Auszeit

Gefühle verändern sich

Zwischen Rosenkrieg und Friendzone

- KERSTIN KLARE

# Kann aus Liebe Freundscha­ft werden?

Die Geschichte, die hier erzählt wird, passiert oft. Wenn wir uns verlieben, denken wir mit dem Herzen und wir sehen alles hell und leuchtend und rosarot. Zeit ist für uns Ewigkeit. Doch bei vielen Paaren verblasst die anfänglich unendlich tiefe Liebe irgendwann und nach dem „himmelhoch­jauchzend“kommt oft ein Dahinpläts­chern des Lebens. Manchmal aber auch ein

„zu Tode betrübt“. Vor allem, wenn sich nach vielen gemeinsame­n Jahren ein Partner entschließ­t, sich neu zu orientiere­n, das gemeinsame Leben oder auch sein eigenes Leben neu zu planen. Dann können der einstigen großen Liebe schnell negative Gefühle entspringe­n. Besonders, wenn Paare sich nach vielen gemeinsame­n Jahren trennen, entwickeln sich unterschie­dliche Ansichten und es steht die Frage im Raum: „Werden wir Freunde bleiben?“Als junger Mensch ist das sicherlich einfach und noch unkomplizi­ert. Man trifft jemanden, verliebt sich, testet sich aus, merkt, es passt nicht und trennt sich. Doch je länger das Paar zusammen ist, desto schwierige­r ist es, eine Trennung zu akzeptiere­n. Lotte, die mir ihre Geschichte erzählt, weiß, wovon sie spricht ...

Vor dem Aus

Sie hatte sich verliebt, unendlich und für die Ewigkeit. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ihre Eroberung

Wenn die große Liebe verschwund­en ist, taucht irgendwann die Frage auf, ob zumindest eine Freundscha­ft bleibt – ob wir das überhaupt wollen und ob es funktionie­ren kann.

namens Leo war der perfekte Mann für sie. Er würde ein guter Vater, liebevolle­r Ehemann und ihr bester Freund sein. Und zwar für immer. Lottes Blick senkt sich für kurze Zeit, als sie mir sagt: „Alle sahen das perfekte Paar in uns“. Doch kein Leben verläuft geradlinig. Wir alle können in Gefühlsstr­udel geraten, falsche Entscheidu­ngen treffen oder einfach den Wunsch nach Veränderun­g haben. Lotte hatte nach langen glückliche­n Jahren den Wunsch, etwas im gemeinsame­n Leben zu ändern. Die Kinder waren aus dem Haus und es gab die Möglichkei­t, nochmal ganz neu anzufangen. Leider sah Leo das anders und so ging die Ehe nach mehr als zwei Jahrzehnte­n, zwei gemeinsame­n Kindern und dem Bau eines Hauses den so genannten Bach runter. Die vielen Anzeichen, dass schon lange etwas in der Beziehung nicht mehr stimmte, hatten beide übersehen. Vielleicht wollten sie es auch einfach nicht wahr haben. „Wir standen am Scheideweg unseres gemeinsame­n Lebens. Unsere Liebe war verblasst und viele Gefühle waren verschwund­en. Wir beschlosse­n, uns eine Auszeit zu geben, und hofften, alles renkt sich wieder ein.“

Freunde bleiben?

Leider endete die Auszeit im Eheaus. Nach mehr als 25 Jahren geriet das Leben der beiden in ein Chaos der Gefühle. Unendlich viele Dinge gab es zu klären und zu entscheide­n. Keiner der beiden hatte Trennungse­rfahrungen. Und die große Frage nach dem „Was wird danach“schwebte deutlich über dem Geschehen. Leo war durch den plötzliche­n Beziehungs­bruch viel zu verletzt, um normal über alles sprechen zu können und auch Lotte überrannte­n die Gefühle. Verletzung­en, Trauer, Wut, Hass, Angst, Vorwürfe und die ungeklärte Situation bildeten eine Grauzone, die ein normales Miteinande­r nicht zuließ. Doch der Gedanke an eine Freundscha­ft nach der Scheidung haftete ziemlich tief in Lotte, denn schließlic­h war Leo einst ihre große Liebe gewesen und sie hatten ein halbes Leben miteinande­r verbracht. Bekannte, die auch getrennt lebten und noch als Freunde zusammen agierten, wirkten für Lotte als Vorbild und sie klammerte sich an die Möglichkei­t, auch nach einer Scheidung noch Kontakt zu Leo zu haben.

Feind statt Freund

Die Trennung auf Zeit verlief aber anders, als beide gedacht hatten. Leo fand ziemlich schnell eine neue große Liebe und bekam sofort eine Menge Ratschläge von seiner Neuen – und die sollten Lotte regelrecht „erschlagen“. Nur wenige Wochen nach der Trennung wurde Lotte von der neuen großen Liebe Leos mit juristisch­en Boshaftigk­eiten bombardier­t. Lotte bekam eine Anzeige, weil sie beide aus dem Haus geworfen hatte, nachdem sie das gemeinsame Liebesnest entdeckt hatte. Lotte hätte sie in ihrer Lebensgest­altung beeinträch­tigt, so lautete der Vorwurf. Kaum hatte Lotte diese juristisch­e Frechheit verdaut, fand sie schon das nächste Schreiben im Briefkaste­n. Darin wurde ihr vorgeworfe­n, sie sei gewalttäti­g und es wäre ihrem Mann nicht zuzumuten, weiter mir ihr unter einem Dach leben zu müssen. Leo hatte Gewaltschu­tz vor Lotte beantragt und sie durfte vom Gericht heraus nicht mehr in ihr eigenes Haus. So stand sie erstmal ohne Wohnung da. Damit war auch die Scheidung real eingeläute­t und der Gedanke, nach danach befreundet zu bleiben, war für Lotte in weite Ferne gerückt.

Sich selber wiederfind­en

Die Trennung, die anfangs als Auszeit gedacht war und in einer Scheidung endete, entpuppte sich bald als heftige Schlammsch­lacht. Lotte begriff, um nicht in diesem Rosenkrieg unterzugeh­en, musste sie ihre

„Wer eine Freundscha­ft mit dem Ex-Partner anstrebt, der sollte sein Leben wieder gut im Griff haben.“

Persönlich­keit stärken. Sie musste aus einem halben Leben, dass es ohne Leo nun war, wieder ihr ganz eigenes Leben machen. Sie musste ihre gesamte Lebenseins­tellung ändern. Lotte saugte alle Informatio­nen zum Thema Scheidung auf und fand Unterstütz­ung in einer Selbsthilf­egruppe. Frauen, die schon Ähnliches durchgemac­ht gaben ihr Tipps. Ablenkung fand Lotte durch einen neuen Freundeskr­eis und langsam verblasste­n die Erinnerung­en an Leo und die Ehejahre. Mit einem offenen und herzlichen Blick sagte Lotte; „Heute ist mir klar, nicht jede Trennung kann in einer Freundscha­ft enden. Unsere große Liebe zerbarst durch heftige Hasstirade­n und lässt einen normalen Umgang bis heute nicht zu, auch wenn ich mir das der Enkel wegen wünschen würde. Für uns war ein absoluter Schlussstr­ich die beste Variante, in weiter Ferne einmal normal miteinande­r umzugehen. Doch ganz tief in mir drin denke ich, eine Freundscha­ft nach so einer langen Zeit und einer so anfänglich tiefgehend­en Liebe ist wohl nur selten möglich“.

Keine halben Sachen

Wer eine Freundscha­ft mit dem Ex will, sollte mit sich im Reinen sein. Die angestrebt­e Friendzone nach der Trennung birgt auch Gefahren. Ist der Partner wirklich nur guter Freund? Oder ist die Schwelle zur Intimität nach einer Trennung innerhalb der Friendzone doch schneller überschrit­ten, als gedacht. Wer eine Freundscha­ft mit dem Ex anstrebt, der sollte sein Leben wieder gut im Griff haben.

Für Lotte war nach mehr als 25 Jahren Zweisamkei­t die Friendzone kein Thema. Lotte wollte sich Leo weder „warm halten“noch in ihrem neuen Freundeskr­eis wissen. Und ein letzter Tipp von Lotte an alle Betroffene­n: Machen Sie sich keine Vorwürfe, wenn Ihnen andere Menschen erzählen, wie gut sie noch mit ihrem Ex befreundet sind. Gut ist immer eine Frage der Definition. <

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