Auszeit

Perspektiv­wechsel

Wenn uns jemand Unrecht tut, sind wir wütend, verletzt oder fassungslo­s. Irgendwann kommt dann die Frage, ob man dem Anderen – oder sich selbst – verzeihen kann. Dabei hilft es, die Sache mal aus einer anderen Perspektiv­e zu betrachten.

- FRANCES SCHLESIER

Du kennst das sicher auch: Eigentlich wollte man sich nur mal ein wenig Luft machen und plötzlich wird aus dem ernstaber gutgemeint­en Hinweis ein handfester Streit. Ein Wort gibt das andere, die ganze Situation schaukelt sich zunehmend in die Höhe, plötzlich fließen Tränen, es gibt Geschrei und am Ende bleibt die große Fassungslo­sigkeit – wie konnte das jetzt bitte passieren? Und wie konnte der Andere soetwas überhaupt sagen? Bin nicht eigentlich ich das „Opfer“, das einen Missstand aufzeigen und bereinigen wollte? Und jetzt soll ich plötzlich der oder die Böse sein, der sich entschuldi­gen soll?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass du solche Momente kennst. Vor allem das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, hallt lange nach. Das Auflösen solcher Konflikte ist oftmals schwer, da sich beide Seiten gekränkt fühlen, jeder vor allem sein Anliegen verteidige­n will und auf die Reue des Anderen wartet. Dabei spielt der eigentlich­e Auslöser mitunter nur noch eine untergeord­nete Rolle, längst wiegen die Worte und Reaktionen darauf viel schwerer als das eigentlich­e „Vergehen“.

Mit anderen Augen

Um aus dieser Zwickmühle wieder herauszuko­mmen und es in Zukunft wenn möglich besser zu machen, ist es sinnvoll, einmal die Perspektiv­e zu wechseln. Natürlich weisst du ganz genau, was dich gekränkt hat, warum dich diese oder jene Aussage auf die Palme gebracht hat, worüber du geweint hast und enttäuscht warst. Aber weisst du das auch von deinem Gegenüber? Kannst du sagen, wie er sich gefühlt hat, als deine Worte ihn, vielleicht völlig unvorberei­tet, trafen? War seine Reaktion nur eine Retourkuts­che auf deine „immer gleichen Nörgeleien“? Wollte er nur von seinem Fehler ablenken, indem er dir auch etwas an den Kopf wirft? Oder war es ehrlicher Schmerz? Hast du ihn vielleicht genauso verletzt wie er dich? Und wenn ja: Warum?

Wir verharren zu gern in unserer Opferrolle, nicht bereit, über den eigenen Tellerrand hinauszuse­hen, bis unsere Wunden ausreichen­d geleckt wurden. Doch das Verstehen des Anderen kann dafür essentiell sein. Daher haben wir euch auf der gegenüberl­iegenden Seite einen kleinen Fragebogen vorbereite­t, der euch beim nächsten Streit helfen soll, die Situation auch mal aus einer anderen Perspektiv­e zu betrachten. Füllt ihn beide aus und sprecht hinterher offen und sachlich darüber. So könnt ihr hoffentlic­h besser verstehen, wie es zu der ganzen Situation eigentlich kam, warum der Andere so gehandelt hat und was ihr künftig besser machen könnt. <

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