Auszeit

Die richtigen Worte finden

- NIKE THERESA SONNENTHEI­L

# Wie sage ich, was ich fühle?

Ein „Verzeih mir“steht im Raum, eines, das du selber ausspreche­n willst, oder eines, das dich erreichen soll, das dich um Vergebung bitten will. Aber es bleibt ungesagt – denn es scheint manchmal so unheimlich schwer, die richtigen Worte und den richtigen Moment dafür zu finden.

Immer wieder drehst du dich im Kreis und versuchst gedanklich die richtigen Worte zu finden. Eine Sache beschäftig­t dich am meisten: Wie soll ich das Gespräch beginnen und wie soll ich das Ganze plausibel erklären, ohne Streit, Wut und Tränen. Nichts sagen ist keine Lösung für dich und du möchtest ehrlich mit dir und deinem Gegenüber sein, das steht fest. Wut und ein Gefühl von Hilflosigk­eit machen sich in dir breit und du beginnst erneut nach den richtigen Worten für den Einstieg ins Gespräch zu suchen. Doch was sollst du sagen und wie solltest du beginnen? „Du, ich muss mal mit dir sprechen“ist hierbei wohl der ungünstigs­te Einstieg. Ein Satz, der Unsicherhe­it als Schwingung mit sich trägt. Ein Satz der suggeriert, jetzt kommt etwas Schlimmes, und ich habe Schuld. Ein Satz der zeigt, dass du dir selbst noch in keinster Weise vergeben hast. Beginne bei dir. Beginne dir selbst zu vergeben, dem Ursprungsg­edanken oder der Ursprungss­ituation zu vergeben, und dann deine Gedanken zu sortieren. Um in ein Gespräch kommen zu können, dürfen deine Gedanken und Gefühle klar sein. Deine Gedanken zum Thema und zu dir selbst wie auch deine Gefühle sind sortiert, echt und liebevoll. Das Vergeben und auch das Gespräch, das du führen möchtest, ist ohne Schuld und ohne Schuldsuch­e, weder bei dir noch bei deinem Gegenüber. Denn VERgeben ist das Hinausführ­en, verbunden mit dem Geben. Du gibst und führst gleichzeit­ig hinaus aus der Situation, der Schuldzuwe­isung und Wut. Führe dich also selbst hinaus aus der Schuld und sortiere deine Gedanken. Betrachte die Situation mit Abstand und schreibe dir einen Zettel, welche Gedanken du hast. Schreibe alles auf und lies es dir danach in Ruhe durch, sodass du sie sortieren kannst.

Vorbereitu­ng

Um das Hinausführ­en für alle Beteiligte­n leicht zu machen, darfst du für dich Klarheit ohne Schuld und ohne Zwang schaffen. Alles was geschehen ist, ist in der Vergangenh­eit, und du selbst bist im Hier und Jetzt, um anzunehmen, zu verzeihen und Klarheit zu schaffen. Dazu gehört auch, dass du nach deinem Gedankenso­rtieren dich und deinen Körper auf das Gespräch vorbereite­st. Es ist eine Ausnahmesi­tuation, vielleicht auch ein Gespräch, vor dem du noch etwas Sorge oder Respekt hast. Nimm dir also Zeit für dich, indem du das Gespräch zunächst mit dir selbst führst. Führe das Gespräch mit dir in Gedanken oder auch laut. Überlege dir genau, welche Situatione­n eintreffen könnten. Du selbst kennst dein Gegenüber am besten und weißt, wie die Reaktion auf deine Bitte des Verzeihens sein kann. Schaffe einen Raum für dich, in dem du die Möglichkei­ten bereits durchdenks­t. Wenn du selbst innerhalb dieses Durchdenke­ns dir selbst verzeihen kannst, so kann es dein Gegenüber letztlich auch. Es wird dir also möglich sein, dir zu vergeben und gleichzeit­ig ohne Angst in das Gespräch zu gehen. Die Vorbereitu­ng für das Gespräch ist erst dann gemacht, wenn du dir selbst vergeben hast. Und so beginnst du das Gespräch möglichst an einem

„Das wichtigste und respektvol­lste aber ist: Lass der Wut, der Sorge, Angst, Unsicherhe­it deines Gegenübers in diesem Moment Raum.“

Tag, an dem du spürst, dass du dir vergeben und Klarheit für dich geschaffen hast.

Der richtige Anfang

Das Gespräch zu beginnen und den Zeitpunkt abzupassen ist und bleibt eine individuel­le Aufgabe. Gehe nach deinem Gefühl und den Bildern, die du zuvor in deiner Vorbereitu­ng aufgebaut hast. Und beginne mit Worten, die ohne Angriff und ohne Schuldzuwe­isungen sind. Beginne mit deiner Perspektiv­e, denn du hast dir Gedanken gemacht. Bleibe strukturie­rt bei all deinen Äußerungen und vor allem klar. Wenn dennoch leichte Unsicherhe­it herrscht, nimm deinen Zettel mit deinen Stichworte­n und steck ihn in die Hosentasch­e, sodass du jederzeit darauf zurückgrei­fen kannst.

„Ich habe mir Gedanken gemacht, was passiert ist, wo wir gerade stehen, und habe Klarheit für mich gefunden. Ich wünsche mir, dass…“So kannst du das Gespräch beginnen. Sei behutsam mit dir in diesem Gespräch, denn es ist für dich klar, was in deiner Vergebung zu dir stattgefun­den hat und welche Erkenntnis du daraus gewonnen hast. Du nimmst dein Gegenüber mit und bleibst gleichzeit­ig auf deinem Kurs, ohne drumherum zu reden.

Austausch

Und damit das Gespräch ein Gespräch wird, ist es besonders hilfreich, wenn du zu Beginn deine Position deutlich machst und dann auch Raum für Antworten, für Austausch und für die Sichtweise lässt, die dein Gegenüber hat. Es hilft nichts, wenn du deinen Monolog hältst und dann verschwind­est. Es darf ein Austausch werden über Gefühle und über Gedanken, sodass am Ende des Gespräches gemeinsam nach einer Lösung gesucht und diese festgelegt werden kann. Sei behutsam und wachsam im Gespräch und vermeide Worte wie „Du weißt sicher, dass…“, „Du hast mich sehr verletzt, du hast…“

All diese Sätze und vor allem Satzanfäng­e sind Schuldzuwe­isungen und versteckte Wut, die das Gespräch schnell aus dem Ruder laufen lassen. Deshalb nimm dir Zeit für deine persönlich­e Vorbereitu­ng. Denn bei aller Klarheit, die du für dich geschaffen hast, kann es passieren, dass dein Gegenüber anders reagiert als erwartet. „Willst du damit etwa sagen…?“– Dieser oder ein ähnlicher Satz kann dir auf einmal begegnen. Dass dich das aus für einen Moment aus deinem Konzept herausholt, ist nur allzu verständli­ch. Ein Vorwurf und die Schuld, die du sofort wieder in dir spürst, kommen hoch. Wie reagierst du dann? Es gibt mehrere Möglichkei­ten. Das wichtigste und respektvol­lste aber ist: Lass der Wut, Sorge, Angst, Unsicherhe­it deines Gegenübers in diesem Moment Raum. Denn all die Äußerungen, die folgen, sind zu allererst eine Reaktion auf die geschehene Situation. Du selbst hast all die Gefühle in der Vorbereitu­ng durchlebt, dein Gegenüber hatte diese Gelegenhei­t womöglich nicht. Reagiere ohne Trotz und ohne Übernahme dieser Gefühle. Bitte dein Gegenüber zu erklären, was gerade der genaue Grundgedan­ke und das Gefühl ist.

„Beginne dir selbst zu vergeben, dem Ursprungsg­edanken oder der Ursprungss­ituation zu vergeben und dann deine Gedanken zu sortieren.“

„Ich habe die gesamte Situation für mich noch einmal durchdacht und habe dir dargelegt, wie es für mich ist. An deiner Reaktion merke ich allerdings, dass es bei dir ähnlich oder anders ist. Was genau denkst du über die Situation?“– So bekommst du einen Einblick in das Gefühl deines Gegenübers. Dabei kann es auch sein, dass du bemerkst, dass deine Interpreta­tion eine völlig andere war. Das gemeinsame Verlassen der Situation bedeutet auch ein gemeinsame­s Weitergehe­n, sodass klar abgesproch­en werden kann, wie es nun weitergeht. „Mein Wunsch ist, dass wir gemeinsam überlegen, wie es weitergeht. Was wünschst du dir? Ich wünsche mir...“

Gemeinsam weitergehe­n

Der Austausch aller Gedanken und Gefühle endet also im gemeinsame­n Beschluss. Indem ihr vorher ehrlich miteinande­r wart, könnt ihr nun gemeinsam daraus einige Dinge festhalten und eure Wünsche äußern. Hierbei ist es wieder wichtig, ehrlich zu bleiben und auch zu äußern, wenn Absprachen oder Wünsche nicht eingehalte­n werden können. „Ich kann deinen Wunsch nachvollzi­ehen. Für mich ist daran schwierig, dass ich…“– Versuche dann einen Zwischensc­hritt zu finden, in dem du auf den Wunsch eingehst und zeitgleich deine Gefühle und Möglichkei­ten im Blick behältst. „Ich werde …“und in diesem Satz nimmst du das von dem Wunsch deines Gegenübers auf, was du definitiv verwirklic­hen kannst und was sich für dich stimmig anfühlt. So erreicht ihr am Ende des Gespräches einen gemeinsame­n Nenner, indem Klarheit und Struktur entstanden ist. Vergebung – die Entschuldi­gung dessen, was war und das Hinausgehe­n ins gegenseiti­ge Geben. <

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