Was von mir bleibt
# Die Wege meiner Kinder
Kinder auf ihrem Lebensweg zu begleiten und mitzuerleben, wie aus kleinen Jungen und Mädchen selbstständige erwachsene Persönlichkeit werden, gehört zu den emotionalsten und spannendsten Herausforderungen. Oft blickt man seine erwachsenen Kinder an und fragt sich: Was konnte ich ihnen mitgeben?
Nachdem nun eine gewisse Strecke meines eigenen Lebenswegs hinter mir liegt, frage ich mich, was meine Kinder von mir weitertragen werden. Vielleicht kommen dir diese oder ähnliche Gedanken bekannt vor.
Damals, als man jung war und zum ersten Mal Mutter oder Vater wurde, waren die Vorstellungen, was man seinen Kindern vermitteln wollte, ziemlich konkret. Werte wie Empathie, Freundlichkeit, Selbstliebe und Durchsetzungsvermögen standen bei mir an oberster Stelle. Doch ist es mir auch gelungen? Gerade in der Jugend meiner Kinder habe ich das ein oder andere Mal gezweifelt. Nicht selten kam es vor, dass die heranwachsenden Kinder Entscheidungen trafen, die scheinbar absolut mit den Werten kollidierten, die ihnen in unserem Elternhaus vermittelt wurden.
Wie kann das sein? Das fragte ich mich damals händeringend. Heute betrachte ich die Situationen gelassener und nicht als Scheitern meiner Wertevermittlung. Wie heißt es doch so schön: Die Praxis lehrt besser als die Theorie.
Wir müssen lernen, unsere Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen zu lassen und zu begreifen, dass dazu auch Dinge gehören, die wir ihnen zigmal erklärt haben.
Wir können eine bestimmte Verhaltensweise unseren Kindern seit klein auf als verboten oder schlecht vermitteln, manchmal begreifen sie Letzteres erst, wenn sie genau diese Dinge ausprobieren. Als Elternteil ist es schmerzhaft, dabei zuzuschauen, doch ab einem gewissen Alter ist es weder möglich noch unsere Aufgabe, einzugreifen. Auch unsere Erfahrungen und Werte haben sich erst durch Erfahrungen und eigene (Fehl-)Entscheidungen geformt.
Der Weg meiner Eltern
Die Frage, die ich mir heute in Bezug auf meine Kinder stelle, hat meine eigenen Eltern sicherlich auch beschäftigt. Wenn ich mich selbst beobachte, fällt mir auf, dass ich tatsächlich einiges von ihnen habe. Je älter ich werde, umso stärker wird übrigens die Ähnlichkeit zu meinen Eltern. Dies heißt aber keinesfalls, dass wir in allen Werten übereinstimmen. Nun war es so, dass meine Eltern ziemlich unterschiedliche Wertvorstellungen vertraten. Meine Mutter und mein Vater waren wie eine Art Waage mit ausgeglichenem Gegengewicht. Meine Mutter ist eine sehr sanfte und einfühlsame Persönlichkeit. Sie ist verständnisvoll und urteilt nicht vorschnell über andere Menschen.
Sie konnte ihre Emotionen und Gefühle frei ausdrücken und vermittelte mir, dass Tränen keinesfalls mit Schwäche gleichzusetzen sind. Nur weil jemand weint, sei er nicht weniger in der Lage, schwierige Lebenssituationen auszuhalten. Mein Vater hingegen war da anderer Ansicht. Er interpretierte Emotionen als Schwäche und tadelte mich, wenn ich verzweifelt war und weinte. Für ihn waren Durchsetzungskraft, Konventionen und beruflicher Erfolg wichtig.
Wenn ich mich heute anschaue, entdecke ich, dass mich beide Ansichten geprägt haben. Genau wie meine Mutter bin ich eher ein gefühlsbetonter Mensch und habe dennoch zahlreiche Lebenskrisen gemeistert. Ich empfinde es als heilsam, dass sie mir beigebracht hat, dass der Ausdruck meiner Emotionen mich nicht zum schwachen Menschen deklariert.
Dennoch habe ich gleichzeitig auch viele Eigenschaften meines Vaters angenommen. Ich bin ebenso stur und zielstrebig wie er. In der Jugend habe ich vor allem gegen ihn rebelliert, weil ich der Meinung war, er würde mich in ein gesellschaftliches und berufliches Korsett pressen wollen, das meiner Persönlichkeit nicht entspricht.
Ich habe bei der Erziehung meiner Kinder versucht, eine Balance aus den unterschiedlichen Einflüssen meiner eigenen Kindheitsprägung zu finden. Ich selbst schätze die Werte, die meine Eltern mir vermittelt haben, dennoch bin ich meinen eigenen Weg gegangen. Meine Eltern waren nicht mit allem einverstanden: Mein Vater ist mit meiner künstlerischen Berufswahl nie glücklich gewesen und meine Mutter ist bis heute manchmal verzweifelt über meine Exzentrik. Dennoch denke ich, dass es beiden gelungen ist, mir alles Wichtige für meinen Lebensweg mitzugeben. Doch letztendlich führe ich ein Leben geprägt von meinen eigenen Erfahrungen, Werten und Entscheidungen.
Ein Herz und eine Seele?
Zu diesem Thema gibt es eine große Bandbreite an ganz verschiedenen Lebensgeschichten und Weg-Optionen. Die meisten Kinder durchlaufen unterschiedliche Phasen. In der frühen Kindheit sind Mama und Papa oftmals die Besten, während man sich als Teenager überhaupt nicht mehr mit ihnen identifizieren kann. Mit dem Erwachsenwerden manifestiert sich das spätere Eltern-Kind-Verhältnis. Dies kann ganz unterschiedlich sein. Manche Erwachsene pflegen ein sehr herzliches Verhältnis zu ihren Eltern, während sich bei anderen der Kontakt auf Feiertage und Geburtstage beschränkt. Und wenn man sich dann sieht, gibt es sofort Streit ... Manche Kinder tragen aufgestaute Wut auf ihre Eltern mit sich herum. Sie werfen ihren Eltern Fehlverhalten vor und machen sie für das eigene Scheitern verantwortlich. Da solche Gedanken oft unausgesprochen schwelen, brechen die Emotionen oft ziemlich unvermittelt aus. Um den Konflikt zu klären, müssen beide Parteien bereit sein, zuzuhören und Fehler einzugestehen.
Ein Kind ist da, und nun?
Junge Eltern stehen vor einer großen Herausforderung. Bewusst und unbewusst prägen sie die Lebensoptionen ihres Kindes. Ein Aspekt gleicht sich jedoch immer: Wir versuchen, unsere Kinder vor