Vertrauen, vergeben, verzeihen
Wenn eine Freundschaft zerbricht, heißt es oft: „Er (oder sie) hat einen Fehler gemacht, der nicht wieder gut zu machen ist.“Doch wann ist ein Fehler eigentlich ein Fehler? Wann ist ein Fehler verzeihlich? Und wann eben nicht?
# Auch Freunde machen Fehler
Eine tiefe, vertrauensvolle Freundschaft ist etwas Wundervolles; etwas Warmes, etwas fürs Herz und für die Seele. Wir alle sehnen uns nach einer tiefen Verbundenheit zu einer Freundin oder zu einem Freund. Das ist ja so auch bereits in uns angelegt. Wir sind soziale Wesen, fühlen uns gerne mit anderen Menschen verbunden und suchen in der Gruppe natürlich auch Halt, Sicherheit, Anerkennung und Liebe. Menschen, die Freunde haben und sich in einem guten, sozialen Umfeld bewegen, sind nachweislich glücklicher, zufriedener, ausgeglichener und selbstbewusster. Verwunderlich ist das nicht, denn Freundschaften machen einen wichtigen Teil unseres Lebens aus. Sie gehören zu unserem Rad des Lebens und nehmen einem wichtigen Lebensbereich ein. Freundschaften sind also sozusagen ein Teil des Rades, der unser Leben „rund“macht. Wird dieser Lebensbereich nicht gelebt, haben wir oftmals das Gefühl, dass uns etwas fehlt.
Die Liebe zu einem Ehepartner drosselt die Sehnsucht nach Freundschaften eher nicht, denn in unserem Rad des Lebens sind BEIDE Teile wichtig. Partnerschaft/Ehe UND Freundschaft. Eine erfüllte Ehe mindert den Wunsch nach weiteren tiefen Freundschaften also nicht, wobei es da sicherlich auch Ausnahmen gibt.
Alles hat zwei Seiten
Wenn wir in einem guten sozialen Umfeld leben, in dem wir 1–3 tiefere Freundschaften pflegen und vielleicht noch ein paar gute Bekannte haben, dann gibt uns das auf der einen Seite viel Geborgenheit, Stärke und Selbstwertgefühl. Wir fühlen uns sicher und geliebt. Und gemeinsam lässt sich noch so viel mehr schaffen, als alleine. Auf der anderen Seite birgt eine tiefe Freundschaft natürlich auch das Risiko der Enttäuschung und Verletzung.
Denn genau, wie in einer Ehe oder Lebenspartnerschaft, stoßen auch in einer Freundschaft zwei (oder mehr) Welten aufeinander. Und dies führt immer mal wieder zu Konflikten. Da unser Freundeskreis uns jedoch auch eine Art „Schutzraum“bietet, weil wir uns einfach dazugehörig und liebevoll angenommen fühlen, stellt es gefühlt für uns eine Bedrohung dar, wenn dieser Schutzraum plötzlich ins Wanken gerät. Konflikte, Auseinandersetzungen oder sogar ein handfester Streit mit der besten Freundin kann uns erheblich erschüttern. Vorbei ist es mit der Leichtigkeit und Verbundenheit innerhalb der Freundschaft. Zumindest fühlt sich das erstmal so an. Rappelt es in der Freundschaft, wird unser Inneres oft ordentlich durchgeschüttelt.
Wie heißt es so schön? Freunde kann man sich aussuchen, Familie nicht.
„Menschen, die Freunde haben und sich in einem guten, sozialen Umfeld bewegen, sind nachweislich glücklicher und selbstbewusster.“
Und was ist, wenn es dann innerhalb der Freundschaft richtig Ärger gibt? Das kann unser inneres Gleichgewicht ganz schön erschüttern.
Was uns verletzt
Wenn wir uns auf eine tiefe Freundschaft einlassen, kommen wir kaum drumherum. Es wird, früher oder später, Konflikte geben. Vielleicht hat eine wirklich sehr gute Freundin bei Anderen etwas über uns ausgeplaudert, was nur für ihre Ohren bestimmt war. Vielleicht hat sich der beste Freund oder die beste Freundin in unseren eigenen Partner verliebt. Vielleicht fühlen wir uns aufgrund von Lügen und Behauptungen von unserer Freundin hintergangen, ausgenutzt und veräppelt. Aber es gibt auch ganz kleine Auslöser für Konflikte. Vielleicht ist seitens unserer Freundin ein Satz gefallen, der uns verletzte; irgendwo ganz tief im Herzen. Vielleicht fühlen wir uns aufgrund einer Geste des Anderen missverstanden, obwohl wir uns in der jeweiligen Situation einfach nur jemanden gewünscht hätten, der uns versteht. Oder wir haben das Gefühl, dass unsere Freundin oder unser Freund gar nicht mehr zu uns hält, weil es keine mutmachenden Worte und Bestärkungen mehr gibt. Je mehr wir unserer Freundin oder unserem Freund von uns preisgegeben haben, desto mehr wünschen wir uns Verständnis und Rückhalt. Und kommt dann ein unüberlegter Satz des Gegenübers, der uns verletzt, sagen wir „Sie hätte doch wissen müssen, dass diese Äußerung Salz in meine Wunde streut.“Ich glaube, wir alle kennen das. Ob es die großen oder die kleinen Dinge sind; sie alle können schmerzhaft sein, unsere Freundschaft auf die Probe stellen und unsere Innenwelt aus dem Gleichgewicht bringen.
Mit Fehlern umgehen
Wenn eine Freundschaft zerbricht, heißt es oftmals: „Er (oder sie) hat einen Fehler gemacht, der nicht wieder gut zu machen ist.“Doch wann ist ein Fehler eigentlich ein Fehler? Wann ist ein Fehler verzeihlich? Und wann eben nicht?
Erstmal ganz wichtige Dinge vorab: Fehler machen wir, solange wir leben. Wir machen Fehler, unsere Mitmenschen machen Fehler und auch unsere besten Freunde machen Fehler. Wir sind eben Menschen. Und wir Menschen lernen aus Fehlern (so sollte es zumindest sein) und wünschen uns in den meisten Fällen auch, dass hinterher alles wieder ins Lot kommt. Fehler tragen zu unserer Entwicklung bei und lehren uns auch, was es bedeutet, etwas wieder gut zu machen oder selbst etwas zu verzeihen. Demnach sind Fehler grundsätzlich nichts Schlechtes, sondern können sogar als eine Möglichkeit betrachtet werden, unsere sozialen Kompetenzen zu erweitern und zu schulen. Und wenn sich unsere sozialen Kompetenzen entwickeln, sind wir noch besser in der Lage, ein guter Freund oder eine gute Freundin zu sein, weil wir gelernt haben, aufrichtig um Entschuldigung zu bitten, Konflikte auf Augenhöhe zu lösen oder aus vollstem Herzen zu verzeihen. Wir dürfen also immer frei entscheiden: Möchte ich verzeihen? Möchte ich wirklich vergeben? Bin ich bereit, mal aus der Perspektive des Anderen
zu schauen, um vielleicht wieder einen gemeinsamen Nenner entdecken zu können? Um verstehen zu können? Um die Sicht des Anderen wirklich klar sehen zu können? Ob ein Fehler ein Fehler ist, entscheiden wir; jeder ganz persönlich und individuell für sich. Es gibt so viele Weltanschauungen, so viele Werte, so viele verschiedene Sichtweisen, dass es nicht verwunderlich ist, dass gewisse Dinge den Einen erschüttern und dem Anderen höchstens ein müdes Lächeln heraus kitzeln. Wahrscheinlich haben zwei Menschen, die eine tiefe Freundschaft pflegen, eine recht ähnliche Sicht auf die Dinge, ähnliche Werte und Prioritäten. Das bedeutet jedoch nicht, dass man nie verschiedener Meinung ist oder nie bestimmte Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Wir dürfen nie vergessen, dass jeder Mensch eine ganz eigene Prägung hat und ganz eigene Erfahrungen gemacht hat, die die Persönlichkeit geformt haben.
Hilfe annehmen
Doch, wie können wir es eigentlich herausfinden, ob ein Fehler überhaupt ein Fehler ist? Vielleicht sehen wir einen Fehler, wo Andere niemals einen Fehler erkennen könnten? Das ist sehr gut möglich und deshalb kann es hilfreich sein, bei Konflikten mit anderen engen Freunden zu sprechen (nicht lästern) und um deren Meinung zu bitten. So manches Mal kommt dann ein: „Ach, das würde ich nicht so eng sehen. Das ist mir selbst auch mal passiert. Shit happens“. Wenn ein Unbeteiligter damit erstmal das Drama herausnehmen kann, ist das sehr wertvoll. Denn dann finden wir vielleicht zu der Einsicht, dass wir zu streng oder unsere Erwartungen zu hoch waren. Wir erkennen ein paar neue Perspektiven, einen neuen Blickwinkel, der unseren Ärger in Verständnis oder sogar Mitgefühl für den Anderen verwandelt. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Denn letztendlich dürfen wir selbst entscheiden, ob wir unserer Freundin vergeben möchte, oder eben nicht. Doch um das entscheiden zu können, ist Selbstreflexion und das Hinterfragen der eigenen Werte und der eigenen kleinen und großen Schwächen einfach sinnvoll. So wachsen wir in unserer Persönlichkeit. So finden wir selbst immer mehr Klarheit über unser eigenes Innenleben, über unsere Erwartungen, über unsere Fähigkeit zu Verzeihen, über unsere Fähigkeit, uns abzugrenzen, wenn es nötig ist und über das, was uns wirklich wichtig ist. In diesem Sinne kann jeder Konflikt ein Geschenk sein, denn was am Ende immer übrig bleibt, ist eine Erkenntnis. Und diese Erkenntnis kann ganz wunderbar wertvoll für uns sein. <
„Wir dürfen also immer frei entscheiden: Möchte ich verzeihen? Möchte ich wirklich vergeben?“