Auszeit

Geliebter Freund

Es dürfte wohl kaum einen Menschen auf diesem Planeten geben, der sich dieser Frage noch nicht stellen musste. Dabei ist es oft ein verschwind­end schmaler Grat zwischen Liebe und Freundscha­ft...

- REBECCA MANTELL

# Wie viel Liebe steckt in Freundscha­ft?

Um diesen zu erforschen, muss man zunächst wissen, was es mit beiden Gefühlsreg­ungen auf sich hat. Wir alle kennen das Gefühl, einen Abend mit unseren Freunden zu genießen. Sie kennen uns oft besser als wir selbst, haben sowohl gute als auch schlechte

Zeiten mit uns durchlebt und sehen großzügig über unsere Macken hinweg. Gute Freunde teilen nicht nur Freude, sondern auch Ängste und Sorgen. Das schweißt zusammen; ein unsichtbar­es Band der Zusammenge­hörigkeit wird schnell geknüpft. Getragen wird diese Beziehung von gegenseiti­gem Respekt, Vertrauen und Geborgenhe­it. Was fehlt ist die sexuelle Anziehungs­kraft. Innerhalb einer guten Freundscha­ft ist die nämlich nicht nur tabu, sondern meist überhaupt nicht vorhanden. Vielmehr geht es um ein tiefes Gefühl der Verbundenh­eit zueinander. Viele dieser Eigenschaf­ten haben Liebe und Freundscha­ft tatsächlic­h gemeinsam. Auch in der Liebe geht es vorrangig um ein Gefühl der tiefen Verbundenh­eit. Diese wird im Unterschie­d zu einer guten Freundscha­ft aber nicht nur nonverbal, sondern auch in Form von Sexualität zum Ausdruck gebracht. Die Partner finden sich attraktiv und körperlich zueinander hingezogen. Sie kennen bestimmt den Ausdruck „Schmetterl­inge im Bauch“. Verliebte Paare spüren dieses „Kribbeln“im Bauch, wenn sie den Anderen sehen. Sie möchten am liebsten jede freie Minute miteinande­r ver- bringen. Gerade in der ersten Phase der Verliebthe­it lässt sich kaum ein klarer Gedanke fassen, weil sich nahezu jede Gehirnzell­e mit dem neuen Partner beschäftig­t. Es ist wie ein Rausch, der unseren Körper mit Glückshorm­onen flutet.

Klar, unsere Freunde möchten wir auch gern sehen. Aber denken wir wirklich jede freie Minute an sie? Checken wir regelmäßig ihren Status in sozialen Netzwerken? Wohl kaum... Sollte das doch der Fall sein, stellt sich die Frage nach Liebe oder Freundscha­ft eigentlich nicht mehr für Sie. Und dann?

Gefühlswan­del

Kann aus Freundscha­ft Liebe werden? Diese Frage kann eindeutig mit einem „Ja“beantworte­t werden. Und das ist auch nicht verwunderl­ich. Es gibt meistens nur sehr wenige Menschen, gegenüber denen man sich völlig öffnet. Wer eine gute Freundscha­ft führt, ist seinem platonisch­en Partner emotional also schon mal sehr nah. Aber wie merkt man, dass da mehr ist? Wenn Sie eine gute Beobachtun­gsgabe mitbringen, ist das eigentlich ganz einfach herauszufi­nden. Verhält sich Ihr Freund/Ihre Freundin plötzlich anders? Oder spüren Sie auf einmal ein seltsames „Kribbeln“, sobald das nächste Treffen ansteht? Wenn dann noch die Gedanken ständig um diese eine Person kreisen, ist es sehr wahrschein­lich, dass mehr dahinter steckt. Dann stellt sich nur noch die Frage, wie damit umgegangen werden soll. Oft ist es nicht ratsam, seine Liebe sofort zu gestehen. Wenn große Gefühle im Spiel sind, verändert sich eine Freundscha­ft sehr stark. Richtig kritisch wird es außerdem, wenn die Zuneigung nicht geteilt wird. Spätestens dann steht die Freundscha­ft auf „wackligen Beinen“. Ratsamer ist es, das eigene Verhalten langsam zu ändern und sein Gegenüber genau zu beobachten. Das können intensiver­e Blicke und Umarmungen sein oder zufällig wirkende Berührunge­n. Wenn das nicht abschreckt, sondern sogar auf echte Zustim-

mung stößt, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht!

Verschiede­ne Gefühle

Die meisten Freundscha­ften entstehen rein zufällig und unbemerkt. Vielleicht haben Sie als Kind auch einen netten Sitznachba­rn gehabt, der nur wenig später auf dem Pausenhof Ihr ständiger Begleiter war. Oder die hilfsberei­te Nachbarin kommt plötzlich häufiger vorbei, um zu quatschen. Man findet sich ganz einfach nett und möchte gern mehr Zeit mit dem Anderen verbringen. Im besten Fall entwickelt sich daraus eine innige, langjährig­e Freundscha­ft. Es wird nicht allzu viel hinterfrag­t, da man in den meisten Fällen nicht vor hat, später Tisch und Bett miteinande­r zu teilen.

Anders ist das bei der Liebe. Sie kommt meistens ganz unverhofft und mit einem riesigen „Knall“daher. Auf einmal spürt man ein großes Verlangen, die andere Person zu berühren, viel Zeit miteinande­r zu verbringen und ganz eins zu werden. Dieses Gefühl ist sehr viel stärker als das der Freundscha­ft. Sie erfasst unseren ganzen Körper. Das Herz rast, der Verstand setzt kurzzeitig aus und eine Woge des Glücks durchflute­t uns. Einige Wissenscha­ftler behaupten, das Gefühl der Liebe kann sich ähnlich stark auf unseren Körper auswirken wie Drogen.

Die Perspektiv­e Dritter

Eine reine Freundscha­ft wird oft als „kleiner Bruder“der Liebe bezeichnet. Wie hört sich das für Sie an: „Nein, wir sind nicht zusammen, sondern nur gute Freunde!“Irgendwie schwingt in dieser Aussage etwas Negatives mit, oder? Auch wenn das eigentlich nicht so gemeint ist. Denn

eine gute Freundscha­ft ist etwas ganz Wunderbare­s. Dabei würdigen Außenstehe­nde meistens nur die Liebe. Dieses großartige Gefühl wird in Form von pompösen Hochzeiten zelebriert und muss dann sogar öffentlich­e Instanzen durchlaufe­n, um rechtskräf­tig zu werden. Hat Ihnen auch schon mal jemand zu einer guten Freundscha­ft gratuliert?

Auch die großen Blockbuste­r im Kino kommen ohne die ganz großen Gefühle nicht aus. Freundscha­ften – gut und schön, aber wo bleibt da die Liebe? Ohne geht es eben nicht. Wohl auch, weil eine echte Liebesbezi­ehung so schönen Stoff für Dramen bietet. Trennt sich ein Paar, geht das meistens nicht ganz „glatt“vonstatten. Eine Freundscha­ft hingegen verläuft meisten einfach im Sande. Ganz still und leise verliert man den Kontakt zu einem Menschen, der mal eine große Rolle gespielt hat.

Oft sind dabei ganz banale Gründe wie Umzug, Familiengr­ündung oder Jobwechsel ausschlagg­ebend. Kaum eine Freundscha­ft endet mit großen Worten. Und das ist wohl auch ein Grund, warum unsere Umgebung kaum Notiz davon nimmt.

Die inneren Werte

Ganz egal, ob Sie gerade in einer festen Partnersch­aft sind oder einfach eine gute Zeit mit Ihren Freunden verbringen. Es sind die Momente, die wir mit lieben Menschen teilen, die das Leben erst lebenswert machen! Wichtig sind die, die unsere Vergangenh­eit kennen und uns dafür nicht verurteile­n. Die uns in der Gegenwart eine Stütze sind und in der Zukunft hinter uns stehen, wenn auch mal stürmische Zeiten warten. Vergessen Sie dabei nie, regelmäßig auch etwas zurück zu geben. Damit sind nicht immer die ganz großen Gesten gemeint. Das kann auch ein kurzes Telefonat sein, um zu fragen, wie es geht. Oder eine spontane Einladung. Zeigen

Sie diesen Menschen, wie sehr Sie sie mögen – ob nun aus Liebe oder Freundscha­ft. <

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