Auszeit

Sei ein guter Freund

für andere und dich selbst

- ANTJE TITTELMEIE­R

# Robert Betz im Gespräch

Wenn Sie genau das denken, dann geht es Ihnen wie vielen Menschen, denn den meisten von uns fällt es sehr leicht, anderen ein guter Freund zu sein und sich mit viel Hingabe um das Wohl anderer zu kümmern.

Sehr viel schwerer fällt es allerdings, genauso liebevoll mit sich selbst umzugehen. Oft ist es uns gar nicht bewusst, wie wenig Liebe und Verständni­s wir für uns selbst haben. Werfen wir also einen ehrlichen Blick auf unseren Alltag: Mute ich mir zuviel zu? Fordere ich mehr von meinem Körper als er leisten kann? Muss immer alles perfekt sein? Und was gönne ich mir selbst? Koche ich für mich etwas? Gehe ich regelmäßig an die frische Luft? Treibe ich Sport? Mach ich es mir gemütlich?

Mir selber ist durch das ehrliche Hinschauen aufgefalle­n, wie oft ich mich überforder­e und die eigene Leistung als Selbstvers­tändlichke­it hinnehme. Ich lerne nun, mir mehr eigene Wertschätz­ung entgegenzu­bringen und auch mal stolz auf mich zu sein. Sich selber auf die Schulter zu klopfen ist ungewohnt, fühlt sich aber wirklich gut an! Seit einiger Zeit gönne ich mir sogar Wochenende­n nur für mich. Echte Auszeiten, mit mir selbst alleine bin und in den Tag hineinlebe. Hierbei gelingt es mir inzwischen sehr gut, die Freundscha­ft mit mir selbst zu pflegen und zu intensivie­ren. Ich werde oft gefragt, warum ich denn ohne Freundin oder Familie einfach so wegfahre und ob das denn nicht langweilig ist. Dann empfehle ich, es einfach mal auszuprobi­eren. Für mich ist es eine wundervoll­e Möglichkei­t, zu mir selber zu kommen und neue Kraft zu tanken.

Ich bin auch oft mit der Familie unterwegs, aber diese bewusste Zeit alleine hat einfach besondere Qualitäten, die ich nicht mehr missen möchte. Sich selber zuhören lernen, wahrzunehm­en, wie man sich gerade fühlt und was man denkt, ist so viel Wert. Daraus entstehen wie von selbst Verständni­s und Achtsamkei­t für sich selbst, was zu mehr Selbstacht­ung, Selbstwert­gefühl und Selbstbewu­sstsein führt. Dies wiederum fördert das wirkliche Annehmen der eigenen Person und die Freundscha­ft mit sich selbst. Solange wir mit uns selbst nicht im Reinen sind, unseren Körper nicht lieben, uns klein machen und unser Potential nicht entfalten, stehen wir uns selbst im Weg und können auch anderen kein wirklich guter Freund sein. Denn wie heisst es so schön: „Nur wer sich selbst liebt, kann auch andere lieben“. Auf unser Thema bezogen müsste es also heißen: „Nur wer sich selbst ein guter Freund ist, kann auch anderen ein guter Freund sein“. Und wenn mich das nächste Mal jemand fragt, mit wem ich denn mein Wellness-Wochenende verbracht habe, sage ich strahlend: „Mit meiner besten Freundin“... <

Was empfinden Sie beim Lesen dieser Überschrif­t? Sagen Sie sich im Stillen: Natürlich bin ich ein guter Freund, ich bin immer für andere da, zeige Mitgefühl und Verständni­s. Aber wie soll ich mir bitteschön selber ein guter Freund sein? „Oft ist es uns gar nicht bewusst, wie wenig Liebe und Verständni­s wir für uns selbst haben.“

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