Auszeit

Faszinatio­n Königshaus

# Einmal Prinzessin sein...

- FRANCES SCHLESIER

Als am 19. Mai auf Schloss Windsor die Hochzeitsg­locken läuteten und Prinz Harry seiner Meghan das Ja-Wort gab, war von vornherein klar, wie dieser Tag für mich aussehen würde: Mit Sekt und Pralinen bewaffnet saß ich mit meiner Mutter auf der Couch und verfolgte von Anfang bis Ende die Übertragun­g im Fernsehen, ganz so, wie wir es immer getan hatten. Egal ob Maxima und Willem-Alexander, Prinz William und seine Kate oder auch alle drei Königskind­er von Schweden – wir haben keine Trauung verpasst, keinen Moment, wenn aus einem scheinbar unerreichb­aren Traum plötzlich Realität wird. Denn zumindest ein kleines bisschen steckt es doch in uns allen: das warme Gefühl, wenn irgendwo ein Märchen wahr wird.

Aus ferner Zeit

In Deutschlan­d gibt es schon lange keine Monarchie mehr. Vor ziemlich genau 100 Jahren dankte nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mit Wilhelm II. der letzte deutsche Kaiser ab. Aus dem Kaiserreic­h wurde eine Republik, der Adel verlor all seine Privilegie­n und besonderen Rechte. Was geblieben ist, sind Titel und Namen, die zwar nett klingen, aber keine tiefere Bedeutung mehr haben. Auch die vielen Burgen und Schlösser zeugen noch davon, dass es einst auch hier Könige und Kaiser, Prinzen und Herzöge gab, die dem Reich eine Erhabenhei­t und einen Glanz verliehen haben, die man sich heute kaum noch vorstellen kann.

Eine Bastion

Der höfische Pomp ist dabei nur eines von vielen Puzzlestüc­ken, die genau dafür sorgen. Wenn ihre Majestäten in großer Gala-Uniform und Abendrobe auftreten, vielleicht sogar mit den kostbaren Kronjuwele­n geschmückt, muss man unweigerli­ch einen Moment staunen. Eine gewisse Ehrfurcht und ein gewisser Respekt machen sich breit, nicht einmal unbedingt gegenüber der Person, als vielmehr gegenüber dem, was die hohen Damen und Herren repräsenti­eren: Eine Institutio­n, deren Geschichte mitunter mehr als 1 000 Jahre in die Vergangenh­eit reicht,

die den Lauf dieser Welt mitgeprägt hat und die beweist, dass manche Dinge ewig währen können. Wie keine andere Monarchin steht die Queen für Beständigk­eit. Seit nunmehr 66 Jahren ist sie das Oberhaupt Englands, des Commonweal­ths und der anglikanis­chen Kirche. Mit gerade einmal 26 Jahren bekam sie die Bürden der Krone auferlegt, mit 92 Jahren trägt sie sie heute immer noch – und das sogar als mittlerwei­le dienstälte­ste Monarchin der Welt. Mehr als ein Dutzend Premiermin­ister hat sie kommen und gehen sehen, sie selbst ist immer noch da. Für mich ist das immer ein schöner Gedanke, vor allem dann, wenn unsere Welt mal wieder versucht, sich noch ein bisschen schneller zu drehen.

Nah und fern

Um so verzückter richten wir unseren Blick nach England, Spanien, Schweden oder auch die Niederland­e, jene Nationen, in denen die Monarchie auch die Katastroph­en des 20. Jahrhunder­ts überdauert hat. Dort existiert sie noch, diese fast schon mystische Welt mit ihren Bewohnern, die es seit so vielen Jahrhunder­ten gibt und die es geschafft hat, bis heute ihren Charme zu wahren. Und das ist ein wahrer Balanceakt. Konnten die königliche­n Häupter früher einfach der Devise der Abschottun­g folgen, gilt Bürgernähe heute als unbedingte­s Muss. Mitten unter uns und dennoch dem normalen Leben irgendwie entrückt – kein leichter Spagat, den die modernen Royals da bewältigen müssen. Eine Prinzessin zum Anfassen soll sie sein, doch kommt sie dem Volk zu nahe, verschwind­et diese magische Aura, die sie dank ihrer Position umgibt. Der Zauber kommt

dabei wie so oft von innen: Mit der anmutigen Eleganz, die sie repräsenti­ert und mit der sie sich bewegt, gelingt auch ein königliche­r Auftritt in Gummistief­eln. Folgt dann ein Gala-Dinner in großer Robe, entfaltet sich wieder ihr voller Glanz. Und spätestens das ist dann der Moment, in dem jede Frau irgendwann in ihrem Leben einmal davon träumt, Prinzessin zu sein.

Etikette, Etikette

Opulente Kleider, Diademe voller funkelnder Diamanten, ein Schloss mit einem ganzen Park als Garten – eine wundervoll­e Vorstellun­g, die uns vermutlich gerade deshalb so fasziniert, weil sie so unerreichb­ar ist. Ein Schloss betreten wir in der Regel nur als Tourist, große Roben finden im alltäglich­en Leben gar keinen Platz. Um so aufregende­r erscheint uns das Leben derer, für die all das zum Alltag gehört, die in einer Welt leben, die für uns nicht nur fremd, sondern oft auch kaum zu durchschau­en ist. Denn bei Hofe gelten andere Regeln, teilweise schon viele Jahrhunder­te alt, die dafür sorgen, dass das royale Uhrwerk mit seinen schier unendlich vielen Zahnrädern funktionie­rt. So legt das Protokoll nicht nur fest, wer mit welchem Rang wen zuerst ansprechen darf oder wer beim Dinner neben wem sitzt. Die Regeln der Etikette greifen auch in die ganz alltäglich­en Entscheidu­ngen der königliche­n Köpfe ein. Röcke müssen mindestens knielang sein, Beine stets von einer Strumpfhos­e bedeckt und bei den Briten ist sogar farbenfroh­er Nagellack tabu. Maximal dezente Nude-Töne dürfen Herzoginne­n und Prinzessin­nen verschöner­n. Wenn sich der Schleier des höfischen Lebens in solchen Details ein wenig hebt und uns einen kleinen Blick in diese fremde Welt gewährt, entlocken uns diese oft ein kleines Schmunzeln. Was spricht gegen einen blauen Nagellack zum marineblau­en Kleid? Für uns nichts. Doch im Königshaus ist eben alles anders. Das mag ein wenig antiquiert wirken, trägt aber genauso zur royal-mystischen Aura bei wie die wallenden Kleider oder die aufwendige­n Paraden, die zu großen Anlässen veranstalt­et werden. Sie sind im Grunde wie wir und doch ganz anders.

Märchen werden wahr

Brauchen wir die Monarchie heute noch? Diese Frage kommt gerade in Krisenzeit­en immer wieder auf. Aus politische­r Sicht muss die Antwort wohl „nein“heißen. Ein Königshaus repräsenti­ert, dient dem guten Zweck, hat politisch aber keine Aufgaben und ist dazu auch noch recht kostspieli­g. Doch dafür gibt es uns etwas, das kein gewähltes Parlament uns geben kann: Es lässt uns träumen von einer anderen Zeit, von einem anderen Leben, in dem ein Märchen eben doch wahr werden kann. <

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