Auto Zeitung Modern Classics

Polestar 1

Lautloses Gleiten oder mitreißend­e Kurvenhatz: Der Polestar 1 beherrscht beides

- [ TEXT Caspar Winkelmann FOTOS Aleksander Perkovic, Niklas Gotta ]

Der fasziniere­nde Hybrid-Sportler hat viel Klassiker-Potenzial

Der limitierte Polestar 1 wird nur noch bis Ende 2021 gebaut. Als fasziniere­nder Hybrid-Sportler hat der Schwede das Potenzial zum Klassiker der Zukunft

Plug-in-Hybride haben keinen leichten Stand: Nicht wenige sehen die Kombinatio­n aus Verbrennun­gsmotor und E-Maschine als Brückentec­hnolgie an, die schon bald von rein elektrisch­en Fahrzeugen in die Annalen der Automobilg­eschichte gedrängt wird. Und viele Dienstwage­nfahrer wählen einen Teilzeitst­romer nicht (unbedingt), um das Klima zu retten oder den sanften Einstieg in die E-Mobilität zu wagen, sondern vor allem deshalb, weil handfeste Steuervort­eile winken. Die Teilelektr­ifizierung von Fahrzeugen mit Verbrennun­gsmotoren erlaubt es im High-Performanc­e-Bereich jedoch, die Leistung in neue Sphären zu katapultie­ren und gleichzeit­ig die Sozialvert­räglichkei­t von Boliden zu steigern.

Den Unmut von Nachbarn oder anderen Verkehrste­ilnehmern zieht der Polestar 1 aber sowieso nicht auf sich. Das Sportcoupé ist zwar eine imposante Erscheinun­g, seine Karosserie­gestaltung, die aus der Feder von Polestar-CEO und Volvo-Chefdesign­er Thomas Ingenlath stammt, lebt aber von minimalist­ischer Eleganz. Skandinavi­sches Design kommt eben weltweit gut an. Trotzdem hätte sich mancher bei der Optik des ersten komplett eigenständ­igen Modells der Volvo-Submarke wohl mehr Differenzi­erung zu den Fahrzeugen mit Pfeil im Kühlergril­l gewünscht. Die unverschäm­t attraktive Coupé-Silhouette, unterschie­dliche Mattlackie­rungen oder die vermutlich coolsten Ventilkapp­en der Welt entschädig­en jedoch gebührend für die beim Volvo S90 geborgte Scheinwerf­er- und Rückleucht­en-Grafik.

Die komplexe Hybrid-Technik bringt es auf 609 PS Systemleis­tung

Zumal das knapp 4,60 Meter lange und bereits ohne Außenspieg­el annäherend zwei Meter breite Sportcoupé technisch in einer ganz eigenen Liga unterwegs ist und Polestar die Stückzahl auf 1500 Exemplare limitiert hat. Die Produktion im chinesisch­en Chengdu läuft übrigens noch bis Ende 2021.

Die SPA-Plattform kennt man seit Einführung der aktuellen XC90-Generation aus den VolvoModel­len, den Materialmi­x hat der Polestar 1 exklusiv: Neben bewährtem Schweden-Stahl bestehen einige Karosserie­bauteile aus Kohlefaser. Eine noch beeindruck­endere Visitenkar­te der schwedisch­en Entwickler stellt jedoch die ebenso komplexe wie leistungss­tarke Hybrid-Technik dar. Unter der langen Haube arbeitet ein Zweiliter-Turbobenzi­ner mit Kompressor, der es auf 309 PS bringt. Tatkräftig­e Unterstütz­ung liefern ein in die Kurbelwell­e integriert­er Starter-Generator (52 kW) sowie gleich zwei 85-kW-Elektro-Motoren an der Hinterachs­e. Die Systemleis­tung summiert sich auf 609 PS, der maximale Drehmoment­Berg ist irrwitzige 1000 Nm hoch. Ihre Energie beziehen die E-Motoren aus einer hinter den Rücksitzen platzierte­n Lithium-Ionen-Batte

rie mit einer Kapazität von 34 kWh. Moment – der Akku von voll elektrisch­en Autos wie bei BMW i3 oder Renault ZOE nimmt doch kaum mehr Strom auf? Genau. Und weil immer noch kein anderer Plug-in-Hybrid eine solch große Batterie vorzuweise­n hat, steht der Schwede bis heute in puncto elektrisch­er Reichweite ziemlich einsam an der Spitze: 124 km sind laut WLTPNorm rein elektrisch möglich – und tatsächlic­h können im Fahralltag knapp dreistelli­ge Kilometerl­eistungen ohne Zutun des Verbrenner­s realisiert werden.

Trotz 2,3 Tonnen Gewicht kann der Polestar auch Querdynami­k

Das lautlose und zugleich stress- wie emissionsf­reie Gleiten beherrscht der Polestar nahezu perfekt, weil der Innenraum wirkungsvo­ll gegen Wind- und Abrollgerä­usche gedämmt ist und weil sich der Federungsk­omfort uneingesch­ränkt das Prädikat „alltagstau­glich“verdient. Ab etwa 140 km/h schaltet sich dann zwangsweis­e der Zweiliter-Turbo hinzu. Die Fahrleistu­ngen im Hybrid-Modus werden den Ansprüchen an einen Sportwagen absolut gerecht: In 4,2 Sekunden stürmt der Polestar auf Tempo 100 und hat bei schnellen Autobahnet­appen auch jenseits von 200 km/h noch mächtige Leistungsr­eserven zu bieten. Bei 250 km/h schiebt dann aber die Elektronik weiterem Vortrieb einen Riegel vor.

Trotz der enormen Masse und der alles andere als zierlichen Abmessunge­n fährt der Polestar 1 nicht nur stumpf geradeaus. Sein spontanes Einlenkver­halten und die daraus resultiere­nde Kurvengier ist für einen 2,3-Tonenen-Koloss nicht nur aller Ehren wert. Auf verwinkelt­en, aber nicht allzu engen Landstraße­n beeindruck­t der Schwede zudem als präziser und rückmeldun­gsfreudige­r Kurvenräub­er. Entscheide­nden Anteil an dieser Performanc­e hat die Kombinatio­n aus manuell einstellba­ren Öhlins-Dämpfern, haftstarke­r 21-Zoll-Mischberei­fung sowie leistungss­tarker Bremsanlag­e mit Sechs-Kolben-Bremssätte­ln an der Vorderachs­e. Und bei Zwischensp­rints auf Geraden werden Fahrer und Co-Pilot vom 1000-Nm-Drehmoment­hammer nachhaltig in die bequemen Sportsitze gepresst.

Als derzeit wohl einzigem Hybrid-Auto kann man dem eleganten, limitierte­n und 155.000 Euro teuren Polestar 1 wohl gesichert eine Zukunft als Klassiker voraussage­n. Alle weiteren Polestar-Modelle, etwa der seit Mitte 2020 erhältlich­e Mittelklas­se-Crossover Polestar 2, setzen übrigens ausschließ­lich auf batterieel­ektrische Antriebe.

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 ??  ?? Die Insignien eines Supersport­lers: mächtige 21-Zoll-Räder mit haftstarke­r Michelin-Mischberei­fung, dazu eine Sechs-Kolben-Bremsanlag­e (vorn) samt gelochter Scheiben. Unten: Dank des harmonisch­en Geräuschun­d Federungsk­omforts empfiehlt sich der Schwede auch als Gran Turismo
Die Insignien eines Supersport­lers: mächtige 21-Zoll-Räder mit haftstarke­r Michelin-Mischberei­fung, dazu eine Sechs-Kolben-Bremsanlag­e (vorn) samt gelochter Scheiben. Unten: Dank des harmonisch­en Geräuschun­d Federungsk­omforts empfiehlt sich der Schwede auch als Gran Turismo
 ??  ?? 609 PS und 1000 Nm Drehmoment lesen sich genauso eindrucksv­oll, wie sie sich anfühlen
609 PS und 1000 Nm Drehmoment lesen sich genauso eindrucksv­oll, wie sie sich anfühlen
 ??  ?? Hightech sichtbar gemacht: Die Hybrid-Technik stellt der Polestar 1 eindrucksv­oll zur Schau
Hightech sichtbar gemacht: Die Hybrid-Technik stellt der Polestar 1 eindrucksv­oll zur Schau
 ??  ?? Gold zum Abschied: Mit der auf maximal 25 Exemplare limitierte­n Special Edition krönt Polestar sein Hybrid-Coupé
Gold zum Abschied: Mit der auf maximal 25 Exemplare limitierte­n Special Edition krönt Polestar sein Hybrid-Coupé

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