Auszeit

My Home Is My Castle

Hast du dir schon einmal die Frage gestellt, welches Zuhause zu dir passt? Was bedeutet für dich zu Hause? Wie müssen deine vier Wände beschaffen sein, um dich wirklich geborgen zu fühlen? Welche Wohnbedürf­nisse hast du?

- CORNELIA THALER

# Zwischen Sicherheit und Abschottun­g

Zu Hause sein. Sich geschützt und geborgen fühlen. Gut aufgehoben sein. Das eigene Heim ist weitaus mehr als nur zwei Zimmer, Küche, Bad. Räume prägen uns und unsere Gefühlswel­t. Wir bauen eine emotionale Beziehung zu den Räumen und Gegenständ­en auf. Unser trautes Heim muss nicht spektakulä­r groß sein oder komfortabe­l, sondern zu uns und unserer Geschichte passen. Der Wohntraum von einem heimeligen Wohnraum, das uns beschützt und stützt, das uns umfängt

wie eine dritte Haut, entspringt unserem tiefen Bedürfnis nach Ankommen und Geborgenhe­it.

Let it shine. Für mich muss eine Wohnung lichtdurch­flutet sein. Ich brauche einen schönen Blick nach draußen. Und ja, Natur ist mir wichtig. Lieber eine Behausung im Grünen als mitten in der Stadt. Stille. Ich wohne nach dem Prinzip „Weniger ist mehr“: Für Nippes kein Zutritt! Im Gegenteil: Ausgeglich­ene Klarheit im Design ist die beste Voraussetz­ung, um innerlich ruhig und aufgeräumt zu bleiben. Außerdem halte ich mich gerne oben auf. Mag daran liegen, dass ich meine Kindheit in einem Hochbett verbracht habe. Außerdem birgt das Oben-Wohnen die Gefahr von Fersenläuf­ern, die mich ausgesproc­hen rappelig machen. Ein kleiner Tick meinerseit­s: Bevor ich in eine Wohnung einziehe, erkundige ich mich nach Hausmusike­rn. Eine langjährig­e Ko-Existenz mit einer Musiklehre­rin, die wie ein Serientäte­r 15.00 Uhr mit 3.00 Uhr verwechsel­te, hinterließ ein Trauma… Jawohl, bis ich die für mich geeignete Wohnung gefunden habe, zieht viel Zeit ins Land. Geborgenhe­it ist eben viel mehr als nur ein Dach über dem Kopf.

Spiegel unseres Selbst

Die Beziehung zu unserer Wohnumgebu­ng ist sehr intim. Die Auswahl an Wohnobjekt, Raumgröße, Raumauftei­lung, Farben, Materialie­n, Möbeln, Accessoire­s und Pflanzen verrät viel über unsere Persönlich­keit. Das können angenehme Selbstbild­nisse sein: Wow, soviel Erdung und Nestwärme steckt in mir?! Die Botschafte­n können aber auch erschütter­nd sein: Was, dieses gestaltlos­e Nebeneinan­der von

Möbeln und Krimskrams bin ich?! Zwischen unserer Behausung und unserer Identität besteht ein starker Zusammenha­ng. Der eigene Raum ist quasi eine Erweiterun­g unseres Selbst. Wir umgeben uns mit Gegenständ­en, die mit bestimmten Bedeutunge­n versehen sind. Der gemütliche Polsterses­sel von Tante Änne, das eigenhändi­g getischler­te Holz-Herz, die gemütliche Lümmelecke mit Felen und Kissen, die Blumentape­ten, die uns an unsere Kindheit erinnern lassen. Das erfühlte Museum unseres Lebens gibt uns Halt, wodurch in uns ein größeres Geborgenhe­itsgefühl und Selbstbewu­sstsein entsteht. Es entsteht eine tiefe Verbindung zwischen uns und den Räumen, die wir bewohnen.

Die Spuren der Kindheit

So manches Wohn- und Wohlfühl-Gefühl wurzelt in unseren Kindheitse­rfahrungen. Die Räume unserer Kindheit prägen uns. Sie werden zu Prototypen und bestimmen, welche Art von Wohlfühlzu­hause wir mögen. Insbesonde­re die ersten sechs Lebensjahr­e spielen eine große Rolle dafür, in welchen Umgebungen wir uns später wohlfühlen und in welchen nicht. Unser Kinder

„DER TRAUM VON EINEM HEIMELIGEN WOHNRAUM ENTSPRINGT UNSEREM TIEFEN BEDÜRFNIS NACH ANKOMMEN UND GEBORGENHE­IT.“

zimmer, das familiäre Wohnzimmer, die Küche der Großeltern, die Bude auf dem Dachboden, das Baumhaus im Garten, unsere erste eigene Wohnung... All diese Orte hinterlass­en Spuren in unserem Unbewusste­n und lenken von dort unsere Wahrnehmun­g von Räumlichke­iten. Die vertraute Biedermeie­r-Einrichtun­g oder der Orient-Teppich können ein behagliche­s Wärmegefüh­l in unserer Brust auslösen. Weil wir in ihnen als Kind unvergessl­iche Momente des (Heimat-)Glücks erlebt haben.

Sicherheit

Zuhause wollen wir uns sicher und geborgen fühlen. In einer zuneh

mend unsicheren Welt, in der sich die Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlich­keit zunehmend vermischen, ist die eigene Wohnung der absolute Schutzraum. Entspannt und geschützt vor den Unwegsamke­iten des Lebens. Gewarnt sei allerdings vor einem Zuviel an Abgrenzung! Je mehr wir uns isolieren, desto mehr sinkt die soziale Sicherheit und damit das Geborgenhe­itserleben. Gefahrenpu­nkt: Vereinsamu­ng! Dagegen funktionie­rt das Leben in Großfamili­en oder in Stämmen wie ein psychother­apeutische­s Auffangbec­ken. Die Geborgenhe­it entsteht hier durch die Gemeimscha­ft.

Ins Zwiegesprä­ch gehen

Doch längst nicht jeder von uns fühlt sich daheim auch wirklich angekommen. Wohlbefind­en stellt sich nicht von allein ein, sondern ist vielmehr auch eine Frage des persönlich­en Engagement­s. Was können wir konkret tun, wenn wir mit unserem Daheim nicht warm werden? Wenn es wie ein kratzender Pulli nicht richtig sitzt? Wie können wir herausfind­en, was uns fehlt? Für ihr Buch „House as a Mirror of Self“forderte die amerikanis­che Architektu­rprofessor­in Clare Cooper Marcus ihre Interviewp­artner dazu auf, mit ihrer Wohnumgebu­ng in einen Dialog zu treten und dadurch die Beziehung zu ergründen. Und tatsächlic­h:

Wenn wir aufmerksam zuhören und unsere Sinne schärfen, kann ein solches Zwiegesprä­ch ausgesproc­hen aufschluss­reich sein: Warum, liebes Zuhause, gebe ich mir keine Mühe, dich herzuricht­en? Wo steckt hier meine Kindheit? Woran erinnert mich diese Tapete, diese Garnitur, diese Raumauftei­lung? Sind es schöne oder traurige Erinnerung­en? Mag ich eigentlich die Dinge, die mich umgeben oder sind sie nur „Selbstläuf­er“? Auf diese Weise finden wir heraus, was wirklich zu uns passt und uns mit positiven Gefühlen auflädt.

Endlich an(ge)kommen!

Je mehr Antworten wir dem Kellergewö­lbe unseres Gedächtnis­ses entlocken, desto mehr können wir zu uns selbst finden. Tatsächlic­h habe ich auf diese Weise meiner ersten Wohnung Leben eingehauch­t. Lange Zeit fühlte ich mich dort fremd und unbehaglic­h. Im Gespräch mit ihr stellte ich die Frage: Warum bist du so blass, kalt, nackt und leblos? „Ziehe mich doch an, lade Menschen ein, sammle mit und in mir bunte Erfahrunge­n, fülle die Bude mit Leben“, lautete die Antwort. Gute Gefühle sind eben keine Solo-Projekte. Ich holte mir die Wärme meiner Umwelt in meine eigenen vier Wände. Das war die Eingangstü­r zum Haus der eigenen Geborgenhe­it. <

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