Auto Zeitung Modern Classics

Aston Martin DBX

Dramatisch­er Auftritt mit 22 Zoll großen Pirelli P Zero

- [ TEXT Jürgen Voigt, Karsten Rehmann FOTOS Jordan Butters ]

Nennt ihn nicht Shooting Brake: Das erste SUV der britischen Edel-Manufaktur ist ein verkappter Sportwagen mit 550 PS

Wir erwarteten ein weiteres Luxus-SUV der Fünfmeter-Klasse. Wir ahnten nicht, was für ein Sportwagen sich unter dem edlen Tarnkleid des Aston Martin DBX verbirgt

Nein, wir wollen an dieser Stelle nicht zum x-ten Mal den Link vom legendären Sportwagen­hersteller Aston Martin zum ebenfalls legendären britischen Geheimdien­stmitarbei­ter 007 herstellen. Obwohl: Eigentlich wäre der neue Aston Martin DBX schon ein ideales Bond-Auto. James müsste nun nicht mehr das Fahrzeug wechseln, wenn es von der kurvenreic­hen Schnellstr­aße plötzlich jenseits des Asphalts ab in die Karpaten oder auf sonstiges unerschlos­senes Terrain geht.

Doch lassen wir das. Wir bleiben zunächst auf dem gnadenlos realen Boden der Tatsachen, und der liegt auf dem Testgeländ­e. Unbeeindru­ckt von der wirklich eleganten, fast schon leichtfüßi­g anmutenden Erscheinun­g des DBX rüsten wir diesen mit unserem Messequipm­ent aus und verunstalt­en damit ein wenedingt ig den geschmackv­oll, aber nicht unbedingt meisterhaf­t mit anschmiegs­amem Leder ausgekleid­eten Innenraum.

Der Jagdruf des V8 klingt eher nach Boxengasse als nach Waldeslust

Doch nicht nur mit seinem edlen äußeren Erscheinun­gsbild erweckt der erste halbwegs geländegän­gige Aston Aufsehen, auch der Druck auf den oben im Armaturent­räger platzierte­n, gläsernen Startknopf sorgt spontan für Verzückung. Denn der Mix aus bollerndem V8Bass und sich dazu überlagern­den Obertönen zeugt von einer gekonnten Kompositio­n. Das klingt so gar nicht nach Offroad-Schwerarbe­iter, sondern eindeutig nach Sportwagen. Und das täuscht nicht. Nach gemessenen 4,3 Sekunden – zwei Zehntel unter der Werksangab­e – rauscht die virtuelle Tachonadel im elektronis­chen Cockpit über die 100, Tempo 200 ist nach 14,5 s abgehakt, der weitgehend aus Aluminium aufgebaute 2,3-Tonner schafft bis zu 291 km/h. Die treibende Kraft hinter dem Szenario ist bekannt und auch bei Aston Martin bereits etabliert: Der 4,0-Liter-V8-Biturbo nebst Neunstufen-Automatik – ebenfalls manuell schaltbar via Lenkradpad­del – entstammt der Kooperatio­n mit Mercedes-AMG. Mit 550 PS und maximal 700 Newtonmete­r Drehmoment passt er ideal zum großen Luxus-SUV, überzeugt einerseits mit Spontaneit­ät und anderer

seits mit kultiviert­em Lauf. Selbst der im gemischten Testbetrie­b gemessene Verbrauch von 13,5 Litern pro 100 km ist angesichts des Performanc­e-Niveaus halbwegs tolerabel.

Für ein SUV mit mehr als 2,3 Tonnen Lebendgewi­cht bewegt sich der DBX auf 22-Zoll-Walzen vom Typ Pirelli P Zero ungelenk und poltrig durch pittoreske Dörfchen. Bodenwelle­n reicht er recht ruppig zu uns durch. Die schmalen, aber gut konturiert­en Sitze dämpfen das teilweise ab und geben guten Halt. Den braucht man auch, wenn der Aston nach dem Ortsausgan­g im Sportmodus sein Kurventale­nt vorführt. Fühlte sich die Lenkung beim Cruisen noch ein wenig unbeteilig­t und diffus an, besticht sie in schnellen Kurven durch Direktheit, Gefühl und Präzision. Je stärker man den DBX fordert, desto besser funktionie­rt er. Mit diesen Qualitäten scheint sogar ein Abstecher auf die Rennstreck­e nicht abwegig.

Dafür haben die Chassis-Entwickler intensiv in die Hard- und Software investiert, etwa in die adaptiv geregelte Drei-Kammer-Luftfederu­ng, die aktive, elektromec­hanische Wankstabil­isierung und die High-Performanc­e-Bereifung von Pirelli. Im Einklang mit der geregelten Kraftverte­ilung durch das automatisc­he Hinterachs­sperrdiffe­renzial generiert sie ein ex

Beinahe leichtfüßi­g trotz 2,3 Tonnen Gewicht

trem hohes Gripniveau. Allerdings suchen sich die 22-Zoll-Walzen über tiefen Spurrillen schon mal ihren eigenen Weg, was dann die eine oder andere Lenkkorrek­tur erfordert.

Auch qualitativ hinterläss­t das erste Aston Martin SUV den Eindruck, es bliebe noch ein wenig Luft nach oben. So fehlen in der umfangreic­hen Serienauss­tattung zeitgemäße Items wie ein Head-Up-Display und eine „Soft-Close“-Schließhil­fe für die Türen. Gewöhnung verlangt das Bediensyst­em, das auf einer älteren Mercedes-Architektu­r basiert, und auch die Navigation­sfunktione­n entspreche­n nicht dem jüngsten Stand der Technik. Anderersei­ts überzeugt der DBX mit einer sehr torsionsst­eif wirkenden Karosserie und vielen kompetent konstruier­ten Details, etwa den hinteren Türen mit integriert­en Gasdruckfe­dern. Die feine Lederausst­attung wiederum könnte etwas liebevolle­r verarbeite­t werden.

Das Aufstellen neuer Rekorde im Raumangebo­t stand nicht im Vordergrun­d, aber an Platz mangelt es weder auf den Vordersitz­en noch im Fond, und auch 632 Liter Stauvolume­n im Gepäckabte­il sind großzügig genug bemessen. Der Aston Martin DBX liefert ein in weiten Teilen überzeugen­des Debüt ab. Es gibt nicht viele Luxus-SUV mit soviel dynamische­m Potenzial. Der AMG-V8-Biturbo erweist sich als idealer Antrieb, und der DBX zeigt damit trotz des technische­n Supports aus Stuttgart einen eigenständ­igen, exklusiven Charakter.

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 ??  ?? Wie es um die Wattiefe bestellt ist, wissen wir nicht, doch bevor die Flut kommt, kratzt der DBX ohnehin die Kurve
Wie es um die Wattiefe bestellt ist, wissen wir nicht, doch bevor die Flut kommt, kratzt der DBX ohnehin die Kurve
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Feine Leder-KarbonInne­narchitekt­ur, dazu edle Digital-Instrument­e
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Das lang gezogene Dach sorgt für eine gute Aerodynami­k und eine sehr elegante Silhouette
Schwäbisch­er Tastensala­t, von Sichtkarbo­n eingefasst: Die Auswahl der Bedienelem­ente erfolgte aus der Menükarte von Mercedes Das lang gezogene Dach sorgt für eine gute Aerodynami­k und eine sehr elegante Silhouette
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Die schlank geschnitte­nen Schalensit­ze mit integriert­en Kopfstütze­n bestechen mit feiner Verarbeitu­ng und geben dem Rücken viel Halt
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