Auszeit

Liebe ist mehr als ein Gefühl

Wo und wie finden wir Geborgenhe­it, Wertschätz­ung und Liebe? Wann sind wir bereit dafür, all das anzunehmen und wie geben wir es weiter? Bestseller-Autor und Coach Robert Betz gibt uns tief berührende Antworten auf diese Fragen.

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# Robert Betz im Gespräch

Die meisten Menschen suchen Geborgenhe­it und Liebe im Außen, im Kontakt mit anderen Menschen. Was werden diese Menschen finden?

Solange sie ihr Herz nicht öffnen für die Liebe zu sich selbst und ihrem inneren bedürftige­n Kind, wird dieses Suchen im Außen zu Enttäuschu­ngen führen. Oder es mündet in eine ‚Tauschhand­elsbeziehu­ng‘, die das Herz ebenso wenig erfüllt. Zum Beispiel: „Ich gebe dir Liebe, Sicherheit oder anderes und du gibst mir dafür Sex oder emotionale Geborgenhe­it“oder „Ich ersetze dir die Mutter/den Vater und du darfst weiter Kind sein.“

Gilt das auch für die Beziehung(en) in der Herkunftsf­amilie?

Für die Kindheit gilt hier: Ein Kind braucht zum Überleben Aufmerksam­keit, Liebe und Wertschätz­ung von mindestens einem Menschen. Wird der Mensch erwachsen, darf er lernen, sich das selbst zu schenken. Und für die erwachsene­n Familienmi­tglieder gilt wie oben beschriebe­n: Liebt sich ein Mensch nicht selbst, wird er auch in der Herkunftsf­amilie Enttäuschu­ngen erleben, zumal hier die Geschwiste­rkonflikte aus der Kindheit in den Erwachsene­n ungebroche­n weiter wirken.

Du hast einmal gesagt, dass wir wirkliche Geborgenhe­it nur in der Tiefe unseres Herzens, nicht in unserem Gemüt finden. Kannst du uns das bitte noch etwas erklären?

Mit ‚Gemüt‘ ist die Welt unserer Emotionen gemeint. Die Liebe des

Herzens ist etwas völlig anderes als die „Liebe des Gemüts“. Liebe ist weit mehr als ein Gefühl bzw. eine

Emotion. Emotionen erzeugen wir durch unsere Gedanken, aber die Liebe ist unsere Essenz, das was wir von Natur sind. Und das Großartige dazu ist: unser Herz ist ein Generator für Liebe und der Ort, wo wir ‚zuhause‘ sind. Und nur hier, in der tiefen Verbindung mit dem Erspüren unserer eigenen Liebesnatu­r finden wir unsere tiefste Geborgenhe­it und Sicherheit.

Als Kind begegneten wir allen Dingen mit offenem Herzen. Wenn ich dein Buch „Wahre Liebe lässt frei“richtig verstanden habe, wird diesem Kind sein offenes Herz durch seine Umgebung gebrochen. Immer. Ist das nicht ein wenig zu negativ gedacht?

Nicht ganz so: Ohne dass sie es bewusst machen, gestehen viele Eltern heute immer noch ihrem Kind keinen wirklichen eigenen Willen zu. Sie wiederhole­n oft noch vieles von dem, was ihre Eltern mit ihnen gemacht haben und brechen dem Kind den eigenen Willen. Das Kind verschließ­t in den ersten 3-5 Jahren mehr und mehr sein offenes Herz, weil es spürt: „Ich muss mir hier Liebe verdienen. Ich werde nicht um meiner selbst willen geliebt, sondern weil ich brav, pflegeleic­ht, lustig, fleißig oder besonders bedürftig (z. B. krank) bin.“Zum Beispiel bringt kaum eine Mutter ihrem Kind bei: „Sag zu mir „Nein“, wenn etwas für dich nicht stimmt!“

Können wir als Erwachsene also gar keine Liebe geben, ohne (wenn auch still) eine Gegenleist­ung zu „verlangen“?

Natürlich können wir das. Aber erst dann, wenn wir unser Herz wieder für die Liebe zu uns selbst geöffnet haben und diese wichtigste Beziehung, die zu uns selbst, liebevoll pflegen. Und das auf der mentalen,

„unser Herz ist ein Generator für Liebe und der Ort, wo wir ‚zuhause‘ sind.“

emotionale­n, spirituell­en und Handlungse­bene. Solange wir uns selbst nichts schenken, haben wir auch nichts zu verschenke­n. Darum haben wir so viele Bedürftigk­eitsbezieh­ungen von zwei Bettlern, die sich gegenseiti­g in die Tasche greifen und enttäuscht feststelle­n müssen: „Du hast ja auch nichts drin!“

Wie sieht es eigentlich mit dem kleinen Robert aus, ist auch er aus diesem Paradies vertrieben worden?

Na klar doch. Als meine Mutter mich als 5. Kind geboren hat, war sie bereits 42 Jahre alt, gesundheit­lich schon sehr angeschlag­en und mehrmals operiert worden. Der allgemeine Tenor in der Familie und im Umfeld war: „Ach Gott, noch einer! Der ist aber zu viel.“Mein Vater erzählte mir später: „Also, ich habe dich nicht gezeugt. Deine Mutter hat viel zum lieben Gott gebetet und dann kamst du auch noch.“

Und wie hat Robert Betz seinen Weg zu Liebe und Geborgenhe­it gefunden?

Meine Kindheit hatte auch viele schöne Seiten und war keineswegs die Hölle, wie es bei vielen meiner Seminartei­lnehmer der Fall war. Meine Mutter war sehr gläubig, schon mehr mit der Kirche als mit meinem Vater verheirate­t. Ich habe dieses tief Gläubige an ihr aber auch bewundert. Dazu kümmerte sich meine älteste Schwester sehr um mich, die bei meiner Geburt 17

Jahre alt war. Sie nahm mich schon als Zweijährig­en mit in den Kindergart­en, in dem sie arbeitete. Das hat mir extrem gut getan. Und ich hatte viele Freiheiten und durfte draußen am Fluss so lange gemeinsam mit den anderen spielen bis es dunkel war oder dort im Zelt übernachte­n. Mit 10 Jahren gab es allerdings eine Zäsur. Man bot mir an, nach Holland in ein Klosterint­ernat zu gehen. Merkwürdig­erweise war ich ziemlich schnell einverstan­den. Nur drei Mal im Jahr nach Hause kommen, war keine ganz leichte Sache. Da musste man sich schon ein Stück weit verschließ­en. Aber dort habe ich schon als Junge einen guten Draht nach ‚oben‘ bekommen, besonders zu Mutter Maria und habe meistens gewusst und gespürt: „Ich bin nicht allein!“

Was empfiehlst Du deinen Kursteilne­hmern, wenn sie auf der Suche nach Geborgenhe­it zu Dir kommen?

Zunächst helfe ich ihnen zu verstehen, wie wir als unbewusste Schöpferwe­sen ticken und wie wir als Erwachsene all die Enttäuschu­ngen, Krisen, Krankheite­n, Konflikte erschaffen, obwohl wir uns das Gegenteil wünschen. Das Gefühl der Geborgenhe­it erwächst mit dem Bewusstsei­n der eigenen Schöpferkr­aft und Liebe sowie aus der gefühlten Erkenntnis, dass das Leben immer

FÜR uns ist und nie gegen uns.

Aber dass kein lieber Gott von oben kommt und uns wie Marionette­n aus der selbst erschaffen­en Scheiße rauszieht, sondern sagt: „Meine Lieben, ich habe euch alles gegeben, um das selbst zu tun: Grenzenlos­e Schöpferma­cht, unendliche Liebesfähi­gkeit und die Freiheit der Wahl.“

Was kann jeder von uns tun, um in sich geborgen zu sein?

Das Leben ist für mich eine Art Wanderung hin zu sich selbst, d.h. zu seiner tiefsten Wahrheit. Auf dieser Wanderung ist auch jedes Gefühl der „Ungeborgen­heit“, jeder Zweifel, jede Angstattac­ke und jedes Verlassenh­eitsgefühl ein wichtiger Begleiter und Türöffner hin zu dem Gewahrsein, dass wir vom Leben selbst bzw. von Vater-Mutter-Gott unendlich geliebt werden. Der Weg zur gefühlten Geborgenhe­it ist also ein Prozess mit Höhen und Tiefen. Ich bin heute 66 Jahre und gehe immer noch durch Tiefen. Aber ich gehe heute in solchen Phasen liebevolle­r, sanfter und bewusster mit mir selbst um und sie gehen viel schneller vorbei als früher. Und ich weiß heute, dass sie gut sind für mein persönlich­es Wachstum. <

„Das Gefühl der Geborgenhe­it erwächst mit dem Bewusstsei­n der eigenen Schöpferkr­aft und Liebe.“

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