Sternenzauber
# Zu Besuch im Observatorium
Wenn es Nacht wird, schlägt die Stunde der Sternenfreunde. Egal, ob sie sich nur mit freiem Auge von der Pracht des Sternenhimmels verzaubern lassen oder als Hobbyastronomen mit ihren Teleskopen tief in die Unendlichkeit der Nacht blicken. Stets auf der Suche nach fernen Sternen und Galaxien. Und sie machen dabei sogar unzählige Entdeckungen, von denen einst Galileo Galilei nicht einmal zu träumen gewagt hätte.
Auf der Suche
Heute ist es gar nicht mehr so leicht, den Sternenhimmel zu beobachten. Unsere Städte werden immer größer und heller und lassen so das schwache Licht der unzähligen Sterne immer schwerer zu uns durchdringen. Auch ich bin in meinem Dorf Opfer der Lichtverschmutzung geworden. Die vor Jahren installierte Straßenbeleuchtung und das Wachsen des Orts haben die Milchstraße für mich am Himmel verschwinden lassen. Auf der Suche nach einem noch wirklich dunklen Ort bin ich auf die Sternfreunde Steyr in Oberösterreich gestoßen.
Die Mitglieder des
Vereins haben sich auf der Hohen
Dirn, einem Berg am Rande des oberösterreichischen Nationalparks Kalkalpen, ein ideales Domizil zur Himmelsbeobachtung geschaffen. Denn die Gegend zählt zu den dunkelsten Orten Österreichs. Hier haben die Sternfreunde zwei Kuppeln und einen Betonplatz für ihre Teleskope errichtet.
Als ich, noch bei Sonnenschein, bei den Sternfreunden eintreffe, sind bereits einige dabei, ihr Equipment für die Nacht aufzubauen. Für den Laien, der bestenfalls Riesenteleskope aus dem Fernsehen kennt, mögen ihre Fernrohre erstaunlich klein wirken. Doch der Schein trügt. Was diese Fernrohre zu leisten imstande sind, beginne ich zu ahnen, als ich erfahre, dass die Sternfreunde bereits Aufnahmen für hochkarätige TV-Dokus beigesteuert haben. Inzwischen ist die Sonne untergegangen und die Abenddämmerung weicht dem Dunkel der Nacht. Rund um den Star Park auf der Hohen Dirn ist es ruhig geworden.
Nach und nach beginnen die Sterne am Himmel zu funkeln. Immer mehr. Und ja… so habe ich den Sternenhimmel tatsächlich schon lange nicht mehr gesehen. Die stille Pracht zieht mich voll in ihren Bann. Hier ist es erlaubt, sich Zeit fürs Staunen zu nehmen und den Blick über das immer imposanter werdende Lichtermeer streifen zu lassen. Auch die Milchstraße ist klar und deutlich zu erkennen.
Entdeckungsreise
Für die anwesenden Sternfreunde Bernhard, Gerhard und Rudi bietet der Sternenhimmel einen gewohnten Anblick. Sie kennen sich da oben mindestens so gut aus, wie ich mich in meiner Heimatstadt. Sie sehen alle Sternbilder auf einen Blick, wissen, wo die Planeten gerade stehen und wo sich entfernte Sternhaufen und Nebel befinden. Ich sehe nur unendlich viele leuchtende Punkte am Himmel, ohne auch nur irgendeinen Orientierungspunkt, vom hell leuchtenden Mars abgesehen, zu haben. Aber egal. Mir gefällt, was ich sehe. Mir geht es nicht um Wissenschaft oder Forschung, sondern einfach nur darum, die Faszination der Nacht auf mich einwirken zu lassen. Inzwischen haben auch die Sternfreunde ihre Teleskope auf verschiedene lohnende Ziele ausgerichtet und erfreuen sich an dem, was sie sehen und auch mir zeigen. Wie etwa den Mars. Ihn im Detail im Fernsehen zu sehen, ist zwar ganz nett, aber ihn live zu erleben, ist schon ein ganz spezielles Hochgefühl. Deutlich sind Konturen auszumachen und sogar seine nördliche Polkappe ist zu erahnen. Weiter geht’s zum wohl außergewöhnlichsten Planeten unseres Sonnensystems, dem Saturn, mit
seiner horizontal gestreiften Oberfläche und dem markanten Ring. Sogar einige Monde sind zu erahnen.
Wie ich höre, mag manch einer von dem enttäuscht sein, was er durch das Teleskop zu sehen bekommt. Weil vieles nicht so toll aussieht, wie man es von Büchern und so kennt. Das Geheimnis liegt in der Art der Beobachtung. Blickt man durch das Okular, kann man, laienhaft ausgedrückt, nur das normale, schwache Licht der Sterne sehen. Viele Details werden jedoch erst durch die Astrofotografie und die Computertechnik sichtbar. Während meines Besuchs auf der Hohen Dirn war etwa einer der Hobbyfreunde während der ganzen Nacht dabei, einen einzigen, fernen Sternennebel zu fotografieren. Dazu fertigte er an die 30 Einzelaufnahmen mit Belichtungszeiten von jeweils zehn bis 20 Minuten an und arbeitete mit mehreren Filtern, die so auf einzelnen Aufnahmen bestimmte Spektralbereiche besonders hervorheben. Anschließend wird aus den Einzelbildern eine Gesamtaufnahme kreiert, die so viele Details zum Vorschein bringt, die mit freiem Auge gar nicht zu sehen wären.
Wer denkt schon daran, dass in den Sternenhimmel zu blicken, so etwas wie eine Zeitreise ist?
Vor unserer Zeit
Unsere Nachbargalaxie Andromeda lässt sich schon mit bloßem Auge erahnen. Richtig schön präsentiert sie sich mir mit ihren unzähligen, scheinbar auf engstem Raum konzentrierten, schimmernden Sternen, jedoch erst über ein Teleskop. Bei all dieser Pracht vergisst man nur allzu leicht, dass wir Andromeda nicht so sehen, wie sie sich jetzt und heute präsentiert, sondern wie sie vor 2,5 Millionen Jahren war. So lange braucht ihr Licht auf dem Weg zur Erde. Vor 2,5 Millionen Jahren hatte auf der Erde der nur in Afrika lebende Homo Habilis (er gilt als älteste Menschenrasse) gerade damit begonnen, erste roh behauene Steinwerkzeuge zu benutzen. Der Homo Sapiens ist dagegen erst
300 000 Jahre alt. Da hatte das heute sichtbare Bild des Andromedanebels schon über 80 Prozent seines Weges zu uns zurückgelegt. Andere Galaxien, die mir die Sternfreunde Steyr mit ihren
Fernrohren zeigen, sind bis über 20 Millionen
Lichtjahre entfernt.
Wer weiß, ob es sie heute über- haupt noch so gibt, wie wir sie sehen? Inzwischen ist es längst nach Mitternacht. Absolute Stille. Sie wird nur ab und an durch das Röhren eines Hirsches unterbrochen.
Mal klingt es weit weg, dann wieder etwas >