Auszeit

Heiß und würzig

# Von Glühwein und Bratapfel

- REBECCA MANTELL

Üppige Dekoration­en, strahlende Kerzen, ein Duft nach Schokolade und weihnachtl­ichen Gewürzen in frostiger Luft – das ganze Land kommt peu à peu in festliche Stimmung: Wenn die Adventskal­ender ein Türchen nach dem anderen ihre bunten Geheimniss­e preisgeben, freuen sich die Kinder – und die Erwachsene­n genießen die warme, gemütliche Atmosphäre. Dazu gehören unbedingt heißer Glühwein und Punsch zu frischen Lebkuchen, Zimtsterne­n, Pfeffernüs­sen und Christstol­len. Man erinnert sich nicht selten wieder an die gute alte Feuerzange­nbowle und ein Besuch auf dem Weihnachts­markt darf selbstvers­tändlich auch nicht fehlen: In der Weihnachts­zeit werden alle Jahre wieder lieb ge- wordene Traditione­n gepflegt. Und kulinarisc­he Rituale stehen dabei besonders hoch im Kurs.

Allerlei Gebäck

Der Stollen ist dabei ein echter Klassiker. Er wurde erstmals 1329 als Weihnachts­gebäck der Naumburger Bäckerinnu­ng urkundlich erwähnt worden und es gibt ihn in verschiede­nen Variatione­n etwa als Klöben in Norddeutsc­hland oder als Striezel in Schlesien. Am berühm- >

testen ist der Dresdner Stollen. Er bekam von Sachsen aus im Lauf der Jahrhunder­te immer größere Reputation – letztendli­ch setzt „Das neue Küchenlexi­kon“den berühmten „Dresdner Stollen“ganz allgemein als Synonym für den Christstol­len ein. Allen Varianten gemein ist die ursprüngli­che Bedeutung: Der Stollen gilt als christlich­es Ursymbol und soll die Wiege mit dem Christkind verkörpern.

Zum Weihnachts­gebäck zählen natürlich auch Früchtebro­t, Plätzchen und Kekse, die in vielen Familien vor Weihnachte­n mit äußerster Hingabe gebacken werden: Da wird Mürbeteig ausgerollt, es werden Vanillekip­ferl, Bethmännch­en, Zimtsterne und Kokosmakro­nen geformt oder Spritzgebä­cke sowie Spekulatiu­s und Springerle ausgemodel­t, was das Zeug hält. Krönender Anschluss eines turbulente­n vorweihnac­htlichen Backtages ist dann stets das Verkosten der gemeinscha­ftlich kreierten Leckereien.

Weihnachts­markt

Nicht nur Zuhause locken zahlreiche Leckerbiss­en, sondern auch bei einem Besuch auf dem Weihnachts­markt gibt es viel zu verkosten. Bratäpfel sind zum Beispiel urtypisch in der Weihnachts­zeit: Gefüllt mit Zucker, Zimt, Nüssen und Gewürzen eignen sich säuerliche Apfelsorte­n wie Cox Orange oder Boskop dafür besonders gut. Um Äpfel zu kandieren, werden sie mit Zuckersiru­p oder Schokolade überzogen – so sind sie gerade bei Kindern besonders beliebt.

Zu den süßen Weihnachts­marktspezi­alitäten gehören zweifellos auch gebrannte Mandeln und Mutzen: Zum Brennen werden rohe

Mandeln mit Zucker karamellis­iert und so warm zur hinreißend­en Versuchung. Mutzen stammen ursprüngli­ch aus dem Rheinland und sind um Weihnachte­n und Silvester besonders beliebt. Mit „süßem Schnee“dick bestreut haben sie sich aus dem Niederrhei­nischen und der Eifel mittlerwei­le über ganz Deutschlan­d ausgebreit­et. Im Osten Deutschlan­ds gibt es Krapfen, die auch Mutzen genannt werden, sich allerdings von dem originalen Siedegebäc­k unterschei­den.

Die ganzen zuckrigen Sachen sind zwar hinreißend lecker, aber nicht so gesund wie Maronen. Die gerösteten Esskastani­en sind reich an Spurenelem­enten und Ballaststo­ffen und sind mittlerwei­le auf allen deutschen Weihnachts­märkten zu bekommen.

Lángos kommt aus dem Ungarische­n und heißt „Flamme“: Als Snack wird der frittierte Hefeteigfl­aden herzhaft und süß angeboten, in Österreich gibt es Bauernlang­os mit Käse und Schinken oder Debreczine­r Langos, eine mit Hefeteig überbacken­e Debreczine­r Wurst. Diese Auswahl köstlicher Weihnachts­marktgenüs­se ist natürlich unvollstän­dig. Es gibt Feuerspatz­en und Feuerwurst, Schokofrüc­hte, Crêpes und Lebkuchen in unzähligen Variatione­n. Aber auch spezielle Getränke ziehen den Weihnachts­marktbesuc­her magisch an.

Punsch und Glühwein

Glühwein ist wohl der Renner auf den weihnachtl­ichen Märkten. Das heiße Getränk wird an kalten Tagen zu einer Art Starthilfe auf der Basis von Rotwein, der mit weihnachtl­ichen Gewürzen wie Zimt, Nelken und Koriander versetzt wird und im Verlauf seiner Zubereitun­g gerade eben sieden darf. Ein gehöriger Schuss Rum erhöht die wärmende Wirkung direkt nochmal. Englische Seeleute brachten schon im 16. Jahrhunder­t den Punsch als Heißgeträn­k mit von ihren Indienreis­en. Hinduistis­ch steht „panch“für „fünf“– und so soll er auch aus fünf Zutaten bestehen:

Wein, Wasser, Zitronensa­ft, Früchte >

und Gewürze. Über die Jahrhunder­te gesellten sich noch Arrak, Zucker, Tee, Limonade oder Pomeranzen­saft zum Wasser und so entwickelt­e sich der Punsch zu einem Cocktail, der gern auch flambiert wird.

Ähnlich ist es mit der Feuerzange­nbowle: Die gezuckerte, hochalkoho- lisierte und heiße Rotweinbow­le ist ein Fröhlichke­itsbeschle­uniger, der besonders im Winter beliebt ist. Dabei ruht ein Zuckerhut waagerecht auf einer Zuckerzang­e über einem Bowlegefäß. Der Zuckerhut wird gründlich mit hochprozen­tigem Rum getränkt, damit der Zucker schön lodernd abbrennt und in den Rotwein unterhalb abtropft. Die Ursprünge der stimmungsv­ollen Feuerzange­nbowle liegen in der

Zeit des Biedermeie­r zwischen 1815 und 1848. So hat sie etwas sehr Nostalgisc­hes, weshalb Heinz Rühmann im Geiste immer mittrinkt, weil sein Film über eine Wette bis heute unvergesse­n bleibt.

Rund um die Welt

Egal, ob ein würziger und gehaltvoll­er Fleischein­topf, Truthahnbr­aten mit jeder Menge Beilagen oder Meeresfrüc­hte vom Grill – das Weihnachts­fest ist nicht nur eine besinnlich­e Zeit, sondern auch die Zeit des großen Schlemmens.

Auf den Philippine­n grillt man Spanferkel und im warmen Australien Hühnchen, Steaks und Meeresfrüc­hte. Wie ein riesiges Bankett

zelebriere­n die Brasiliane­r ihre

Ceia de Natal und auf Madagaskar gibt es Akoho Misy Sakamalao, Huhn gekocht mit Ingwer und Knoblauch. Ähnlich ist es in Japan. Dort ist Weihnachte­n allerdings kein Feiertag gewidmet und so besuchen viele Japaner die Fastfood-Kette KFC – der Ertrag einer groß angelegten Werbekampa­gne des Geflügelbr­aters. Anschließe­nd beschenken sich die Japaner übrigens dann doch.

Schweden mit einem üppigen Smörgåsbor­d, Norwegen mit verschiede­nen Julkaka und Island mit Braten vom geräuchert­en Lamm oder Schneehuhn – die Skandinavi­er feiern das Weihnachts­fest besonders romantisch und intensiv. Sehr scharf sind Fleisch und das Gemüse in Äthiopien und im Libanon, während sich das Weihnachts­dinner im Vereinigte­n Königreich very british traditione­ll um einen üppigen Truthahnbr­aten dreht. In Deutschlan­d genießt man eher den traditione­llen Gänsebrate­n, wobei auch der auf englischen Festtagstr­aditionen beruht. So berichtet eine alte Erzählung vom Heiligen Abend des Jahres 1588, wo der damaligen Königin eine knusprige Gans serviert wurde, als die Nachricht vom Sieg der Engländer über Spaniens Armada eintraf. Deshalb gilt eine schöne Gans bis heute als charakteri­stischer Festtagsbr­aten, mit dem bis heute Dankbarkei­t und Glück verbunden werden.

Festliche Tradition

Hierzuland­e gilt der schön geschmückt­e Tannenbaum neben den traditione­llen Krippen als das beliebtest­e Weihnachts­symbol schlechthi­n. Dabei gibt die ersten Berichte darüber aus der lettischen Stadt Riga. Dort hatten sich im

Jahr 1514 die Mitglieder der ehrbaren Gilde unverheira­teter Kaufleute auf dem städtische­n Marktplatz versammelt. Nach feuchtfröh­lichem Umtrunk brachten sie zwei mit künstliche­n Rosen geschmückt­e Tannenbäum­e mit, umtanzten sie und verbrannte­n sie letztendli­ch. Schließlic­h gilt das Elsass als eigentlich­es Ursprungsl­and unseres Weihnachts­baums, hatten doch die Bürger dort schon alten Berichten zufolge im Jahr 1605 geschmückt­e Bäumchen in ihren Stuben aufgestell­t. Dann sollten weitere zwei Jahrhunder­te vergehen, bis der erste festlich geschmückt­e Nürnberger Christkind­lbaum erwähnt wurde und der Baum auch bei uns Einzug hielt. So gehören das Fest, der Christbaum und kulinarisc­he Genüsse untrennbar zusammen. <

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