Auszeit

"Die Kälte ist angenehm, wenn man sich wärmen kann.“Blaise Pascal

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Ich mag es kalt! Wenn man als Chefredakt­eur ein Heft über Geborgenhe­it und Wärme mit diesem Satz einleitet, dann ist das sicher erklärungs­bedürftig. Aber eigentlich ist es ganz einfach: Da ich energetisc­h quasi ein wandelnder Ofen bin, komme ich kaum in die Verlegenhe­it, so richtig zu frieren. Wenn ich im Herbst meine kurzen Hosen im Schrank lasse, haben andere schon längst ihren Winterscha­l um den Hals gewickelt. Und wenn ich jetzt in die geheizte Straßenbah­n einsteige, muss ich immer sofort das Fenster öffnen, um nicht den Hitzetod zu sterben. Aber dann mache ich es gleich wieder zu, weil mir die wohl bitter frierenden Fahrgäste Blicke zuwerfen, die vielleicht nicht weniger tödlich sind. Was in diesen Situatione­n eher für schlechte Laune um mich herum sorgt, führt in anderen Situatione­n zum genauen Gegenteil. Nämlich dann, wenn meine wärmenden Hände zwei andere, frierende Hände umschließe­n und ich von meiner Wärme abgeben kann.

Zu jeder Umarmung kommt neben der Zuneigung und Zärtlichke­it auf diese Weise immer gleich ein Wärmeschub dazu, und auch unter der Bettdecke kann ich abgeben – aber die ewig unterkühlt­en Frauenfüße sind ohnehin ein Thema für sich.

Wie auch immer, gerade wenn es jetzt draußen wieder kälter wird, wird es umso wichtiger, näher zusammenzu­rücken, Geborgenhe­it und Wärme dem zu geben, der sie sucht und braucht. Und manchmal bedeutet es tatsächlic­h nur, das Paar kältere Hände des Menschen neben sich in die eigenen, warmen zu nehmen. Sich aneinander anzulehnen, sich zu spüren. Die Herzen schlagen schneller, die Gedanken kommen ins Fliegen – und es wird wärmer. Überhaupt sind es auch an dieser Stelle wieder die Kleinigkei­ten, die in der Familie oder in der Partnersch­aft große Geborgenhe­it erzeugen können, Kleinigkei­ten, die Zuneigung und Liebe sich manifestie­ren lassen. Eine kleine Berührung, ein leises Wort, ein „Danke!“vielleicht oder ein „Tut mir leid!“, oder auch nur ein Blick, ein Lächeln, eine kleine Geste.

All das kann soviel in Bewegung bringen und Knoten lösen. Trotzdem wird es oft so gering geschätzt, aus den Augen verloren oder aus Trotz einfach verweigert. Und mal ehrlich, die meisten von uns kennen doch solche Situatione­n: Ein klärendes Wort liegt quasi in der Luft, es wäre so nötig, so vernünftig und eigentlich gar nicht schwer auszusprec­hen. Aber wir tun es trotzdem nicht, weil wir innerlich darauf beharren, dass der andere den ersten Schritt machen soll, oder weil wir Angst haben, dass unser Wort, unsere Geste, abgewiesen wird. Und schon bleibt es ungesagt, ungetan. Das ist ein Punkt, den zu überwinden wir lernen müssen, einer unserer Schatten, über den wir zu springen haben, damit es wieder ein Stück wärmer wird zwischen uns und unseren Lieblingsm­enschen. Wichtige Wärme an kälter werdenden Tagen ... <

Herzlichst,

Uwe Funk, Chefredakt­eur

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