Giganten fürs Gelände
Mercedes G 55 AMG und Porsche Cayenne Turbo – zwei Kraftpakete mit höchst unterschiedlicher Wertentwicklung
Es war ein Duell vergleichbarer Marken, aber unvergleichlicher Autos. Als Porsche unter dem damaligen Vorstandschef Wendelin Wiedeking den Cayenne auf den Markt brachte, prophezeiten viele Porsche-Fans den Untergang der Marke. Wie konnte der Hersteller eines der reinrassigsten Sportwagen der Welt, des 911, auf einmal auf die Idee kommen, ein SUV zu bauen? Das würden die Kunden nie verzeihen.
Weit gefehlt – der Cayenne wurde mit Abstand das erfolgreichste Modell von Porsche. Um die Produktionskosten günstiger zu gestalten, basierte der Cayenne auf der gleichen Plattform wie VW Touareg und Audi Q7. Doch das Wort günstig ist im Zusammenhang mit Porsche fehl am Platz. Der Cayenne Turbo leistete zunächst 450 PS. Der Cayenne aus unserem Vergleich ist das Modell nach dem Facelift, dem der Cayenne 2007 unterzogen wurde.
Optisch wirkte das SUV nun deutlich gelungener. Vor allem aber erhielt es einen komplett neuen V8-Direkteinspritzer, der nun 500 PS leistete und modernen Motorenbau vom Feinsten präsentierte: Kurbelgehäuse und Zylinderkopf bestanden aus Aluminium. Dazu gesellten sich Biturbo-Aufladung, integrierte Trockensumpfschmierung, vier obenliegende Nockenwellen, einlassseitig variable Steuerzeiten und eine Ventihubverstellung (VarioCam Plus). Aus dem Hightech-Aggregat kitzelten die Ingenieure Fahrleistungen, die in einem Spitzentempo von 275 km/h gipfelten und den Cayenne in 5,1
Sekunden von null auf 100 km/h katapultierten. Nicht nur dank der Fahrleistungen, sondern auch der fahrdynamischen Qualitäten markierten die Cayenne Turbo zu der Zeit die fahrdynamische Spitze unter den SUV.
Ganz anders dagegen das G 55 AMG G-Modell von AMG. Der auf einem Leiterrahmen aufbauende Monolith von Auto stand wie eine Schrankwand im Wind und besaß genetisch deutlich größere Offroad-Qualitäten als der Cayenne, obwohl dieser in der ersten Generation auch noch ein Untersetzungsgetriebe mitführte. Schon am Fahrwerk zeigte sich, wo der Fokus des Einsatzgebiets bei beiden lag: Der Porsche verfügte an allen vier Rädern über Einzelradaufhängung, der AMG ganz bewusst rundum über Starrachsen, um im Gelände die bessere Figur abzugeben. Allerdings war auch die AMG-Version nicht dafür prädestiniert, um im Dreck zu wühlen. Weder die Schweller noch die seitlich mündenden Auspuffendrohre waren dafür gedacht. Interessant: So unterschiedlich die beiden Konzepte waren, so lagen die zwei preislich auf Augenhöhe: Der Cayenne Turbo kostete 2007 satte 108. 617 Euro, der G 55 AMG stand 2004 mit 1o8.228 in der Preisliste.
Unter der Haube näherten sich die beiden wieder an. Der Mercedes setzte auf einen V8, allerdings beatmet durch einen Kompressor. Der 5,4Liter-Hubraumriese leistete hier 476 PS (350 kW) und schmetterte den schwäbischen Stahlkoloss in 5,2 Sekunden auf Tempo 100, wie ein
Die erste Generation des Porsche Cayenne war im Verkauf ein Riesen-Renner und ähnlich teuer wie ein Mercedes G 55 AMG. Doch heute ist der Mercedes um ein Vielfaches mehr wert
Test der AUTO ZEITUNG seinerzeit ergab. Erst ab Tempo 150 wurde der Vortrieb des 2,5Tonners durch den hohen Luftwiderstand abgebremst. Ein cW-Wert von 0,54 war so windschlüpfig wie ein Bremsfallschirm. Bei 210 km/h schließlich wurde die Fuhre abgeregelt, zumal auch die Reifen nur bis zu dieser Geschwindigkeit zugelassen waren.
Und doch ist auch heute noch die Beschleunigung ein völlig anderes Erlebnis als im Porsche. Während der Cayenne Turbo völlig geschmeidig wie eine Katze nach vorn gleitet, tobt die Fahrphysik auch durch die extrem hohe Sitzposition im Mercedes in einer völlig anderen Dimension. Irgendwie fühlt man sich wie im schnellsten Lkw der Welt. Solange es geradeaus geht, kann man mit der Beschleunigung selbst hartgesottene Sportwagenfahrer beeindrucken. Doch irgendwann muss der Fahrer auch Kurven meistern, und das ist nicht das Metier des G 55. Hier ist der Porsche wiederum in seinem Element. Dank der Hochgeschwindigkeits-Reifen und einer deutlich direkteren sowie viel mehr Rückmeldung vermittelnden Lenkung fährt sich der Porsche wie der Sportwagen unter den SUV. Ein stoischer Geradeauslauf auf Autobahnen und das Ausbügeln von Fahrbahnunebenheiten standen im Lastenheft ganz oben. Im Mercedes leidet der Federungskomfort unter den massiven Starrachsen und den deutlich härteren Federraten. Über größere Unebenheiten hopst der G mehr als dass er gleitet. Damit der Fahrer trotzdem in jeder Lebenslage auf der sicheren Seite ist, lässt sich das Stabilitätsprogramm im Mercedes nicht ab
schalten. Robustheit statt Rasen heißt die Maxime im G-Modell, denn es ist auf optimale Geländegängigkeit ausgelegt. Eine Getriebereduktion inklusive Kriechgänge und eine 100-prozentige Differenzialsperre einschließlich Traktionskontrolle sind der Freifahrtschein fürs Gelände. Die Talente als Zugpferd passen dazu: 3500 kg darf der AMG ziehen und hat dank eines maximalen Drehmoments von 700 Nm, das zwischen 2650 und 4500 Umdrehungen ansteht, keine Mühe damit.
Dass der Asphalt das Metier des Cayenne Turbo ist, zeigen nicht zuletzt auch die Bremswerte. Hier hat der G 55 AMG trotz standfester Bremsen gegenüber dem Cayenne das Nachsehen. Nach rund 41 Metern kam der Mercedes im Test zum Stillstand, der Cayenne Turbo benötigte damals rund 38 Meter. Auch beim Wendekreis demonstriert der AMG seine Lastkraftwagen-Gene. 13,3 Meter – da wird das Rangieren zur Qual.
Der Mercedes G 55 AMG will der Luxus-Geländewagen für die Ewigkeit sein. Die Karosseriequalität stellt mit bleischweren Türen – die Hecktür ist wie ein Tresor außen angeschlagen – selbst die des auch gut verarbeiteten Cayenne in den Schatten. So unterschiedlich die beiden Schwaben sind, bei den Trinksitten werden sie wieder zu Kumpels. Im EU-Verbrauch liegen sie bei rund 16 Litern, stramme Fahrweise heißt 20 Liter und mehr bei beiden. Keine Autos zum Sparen also. Das gilt natürlich auch für die Unterhaltskosten. Apropos Kosten: Der Mercedes AMG G 55 wird als Klassiker heute deutlich höher gehandelt als der Cayenne Turbo.