Auszeit

Schon gewusst?

- REBECCA MANTELL

Auf dem Jakobsweg sieht man sie immer wieder aufblitzen – die Jakobsmusc­hel.

Pilgersymb­ole sind aber nicht nur von ästhetisch­em oder religiösem Wert. Im Mittelalte­r waren sie essenziell­er Teil einer jeden Pilgerreis­e und konnte über Leben und Tod entscheide­n.

Das Tragen der Zeichen stellte den Reisenden unter einen besonderen Schutz, denn es galt als Todsünde und schweres Verbrechen, einen Gläubigen auf seiner Pilgerfahr­t zu überfallen oder gar umzubringe­n. Im Regelfall waren nur Anhänger des Klerus des Lesens und Schreibens kundig – so waren die Zeichen nötig, um den Reisenden in der breiten Öffentlich­keit als Pilger auszuweise­n. Neben Muscheln sind Rosenkränz­e, Kreuze, Heiligenfi­guren oder Pilgerstäb­e als Pilgerzeic­hen bekannt.

griff des Pilgerns auch noch heute stark durch die Religion geprägt ist. Gerade in den letzten Jahren können aber auch andere Gründe ebenso ausschlagg­ebend sein. Als Auszeit, zur Rückbesinn­ung oder rein als Erlebnisre­ise: Immer mehr Menschen pilgern – zumindest im weiteren Sinne – und begeben sich auf die Reise. Und nicht immer sind es die religiösen Pilgerziel­e aus der Vergangenh­eit, sondern Orte oder Stellen, die einen persönlich­en Wert haben. Steigere ich mein persönlich­es Glück durch das Pilgern zur Kathedrale in Santiago de Compostela oder mache ich mich einmal im Jahr gemeinsam mit vielen anderen tausend Gamern auf den Weg zur Gamescom in

Köln. Jeder hat unterschie­dliche, individuel­le Motive, warum er pilgert, sei es nun das Bedürfnis Jesus, Allah oder etwa dem Sportclub seiner Wahl nahe zu sein.

Manchmal ist es aber gar nichts von all dem. Kein Glaubensor­t, kein Sportclub oder ein Erlebnis, was gesucht wird. Manchmal ist es einfach nur ein unbestimmt­es Gefühl, eine innere Unruhe, die sich lange ausbreitet. Ebenso können stark belastende, emotionale Situatione­n, wie der Tod eines nahen Angehörige­n, den Pilger auf seine Reise schicken. Und manchmal will man einfach nur neu starten – etwas anderes sehen, neue Stimmen hören oder im Grunde nur seinem unliebsame­n Alltag entfliehen.

Egal, warum Menschen zu Pilgern werden, mit jedem Schritt kommen sie ihrem Ziel wortwörtli­ch näher, wenn sie sich auf die Erfahrung einlassen.

Neben Harpe Kerkeling zieht es viele weitere prominente Gesichter auf die Pilgerwege der Welt. Zu ihnen gehören etwa der Bestseller­autor Paulo Coelho oder die Schauspiel­erin Shirley MacLane. Beide haben ihre Erlebnisse zu Papier gebracht und erzählen von ihren Erfahrunge­n am Wegesrand vom Jakobsweg.

Und jeder Bericht ist anders. Jedes Buch über das Pilgern individuel­l. Und ist nicht genau das der Reiz der Wanderscha­ft? Stunde um Stunde, Schritt für Schritt mit sich selbst alleine zu sein, die Gedanken fliegen zu lassen oder Rückschau zu halten. Die Besinnung auf das eigene Ich steht im Vordergrun­d. Frei von jeglichen Ablenkunge­n, Verpflicht­ungen und Zwängen, gibt uns die Wanderscha­ft Zeit und sprichwört­lich ‚Luft‘ zum Durchatmen, zum Loslassen unserer Probleme, unserer Sorgen.

Pilgergeme­inschaft

Aber dennoch ist man auch nie allein, wenn man Gesellscha­ft sucht. Ob man den Weg allein oder als

Teil einer Gruppe beschreite­t, auf seiner Wanderung trifft man immer auf Gleichgesi­nnte. Wenn nicht am Wegesrand, dann bei der Einkehr in den Herbergen. Spätestens beim Vergleich der Blessuren hat man einen Gesprächsp­artner gefunden, denn jeder hat sein eigenes Rezept gegen Blasen oder sucht Tipps für seine Weiterreis­e.

Gleichzeit­ig ist es egal, wer man ist. Alter, sozialer Status oder Reichtum spielen hier keine Rolle. Alle Pilger sind gleich, alle erleben die gleichen Strapazen, jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen und doch herrscht innerhalb der bunten Gemeinscha­ft ein tiefes Verständni­s. Also worauf warten wir eigentlich noch? <

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