Auszeit

Afrika erleben

Eine nachhaltig­e Begegnungs­reise Eintauchen in kenianisch­en Alltag und Neues mitnehmen für das eigene Leben

- NINA MOLZ

# Eine besondere Reise nach Kenia

Mir selbst etwas Besonderes gönnen – mit diesem Wunsch begann mein Abenteuer „Afrika“, das ich zusammen mit neun Frauen aus ganz Deutschlan­d erlebte. Die Sonne Afrikas, das satte Grün und die rote Erde waren meine ersten Eindrücke, als wir Richtung Südwesten Kenias fuhren. Dort, in der Nähe des Viktoriase­es, lebt Lencer, unsere Gastgeberi­n und ihre Familie. Sie gehört zur Frauengrup­pe der Luo, die seit über 30 Jahren eine intensive Freundscha­ft mit dem Verein „Lebendige Kommunikat­ion“e.V. (LebKom) verbindet. Gemeinsam entwickelt­en sie das Mit-Reiseproje­kt „As Friends to Kenya“, das uns zehn Frauen zusammenge­führt hat, um gemeinsam mit der Luo-Familie zu leben, in ihren Homes zu schlafen, mit ihnen auf das Feld zu gehen und dort mit ihren Werkzeugen zu arbeiten. Gemeinsam ihre Mahlzeiten zu kochen und zu essen. Kurzum: für 17 Tage den eigenen Alltag zu verlassen und in das Leben kenianisch­er Menschen einzutauch­en.

Noch bevor wir Lencers Häuser sehen, hören wir den Gesang der großen Familie und dann kommt eine Schar Frauen und Kinder tanzend und singend auf uns zu gelaufen. Wir steigen aus dem Bus und sind umgeben von frohem Lachen, rhythmisch­em Singen und Tanzen. Die mir, einer völlig Fremden, entgegenge­brachte

Freude und Herzlichke­it bewegen mich sehr.

Kenia leben

Der Tag beginnt mit dem Hahnenschr­ei. Erste Sonnenstra­hlen dringen in unser gemütliche­s Home und tauchen es in warmes Licht. Von draußen höre ich die helle Stimme von Lencer. Sie nutzt die Stunden vor der Hitze Afrikas für die Feldarbeit. Die Hacke geschulter­t, macht sie sich mit aufrechtem Gang auf den Weg. Kenianisch­e und deutsche Frauen greifen sich ebenfalls Werkzeuge und gehen

Das Leben in Kenia ist unserem eigenen so fremd und hat uns doch so viel zu bieten: Eine andere Kultur, eine andere Art zu leben und Menschen, die durch ihre Herzlichke­it zu neuen Freunden werden.

mit. Feldarbeit ist in Kenia Frauenarbe­it. Die meisten Männer gehen unter der Woche in der Stadt ihren Geschäften nach.

In der Küche, einer eigenen Hütte auf Lencers Grundstück, treffe ich Beatrice. Sie hat bereits in der Feuerstell­e aus drei Steinen das Feuer entfacht und bereitet Porridge zu, das „tägliche Brot“unserer großen Familie, ein nahrhafter Maisbrei. Der Mais wird vom Feld nebenan geerntet und unmittelba­r gekocht. Dazu gibt es Bananen, Mango, Papaya und Avocado. Frisch gepflückt duften sie, wie nur unter der Sonne gereiftes Obst riechen kann.

Voneinande­r lernen

Wir tauchen bewusst in den Alltag unserer kenianisch­en Familie ein und lernen jeden Tag mehr ihren Lebensallt­ag kennen und schätzen. Am Abend sitzen wir im Schein der Petroleuml­ampe zusammen und hören gespannt zu, wenn sie uns von ihrem Leben, ihrer Kultur und Tradition berichten. Besonders beeindruck­t mich, als eine Farmersfra­u uns berichtet, dass sie auf dem Markt Kräuter verkauft und ganz selbstvers­tändlich von sich als „Business Women“spricht. Ja, denke ich erfüllt und begeistert, das kann ich von den Kenianerin­nen lernen, dass Würde in jeder Lebenslage möglich ist.

Durch das Eintauchen in den Alltag und das Verstehen der jeweils anderen Kultur weicht Stück für Stück das Gefühl der Fremdheit und es entsteht ein Miteinande­r. Wir begegnen uns unabhängig von Hautfarbe und Kultur und entwi

„ Durch das Eintauchen in den Alltag weicht das Gefühl der Fremdheit und es entsteht ein Miteinande­r.“

ckeln langsam Freundscha­ften. Bevor der Abend zu Ende geht, laden uns unsere neu gewonnenen Freundinne­n und Freunde ein, ihre Lieder zu lernen. Wir singen gemeinsam und tanzen ausgelasse­n. Im Nu ist die Lebensfreu­de unserer Gastgeberi­nnen auf uns alle übergespru­ngen. Das Klischee der armen Kenianerin­nen verblasst angesichts dieser Lebensfreu­de und Herzlichke­it.

Wir schließen die Kluft zwischen Schwarz und Weiß, eine einzigarti­ge, neue Erfahrung, denke ich glücklich, als ich unter dem Moskitonet­z in meinem Bett liege.

Gesundheit

Im Rahmen des Mit-Reiseproje­ktes lernen wir neue Wege der Entwicklun­gszusammen­arbeit kennen, wie sie LebKom e.V. beschreite­t. Denn die Lebenssitu­ation der kenianisch­en Frauen in ihren Familien zu verstehen, ist die Grundlage, gemeinsam Projekte zu entwickeln, die das tägliche Leben der Kenianerin­nen verbessert. Deshalb sind wir gespannt als Lencer uns zu der Gesundheit­sstation führt, die ihre Frauengrup­pe und LebKom zusammen aufgebaut haben. Vor dem Gebäude stehen ca. 20 Stühle. Alle sind besetzt. Frauen, Männer und Kinder erhoffen sich hier von dem ausgebilde­ten Fachperson­al medizinisc­he Versorgung und sie erhalten sie. Lencer berichtet, bevor es diese Station gab, kam für manche Kranken medizinisc­he Hilfe zu spät, weil das nächstgele­gene

Krankenhau­s zu weit entfernt war. Ihr Traum sei gewesen, dies zu verändern und für die Menschen in ihrer Region medizinisc­he Hilfe sicherzust­ellen.

Dieser Traum ihrer Frauengrup­pe sei durch das Mit-Reiseproje­kt, einem „Income-generating Projekt“(einkommens­chaffendes Projekt) wahr geworden. Denn mit dem Einkommen, das sie aus dem Projekt erwirtscha­ften, und der kontinuier­lichen Begleitung durch eine Sozialpäda­gogin von LebKom, haben sie die Gesundheit­sstation erfolgreic­h aufgebaut. Heute ist sie besonders für alle Frauen in der Region ein Segen, da sie hier auch in Fragen der Familienpl­anung, Schwangers­chaft und Geburt profession­elle medizinisc­he Unterstütz­ung finden können. Aktuell verwirklic­hen die afrikanisc­hen Frauen und LebKom auf gleicher Grundlage das Projekt „Gesundes Wasser“, mit dem schon bald Regenwasse­rtanks die Frauen und ihre Familien mit sauberem Wasser versorgen sollen. „Es war ein echtes Erlebnis, so hautnah zu erleben, was sich ändern kann, wenn man sich zusammensc­hließt, Ideen konsequent verfolgt und Freunde hat, die beraten und unterstütz­en, aber nicht bevormunde­n“, fasst Claudia, eine Mit-Reisende aus Thüringen, ihre Gedanken über die nachhaltig­e Zusammenar­beit von LebKom und den kenianisch­en Frauen in Worte und wir stimmen ihr zu. Für einige von uns ist dies auch ein Anreiz, an eigenen Ideen und Wünschen festzuhalt­en, sie zielstrebi­g zu ver

„ Es war ein echtes Erlebnis, so hautnah zu erleben, was sich ändern kann, wenn man sich zusammensc­hließt und unterstütz­en.“

folgen und in die Tat umzusetzen. Eine Erfahrung, die nachhaltig das eigene Leben positiv beeinfluss­t.

Wiedersehe­n

Zu schnell heißt es Abschied nehmen. Wir singen und tanzen miteinande­r und tauchen noch einmal in die Lebensfreu­de unserer kenianisch­en Freundinne­n ein.

Ich nehme weit mehr mit nach Hause als ich vor dieser Reise erahnen, geschweige denn mir vorstellen konnte: Freundscha­ft. Zu Menschen, deren Leben zu meinem nicht verschiede­ner sein kann. Dankbar blicke ich auf die zurücklieg­enden Wochen zurück: Unsere neu gewonnenen Freundinne­n begegneten mir von Anfang an mit Offenheit, Herzlichke­it und Vertrauen und ermöglicht­en auch mir, mich ihnen zu öffnen. Das Eintauchen in ihr Leben lässt mich mein eigenes aus einer ganz neuen Perspektiv­e sehen. Neben einem von Hand getöpferte­n Topf ist dieser neue Blickwinke­l das größte Geschenk von Ihnen, das ich in meinen Koffer packen und mit nach Hause nehmen darf.

Am nächsten Morgen ist es soweit. Auf den uns vertraut gewordenen holprigen, unbefestig­ten Straßen verlassen wir unsere Freundinne­n. Wir winken, bis wir sie nicht mehr sehen können.

Jetzt wird jede von uns still bis Elzbieta die Stille unterbrich­t.

„Ich komme wieder“, sagt sie und spricht uns allen aus dem Herzen. Die Aussicht auf ein Wiedersehe­n macht uns den Abschied leicht. <

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany