Magie der Winterlichter
Funkelnde Lichterketten an den Häusern, sanftes Laternenlicht, Schwippbögen in den Fenstern und heimeliges Kerzenlicht – der Winter ist die Zeit eines zauberhaften Lichterspiels, das die Seele bei Minusgraden wohlig wärmt.
# Farbenspiel in der Dunkelheit
Spätestens im November ist es soweit: Die Tage werden spürbar kürzer, auf ein paar goldene Herbsttage mit noch einmal fast sommerlichen Temperaturen folgt das unbeständige Wetter und die Kälte, die sich wie ein Nebelschleier über die
Welt legt und sie zur Ruhe zwingt. Vorbei ist die Zeit der ausgelassenen Sommertage, an denen man bis tief in der Nacht mit Freunden im Park saß und vor Tatendrang fast platzt. Denn mit der Kälte kommt auch die Dunkelheit und mit ihr das Gefühl, dass der Winter uns nicht nur das Licht, sondern auch einen guten Teil unserer Energie raubt. Doch mit dieser Ansicht tun wir dem Winter reichlich Unrecht, immerhin ist er die einizige Zeit im Jahr, die es uns ermöglicht, ein ganz besonderes Farbenspiel zu genießen und sich zu fühlen, als hätte man doch einen Weg durch den Kaninchenbau ins Wunderland gefunden.
Sanfte Ruhe
Es ist gerade mal später Nachmittag, da verdunkelt sich bereits der Himmel, die Sonne verschwindet hinter dem Horizont und die Nacht legt sich über die Stadt, wie eine weiche Decke. Eingemummelt in dicke Mäntel huschen wir über die Straßen, nur schnell nach Hause und raus aus der Kälte. Und dabei verpassen wir nur allzu leicht die vielleicht malerischste Seite unserer Umgebung, die sich eben nur im Winter zeigt. Sobald das Licht schwindet, treten die zahllosen Laternen ihren Dienst an, die die winterlichen Straßen mit ihrem warmen Licht erhellen. Sind diese dann auch noch von einer leuchtend weißen Schicht aus Schnee
bedeckt, entwirft sich ein zauberhaftes Bild, das einem Märchenbuch entsprungen sein könnte. Alle Hektik, alle Betriebamkeit scheint verschwunden. Die Ruhe, die Mutter Natur ihrer Schöpfung im Winter auferlegt, legt sich wie von selbst auch auf unser Gemüt, das nur allzu oft rastlos umherwankt. Der Winter ist die Zeit der Einkehr, innerlich wie äußerlich, und nichts lässt uns das so sehr spüren wie winterlich verschneite Straßen, die einem scheinbar ganz allein gehören und die im warmen Schein der Lichtkegel so friedlich wirken, wie zu keiner anderen Zeit im Jahr.
Ganz als würden sie sagen, dass wir all unsere Sorgen einfach mal vergessen sollten.
Lichterspiel
Einen ganz besonderen Charme bringt die Adventszeit mit sich. Denn in diesen Tagen erhellen nicht nur die Straßenlaternen die Dunkelheit, sondern auch zahllose Lichterketten, die an den Häusern angebracht sind. Ob klassisch gelb oder kunterbunt, ob als einfache Bögen zwischen den Fenstern gespannt, als blinkende Eiszapfen am Balkon, um den Baum gewickelt oder zu einer kunstvollen Figur geformt – sie alle sorgen für ein Gefühl der Behaglichkeit und Zuneigung, denn hinter jeder aufgehängten Glühbirne steckt ein paar Hände, dass diese liebevoll dekoriert und die Stadt damit zum Strahlen gebracht hat. Hinzu kommen all die Schwippbögen, kleinen Lichter und Kerzen in den hell erleuchteten Fenstern, die einem zeigen, dass die Welt voller Leben und Wärme ist, selbst wenn man gerade ganz allein auf den Straßen unterwegs ist.
Ich selbst ermahne mich schon seit einigen Jahren dazu, beim Abarbeiten meiner To-Do-Liste nicht einfach nur mit gesenktem Kopf durch die Straßen zu rennen, sondern mir immer auch die Zeit zu nehmen, all das zu bewundern. Und es ist jedes Mal wieder ein herrliches Gefühl, einfach mal stehen zu bleiben und all die vielen bunten Lichter auf sich wirken zu lassen. Man weiß nie, was man als nächstes zu sehen bekommt, wenn man um eine Ecke biegt. Werden die Laternen in der Innenstadt wieder in Sternschnuppenform leuchten? Wird diese eine Gasse wieder von einem Lichternetz
überspannt sein, sodass man das Gefühl hat, unter einem Lichterzelt hindurch zu spazieren? Wird es auf dem Weihnachtsmarkt wieder dieses herrliche, alte Karussel geben, das einen schon beim Zusehen in Verzückung versetzt?
So groß die Vorfreude bei mir jetzt schon ist, sie wird nichts sein im Vergleich zu der Faszination, mit der mein Sohn all das wieder bestaunen wird. Für ihn ist der Gang durch dieses Lichterspiel tatsächlich wie ein Abstecher ins Wunderland. Er freut sich über all die Lichter, zeigt mir hibbelig all die Figuren, die er finden kann und bleibt mit staunend geöffnetem Mund vor den Schaufenstern der Läden stehen und bewundert all die bunten Kugeln, Pakete, Tannenbäume und Schneemänner. Fährt dann auch noch eine kleine Lokomotive
durch das Ensemble, ist es fast unmöglich ihn zum Weitergehen zu überreden. Die Kälte, über die wir uns zu Beginn des Winters meist so leidenschaftlich beklagen, spielt dann gar keine Rolle mehr. Im Gegenteil. Sie verleiht dem Lichterspiel erst den richtigen Glanz – und der wärmt die Seele auf eine Art und Weise, wie es nur bei Minusgraden geht.
Heimelig
Diese verzauberte Welt, die wir in der Vorweihnachtszeit nur allzu gern auf den Straßen bestaunen, wollen wir natürlich auch in unseren eigenen vier Wänden haben. Zumindest die Meisten von uns. Und so werden Schwippbögen in die Fenster drapiert, bunte Sterne aufgehangen, Schneekugeln aufs Regal gestellt und Lichterketten angebracht, wo auch immer sie uns passend erscheinen. Wir holen das weiße Wintermärchen zu uns nach Haus und werden damit zugleich Teil der großen Kulisse, die wir draußen so gern bewundern.
Auf diese Weise schaffen wir uns einen besonders heimeligen Platz, an den wir uns gern zurückziehen. Hier finden wir die Ruhe, Stille und Besonnenheit, die uns in den wärmeren Tagen manchmal fehlt, weil es uns stets nach draußen treibt. Im Winter aber ist das eigene Zuhause ein kuscheliges Reich, in das man nicht nur deshalb gern einkehrt, weil man Wind und Wetter entkommen will, sondern weil es einem um diese Jahreszeit so leicht fällt, den Stress des Alltags vor der Tür zu lassen und sich zu entspannen, sobald diese ins Schloss gefallen ist. Denn während man im Sommer oft erst am Abend
heimkommt, um zuvor das Wetter möglichst ausgiebig zu genießen, verbringen wir in der kalten Jahreszeit doch deutlich mehr Zeit zu Hause – und das nicht nur, weil irgendwann jeder mal nach Hause muss, sondern weil wir es wollen.
Nach Hause kommen
Wer nach einem längeren Weg durch die winterliche Kälte endlich den Schlüssel im Schloss umdreht, fühlt trotz all der Schönheit draußen eine ungemeine Erleichterung, endlich wieder ins Warme zu kommen. Was könnte es da schöneres geben, als sich mit einem guten Buch und einer Tasse Tee auf die Couch zu kuscheln und die Ruhe zu genießen, umgeben von wohlig-weichem Licht, das nicht nur den Raum erhellt, sondern die Gedanken gleich mit? Wie von Zauberhand erscheint uns die Welt in dieser Atmosphäre weit weniger bedrückend, als sie sich vielleicht noch am hellichten Tag zeigte. Das ist Balsam für die Seele, denn Zuversicht
gibt uns die Kraft für all die Aufgaben und Hürden, die wir in unserem Alltag zu nehmen haben. Vor allem aber verleitet uns diese Atmosphäre auch dazu zu träumen, also etwas, wofür wir meist viel zu wenig Zeit haben. Während wir die Spiegellungen der Lichter auf der Fensterscheibe oder das Flackern einer Kerzenflamme beobachten, können unsere Gedanken ungehindert auf Wanderschaft gehen. Welchen Weg sie dabei auch immer einschlagen, die Wärme und Geborgenheit, die wir in dieser Umgebung fühlen, werden sie in eine positive Richtung lenken. Wie könnten sie auch nicht? Immerhin haben wir der kalten, dunklen Welt ja die Tür vor der Nase zugeschlagen! Doch das können wir eben nur, weil die Tage kürzer und dunkler werden und der Winter uns dieses wundervolle Farbenspiel schenkt, das unsere Seele auf eine ganz besondere Weise zu wärmen versteht. <