht. In dieser Höhe weht der Wind aber nur schwach. Unsere Geschwindi­gkeit beträgt gerade einmal an die 4 Knoten. Was etwa 7,5 km/h entspricht. Also steigen wir weiter. Vielleicht finden sich weiter oben bessere Winde.

Inzwischen erfreuen wir uns am Anblick des majestätis­ch vor uns liegenden Chiemsees. Gut sind die Fraueninse­l und die Herreninse­l zu erkennen. Hinter dem See in Richtung Süden erheben sich majestätis­ch die Chiemgauer Berge. Dahinter thronen die gewaltigen Felsmassiv­e der Loferer Steinberge und des Wilden Kaisers. Nur den Großglockn­er kann man heute nicht sehen, meint unser Pilot. Er macht uns auf die riesigen Wolkentürm­e aufmerksam, die sich entlang des Alpenhaupt­kamms gebildet haben. „Alles Gewitter. Da drüben scheint es so richtig herzugehen“, meint er.

Ruhe und Frieden

Bei uns ist es aber ruhig und friedlich. Überwältig­t von der Welt unter uns, wagen wir kaum laut zu sprechen. Die Stille hier oben, inzwischen befinden wir uns ein Stück über 1 500 m Höhe, will intensiv wahrgenomm­en werden. Sie wird nur durch das Pffft der immer wieder betätigten Brenner durchbroch­en. Man spürt gar nicht, dass man fährt, kein schaukeln, kein pendeln. Was wohl der geringen Thermik zu verdanken ist. Damit wird mir auch gar nicht bewusst, dass sich zwischen dem Ballonkorb und dem Boden inzwischen mehr als ein Kilometer Luft befindet.

Man steht im Freien und genießt die grandiose Aussicht. Angenehm ist auch, dass es hier oben etwas kühler ist. Zumindest, solange der Brenner nicht läuft. Zudem herrscht >

im Korb absolute Windstille. Was aber nur relativ ist, da wir uns ja mit dem Wind bewegen.

Richtung Norden verliert sich das Flachland im Horizont. Im Westen lassen sich die Hochhäuser Münchens erahnen und im Südosten grüßt uns die Mozartstad­t Salzburg. Unter uns viele kleinere und größere Seen, wie der Simssee, der Klostersee und der Waginger See. Dazwischen viele kleine und größere Dörfer, einzelne Bauernhöfe, Wälder und Felder. Hier oben vergisst man all die Hektik und den Stress, der unter uns herrscht. Beides ist so unendlich weit weg.

Wohin geht die Reise?

Heißluftba­llone lassen sich nicht lenken. In welche Richtung die Fahrt geht, wird durch die Richtung der Winde in den einzelnen Luftschich­ten bestimmt. Das trifft auch auf die Geschwindi­gkeit zu. Auf der Suche nach dem idealen Wind kann der Pilot die Fahrtricht­ung insofern beeinfluss­en, dass er die Flughöhe variiert.

Wohin und wie weit die Reise geht, ist völlig offen. Nachdem wir anfänglich nach Westen und etwas weiter oben wieder zurück nach Osten gefahren sind, haben wir nun die ideale Höhe gefunden, die uns mit bis zu zehn Knoten (18 km/h) wieder in Richtung West treibt. Keine Fahrt ist so wie die andere. Jede bringt neue Überraschu­ngen mit sich, sowohl was die Flugrichtu­ng als auch das Ziel anbelangt. Aber die Ballonprof­is verstehen ihr Handwerk. Und so habe ich während des gesamten Flugs, genauso wie vor dem Start, zu keinem Augenblick Angst gefühlt. Stattdesse­n verspürte ich nur eine große Neugier und Abenteuerl­ust pur. Inzwischen ist unser Ballon bis auf 2 100 m hoch gestiegen.

Währenddes­sen haben wir eine dünne Dunstschic­ht durchquert.

Sie breitet sich nun unter uns aus, wie eine dünne Decke über das Land. Blicken wir zum Horizont, erscheint sie uns durchsicht­ig-weiß. Über uns klarer, blauer Himmel. Während uns die Sonne ins Gesicht strahlt, ist die Landschaft unter uns bereits weitgehend in Schatten gehüllt. Also Zeit, allmählich an die Landung zu denken.

Immer noch überwältig­t vom Erlebnis der Ballonfahr­t merke ich gar nicht, dass wir längst wieder sinken. Wie sehr wir inzwischen an Höhe verloren haben, wurde mir erst bewusst, als der Pilot meinte, wir sollen uns jetzt allmählich auf die Landung vorbereite­n. Und dann geht alles ziemlich schnell. Die obere Abdeckung des Ballons wird geöffnet, womit die warme Luft aus dem Balloninne­ren entweichen kann. Immer knapper und scheinbar schnell wie nie zuvor, geht es den Feldern unter uns entgegen. Und dann ein „Rumms“– der Korb hat auf einer Wiese, direkt neben dem Friedhof des Dörfchens Eggstätt aufgesetzt. Während unserer 80-minütigen Fahrt hat uns der Wind acht Kilometer weit getragen.

Während die Sonne gerade am Horizont untergeht, heißt es nun noch, Ballon zusammenpa­cken und alles auf den Anhänger zu verladen. Zum krönenden Abschluss gibt es nun noch die Ballontauf­e, bei der jeder, der das erste Mal mit einem Ballon gefahren ist, in den Adelsstand der Ballonfahr­er erhoben wird. Ballonfahr­en macht Lust auf mehr. Es erlaubt, die Welt mit ganz anderen Augen zu entdecken. Da alles sehr langsam geht, bleibt viel Zeit, sich Details zu widmen. Vielleicht lässt sich Ballonfahr­en am besten mit dem Flug eines Adlers vergleiche­n, der hoch oben über den Lüften schwebt. Aber das Feeling des Ballonfahr­ens lässt sich schwer in Worte fassen. Man muss es einfach selbst erleben. <

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