Faszination Königshaus
# Einmal Prinzessin sein...
Als am 19. Mai auf Schloss Windsor die Hochzeitsglocken läuteten und Prinz Harry seiner Meghan das Ja-Wort gab, war von vornherein klar, wie dieser Tag für mich aussehen würde: Mit Sekt und Pralinen bewaffnet saß ich mit meiner Mutter auf der Couch und verfolgte von Anfang bis Ende die Übertragung im Fernsehen, ganz so, wie wir es immer getan hatten. Egal ob Maxima und Willem-Alexander, Prinz William und seine Kate oder auch alle drei Königskinder von Schweden – wir haben keine Trauung verpasst, keinen Moment, wenn aus einem scheinbar unerreichbaren Traum plötzlich Realität wird. Denn zumindest ein kleines bisschen steckt es doch in uns allen: das warme Gefühl, wenn irgendwo ein Märchen wahr wird.
Aus ferner Zeit
In Deutschland gibt es schon lange keine Monarchie mehr. Vor ziemlich genau 100 Jahren dankte nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mit Wilhelm II. der letzte deutsche Kaiser ab. Aus dem Kaiserreich wurde eine Republik, der Adel verlor all seine Privilegien und besonderen Rechte. Was geblieben ist, sind Titel und Namen, die zwar nett klingen, aber keine tiefere Bedeutung mehr haben. Auch die vielen Burgen und Schlösser zeugen noch davon, dass es einst auch hier Könige und Kaiser, Prinzen und Herzöge gab, die dem Reich eine Erhabenheit und einen Glanz verliehen haben, die man sich heute kaum noch vorstellen kann.
Eine Bastion
Der höfische Pomp ist dabei nur eines von vielen Puzzlestücken, die genau dafür sorgen. Wenn ihre Majestäten in großer Gala-Uniform und Abendrobe auftreten, vielleicht sogar mit den kostbaren Kronjuwelen geschmückt, muss man unweigerlich einen Moment staunen. Eine gewisse Ehrfurcht und ein gewisser Respekt machen sich breit, nicht einmal unbedingt gegenüber der Person, als vielmehr gegenüber dem, was die hohen Damen und Herren repräsentieren: Eine Institution, deren Geschichte mitunter mehr als 1 000 Jahre in die Vergangenheit reicht,
die den Lauf dieser Welt mitgeprägt hat und die beweist, dass manche Dinge ewig währen können. Wie keine andere Monarchin steht die Queen für Beständigkeit. Seit nunmehr 66 Jahren ist sie das Oberhaupt Englands, des Commonwealths und der anglikanischen Kirche. Mit gerade einmal 26 Jahren bekam sie die Bürden der Krone auferlegt, mit 92 Jahren trägt sie sie heute immer noch – und das sogar als mittlerweile dienstälteste Monarchin der Welt. Mehr als ein Dutzend Premierminister hat sie kommen und gehen sehen, sie selbst ist immer noch da. Für mich ist das immer ein schöner Gedanke, vor allem dann, wenn unsere Welt mal wieder versucht, sich noch ein bisschen schneller zu drehen.
Nah und fern
Um so verzückter richten wir unseren Blick nach England, Spanien, Schweden oder auch die Niederlande, jene Nationen, in denen die Monarchie auch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts überdauert hat. Dort existiert sie noch, diese fast schon mystische Welt mit ihren Bewohnern, die es seit so vielen Jahrhunderten gibt und die es geschafft hat, bis heute ihren Charme zu wahren. Und das ist ein wahrer Balanceakt. Konnten die königlichen Häupter früher einfach der Devise der Abschottung folgen, gilt Bürgernähe heute als unbedingtes Muss. Mitten unter uns und dennoch dem normalen Leben irgendwie entrückt – kein leichter Spagat, den die modernen Royals da bewältigen müssen. Eine Prinzessin zum Anfassen soll sie sein, doch kommt sie dem Volk zu nahe, verschwindet diese magische Aura, die sie dank ihrer Position umgibt. Der Zauber kommt
dabei wie so oft von innen: Mit der anmutigen Eleganz, die sie repräsentiert und mit der sie sich bewegt, gelingt auch ein königlicher Auftritt in Gummistiefeln. Folgt dann ein Gala-Dinner in großer Robe, entfaltet sich wieder ihr voller Glanz. Und spätestens das ist dann der Moment, in dem jede Frau irgendwann in ihrem Leben einmal davon träumt, Prinzessin zu sein.
Etikette, Etikette
Opulente Kleider, Diademe voller funkelnder Diamanten, ein Schloss mit einem ganzen Park als Garten – eine wundervolle Vorstellung, die uns vermutlich gerade deshalb so fasziniert, weil sie so unerreichbar ist. Ein Schloss betreten wir in der Regel nur als Tourist, große Roben finden im alltäglichen Leben gar keinen Platz. Um so aufregender erscheint uns das Leben derer, für die all das zum Alltag gehört, die in einer Welt leben, die für uns nicht nur fremd, sondern oft auch kaum zu durchschauen ist. Denn bei Hofe gelten andere Regeln, teilweise schon viele Jahrhunderte alt, die dafür sorgen, dass das royale Uhrwerk mit seinen schier unendlich vielen Zahnrädern funktioniert. So legt das Protokoll nicht nur fest, wer mit welchem Rang wen zuerst ansprechen darf oder wer beim Dinner neben wem sitzt. Die Regeln der Etikette greifen auch in die ganz alltäglichen Entscheidungen der königlichen Köpfe ein. Röcke müssen mindestens knielang sein, Beine stets von einer Strumpfhose bedeckt und bei den Briten ist sogar farbenfroher Nagellack tabu. Maximal dezente Nude-Töne dürfen Herzoginnen und Prinzessinnen verschönern. Wenn sich der Schleier des höfischen Lebens in solchen Details ein wenig hebt und uns einen kleinen Blick in diese fremde Welt gewährt, entlocken uns diese oft ein kleines Schmunzeln. Was spricht gegen einen blauen Nagellack zum marineblauen Kleid? Für uns nichts. Doch im Königshaus ist eben alles anders. Das mag ein wenig antiquiert wirken, trägt aber genauso zur royal-mystischen Aura bei wie die wallenden Kleider oder die aufwendigen Paraden, die zu großen Anlässen veranstaltet werden. Sie sind im Grunde wie wir und doch ganz anders.
Märchen werden wahr
Brauchen wir die Monarchie heute noch? Diese Frage kommt gerade in Krisenzeiten immer wieder auf. Aus politischer Sicht muss die Antwort wohl „nein“heißen. Ein Königshaus repräsentiert, dient dem guten Zweck, hat politisch aber keine Aufgaben und ist dazu auch noch recht kostspielig. Doch dafür gibt es uns etwas, das kein gewähltes Parlament uns geben kann: Es lässt uns träumen von einer anderen Zeit, von einem anderen Leben, in dem ein Märchen eben doch wahr werden kann. <