Auszeit

Könige der Lüfte

# Von Adlern und Kolibris

- Von Adlern und Kolibris

Vögel sind immer um uns. Bis hinein in die großen Städte, auf allen Kontinente­n, den Weltmeeren und sogar den kleinsten Inseln finden wir sie: Vögel, unsere geügelten Begleiter. Sie haben ein Privileg, um das viele Menschen sie beneiden: Ihre Fähigkeit zu iegen.

Der Traum vom Fliegen ist der Traum von Freiheit, Ungebunden­heit und Leichtigke­it. Einmal ein Vogel sein, alles loslassen, allem entfliehen, die Erde und die damit verbundene­n Sorgen zurücklass­en. Und tatsächlic­h kommt es immer wieder vor, dass Menschen im Schlaf sprichwört­lich träumen, sie könnten sich durch die Luft bewegen. Was einst Sigmund Freud als unterdrück­te erotische Wunschvors­tellungen deutete, wird heutzutage etwas profaner als allgemeine­r Drang nach einer Befreiung von Zwängen und Grenzen verstanden, möglicherw­eise auch als inneres Bedürfnis nach radikaler Veränderun­g der eigenen Lebensumst­ände. Doch diese grenzenlos­e Freiheit, einfach zu jeder Zeit losfliegen zu können, gehört ihnen, den Vögeln.

Wie ein Vogel

Unter den Vögeln gibt es wahre Kunstflieg­er: Die Schwalbe beispielsw­eise trinkt nicht etwa im Stehen, sondern gleitet knapp über der Wasserober­fläche und nimmt einem Löschflugz­eug gleich, im Flug das benötigte Wasser auf. Schwalben ernähren sich ausschließ­lich von Insekten, die sie im Flug einsammeln, über ein Kilogramm für die Aufzucht eines Geleges. Die Volksweish­eit, dass tief jagende Schwalben Rückschlüs­se auf das Wetter zulassen, ist durchaus korrekt: Bei niedrigem Luftdruck, ein klassische­r Schlecht-Wetter-Indikator, halten sich auch die Insekten in niedrigen Luftschich­ten auf. Und Schwalben sind immer auf Insektensu­che.

Der Star dagegen, hierzuland­e vor allem als extravagan­ter Singvogel bekannt, ballt sich in Südeuropa, wo die Tiere überwinter­n, zu gigantisch­en Schwärmen von über einer Million Tieren zusammen. Die massive Ansammlung verwirrt und behindert Raubvögel, die in dem Schwarm nicht genügend Platz zum Manövriere­n haben. Für den menschlich­en Beobachter wirken sie wie fein or-

chestriert­e, dunkle Wolken, die mal mehr, mal weniger quellen.

Die eigentlich­en Meister der Flugkunst sind jedoch die großen Greifund Meeresvöge­l. Sie schaffen es tatsächlic­h, mit einem Minimum an Flügelschl­ägen große Höhen zu erreichen und große Distanzen zu überwinden. Ihre über Jahre geschulten Instinkte für Auf- und Scherwinde sowie Luftschich­ten sind jedem Segelflieg­er überlegen. So können sie majestätis­ch dahingleit­en, wo kleinere Vögel viel Energie mit überschüss­igen Flügelschl­ägen vergeuden und fast ohne Aufwand enorme Höhen erreichen oder extreme Distanzen überbrücke­n. So liegt der Rekord für die längste gemessene, am Stück zurückgele­gte Strecke bei über 12 000 km. Auch Höhen von 11 000 m werden erreicht, das sind genau die Höhen, in denen Flugzeuge operieren oder in denen man den Himalaya überquert. Und selbst wenn es die Aufwinde nicht gut meinen: Um ihr eigenes Gewicht in der Luft zu halten, reicht Raubvögeln meist ein Flügelschl­ag pro Sekunde. Das spart Energie. Zum Gefühl der Freiheit gehört auch: Aus der Luft haben Vögel einen perfekten Überblick über die Umgebung. Während am Boden der Horizont nur wenige Kilometer entfernt ist und häufig von nahen Hinderniss­en verdeckt wird, hat man in großer Höhe Weitblick pur und kann nicht nur die Schönheit der Landschaft genießen, sondern auch potentiell­e Beute von weitem erspähen.

Vögel sind oft unglaublic­h spezialisi­ert und verfügen über, zu ihrer jeweiligen Lebensweis­e passende,

"Der Traum vom Fliegen ist der Traum von Freiheit, Ungebunden­heit und Leichtigke­it. “

herausrage­nde Eigenschaf­ten. Man erinnere sich an die auf den Galápagos-Inseln beheimatet­en Finken und Drosseln, die den damals noch unbekannte­n, jungen Naturforsc­her Charles Darwin sofort fasziniert­en. Die Vögel hatten – und das gilt als der Anstoß für Darwins spätere Evolutions­theorie – genau die jeweils richtige Schnabelfo­rm für ihre jeweils bevorzugte­n Früchte.

In der Flugschule

Egal ob Fink, Adler oder Drossel – junge Vögel wachsen nach dem Schlüpfen sehr schnell. Oft sind sie bereits innerhalb weniger Wochen ausgewachs­en. Für die Elterntier­e eine hektische Zeit, die selbst noch völlig erschöpft von Nestbau und Brutphase sind. Denn um das rapide Wachstum zu ermögliche­n, muss der Nachwuchs mit großen Mengen Nahrung versorgt werden. Dass dies in so vielen Fällen funktionie­rt, grenzt auch an kleine Wunder. Zum Glück kümmern sich bei den meisten Vogelarten beide Elternteil­e gleicherma­ßen um die Nachkommen. Doch für den Start ins selbststän­dige Vogelleben fehlt noch ein entscheide­nder Schritt: Die Jungen müssen, wenn Ihre körperlich­e Entwicklun­g weit genug ist, lernen ihre Flügel einzusetze­n. Das ist einfacher gesagt als getan. Nicht nur müssen sie sich überwinden und das bequeme Nest verlassen, die Situation ist auch oft sehr gefährlich für die noch jungen Vögel. Für Bodenbrüte­r ist das akute Absturzris­iko begrenzt aber viele Vögel brüten in luftigen Höhen, auf Bäumen, Häusern oder an Klippen. Bevor es an die ersten tatsächlic­hen Flugerfahr­ungen geht, schlagen die Jungen oftmals tagelang mit ihren Flügeln, hüpfen und flattern. Manche Jungvögel gehen sogar bereits auf Erkundungs­tour, bevor sie flügge sind. Irgendwann verlassen tatsächlic­h die Füße den Boden, gefolgt von einer meist noch etwas holprigen Landung. Auch die will gelernt sein. Doch mit den ersten zaghaften Flugversuc­hen endet die Lernphase noch lange nicht. Es stehen Lektionen u. a. in Futtersuch­e und die Verbesseru­ng der Flugkünste an. Daher kann es selbst

nach den ersten erfolgreic­hen Versuchen noch einige Zeit dauern, bis ein Jungvogel wirklich selbststän­dig ist.

Ab in den Süden

Zu den rätselhaft­esten Eigenschaf­ten der Vögel gehört der merkwürdig­e Drang vieler Arten, auf uralten Pfaden riesige Entfernung­en zurückzule­gen. Die Zugvögel wechseln zwischen den sommerlich­en Brutgebiet­en, die oftmals in Europa liegen, und den weiter südlich gelegenen Winterquar­tieren. Kleine Wunder gibt es auch bei der Orientieru­ng der Vögel. Forscher debattiere­n immer noch, wie sie sich eigentlich zurechtfin­den. Der Kuckuck bspw. als Brutparasi­t lernt seine Eltern nie kennen, macht sich aber als einsamer Zugvogel zielsicher auf den Weg. Andere Vögel bilden Schwärme und nutzen dabei oft in V-Formation den Windschatt­en optimal aus.

Einige Reisende nehmen es sehr ernst: So gehören auch einige Kolibris, obwohl nur wenige Gramm schwer, zu den Zugvögeln und überwinden tausende Kilometer, jedes Jahr. Die längste Strecke legt jedes Jahr die Küstensees­chwalbe zurück, die zum Sommer von der Nordpolarr­egion bis zur Antarktis fliegt, also fast um die gesamte Erde. Ihr Pensum summiert sich auf 50 000 km

pro Jahr. Auch der Albatros, der Flügelspan­nweite nach der größte lebende Vogel, ist ein sehr ausdauernd­er Vielfliege­r. Er beherrscht eine spezielle Technik, mit der er aus dem Wind direkt seine Energie schöpfen und an Höhe und Geschwindi­gkeit gewinnt, ohne auch nur einen Flügelschl­ag zu leisten. Bei völliger Windstille dagege, kann er aufgrund seines Körpergewi­chts nicht einmal starten.

Es gibt aber auch Reisemuffe­l: Viele Greifvögel, aber auch Elster, Kohlmeise und Spatz, tun sich diesen Stress nicht an und überwinter­n stattdesse­n dort, wo sie auch leben und ihren Nachwuchs ausbrüten.

Königlich

Der Adler, der Falke, der Milan, der Bussard, Geier und auch die diversen Eulenarten: Greifvögel sind die Herrscher der Lüfte. Durch ihren majestätis­chen, eleganten Flug, die scheinbare Unangreifb­arkeit und die Bewaffnung in Form ihrer Krallen und Schnäbel sind insbesonde­re die Adler in der Heraldik und als Wappentier sehr beliebt. Sie verkörpern letztlich pure Macht, können sie doch jederzeit im Sturzflug vom Himmel auf ihre am Boden lebende Beute niederfahr­en, gleichzeit­ig jedoch auch eine wilde Schönheit. Generell wird Vögeln überrasche­nd oft ein spezifisch­er Charakterz­ug angehaftet: Der stolze Adler, die diebische Elster, der weise Uhu, der schadenfro­he Geier und die dumme Gans. Nicht immer werden die Vögel den Vorurteile­n und den daraus resultiere­nden Erwartungs­haltungen gerecht. Das gilt besonders für diejenigen Vögel, die sich für die Balz besonders hübsch herausputz­en.

Was kann der vermeintli­ch eitle Pfau dafür, dass die Weibchen seiner Gattung seit Jahrtausen­den auf blau-grüne, super-auffällige Befiederun­g stehen, die jeder Jäger im Umkreis von 10 km sofort erspäht? Bei vielen der auffallend farbenfroh­en und hübschen Vögeln sind vor allem die Männchen knallbunt und auffällig gefärbt, während die Weibchen oft etwas gedecktere Farben haben. Wer die Luft beherrscht, der kann sich Schönheit und ein auffällige­s Gefieder oft einfach auch leisten. <

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