Polestar 1
Lautloses Gleiten oder mitreißende Kurvenhatz: Der Polestar 1 beherrscht beides
Der faszinierende Hybrid-Sportler hat viel Klassiker-Potenzial
Der limitierte Polestar 1 wird nur noch bis Ende 2021 gebaut. Als faszinierender Hybrid-Sportler hat der Schwede das Potenzial zum Klassiker der Zukunft
Plug-in-Hybride haben keinen leichten Stand: Nicht wenige sehen die Kombination aus Verbrennungsmotor und E-Maschine als Brückentechnolgie an, die schon bald von rein elektrischen Fahrzeugen in die Annalen der Automobilgeschichte gedrängt wird. Und viele Dienstwagenfahrer wählen einen Teilzeitstromer nicht (unbedingt), um das Klima zu retten oder den sanften Einstieg in die E-Mobilität zu wagen, sondern vor allem deshalb, weil handfeste Steuervorteile winken. Die Teilelektrifizierung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren erlaubt es im High-Performance-Bereich jedoch, die Leistung in neue Sphären zu katapultieren und gleichzeitig die Sozialverträglichkeit von Boliden zu steigern.
Den Unmut von Nachbarn oder anderen Verkehrsteilnehmern zieht der Polestar 1 aber sowieso nicht auf sich. Das Sportcoupé ist zwar eine imposante Erscheinung, seine Karosseriegestaltung, die aus der Feder von Polestar-CEO und Volvo-Chefdesigner Thomas Ingenlath stammt, lebt aber von minimalistischer Eleganz. Skandinavisches Design kommt eben weltweit gut an. Trotzdem hätte sich mancher bei der Optik des ersten komplett eigenständigen Modells der Volvo-Submarke wohl mehr Differenzierung zu den Fahrzeugen mit Pfeil im Kühlergrill gewünscht. Die unverschämt attraktive Coupé-Silhouette, unterschiedliche Mattlackierungen oder die vermutlich coolsten Ventilkappen der Welt entschädigen jedoch gebührend für die beim Volvo S90 geborgte Scheinwerfer- und Rückleuchten-Grafik.
Die komplexe Hybrid-Technik bringt es auf 609 PS Systemleistung
Zumal das knapp 4,60 Meter lange und bereits ohne Außenspiegel annäherend zwei Meter breite Sportcoupé technisch in einer ganz eigenen Liga unterwegs ist und Polestar die Stückzahl auf 1500 Exemplare limitiert hat. Die Produktion im chinesischen Chengdu läuft übrigens noch bis Ende 2021.
Die SPA-Plattform kennt man seit Einführung der aktuellen XC90-Generation aus den VolvoModellen, den Materialmix hat der Polestar 1 exklusiv: Neben bewährtem Schweden-Stahl bestehen einige Karosseriebauteile aus Kohlefaser. Eine noch beeindruckendere Visitenkarte der schwedischen Entwickler stellt jedoch die ebenso komplexe wie leistungsstarke Hybrid-Technik dar. Unter der langen Haube arbeitet ein Zweiliter-Turbobenziner mit Kompressor, der es auf 309 PS bringt. Tatkräftige Unterstützung liefern ein in die Kurbelwelle integrierter Starter-Generator (52 kW) sowie gleich zwei 85-kW-Elektro-Motoren an der Hinterachse. Die Systemleistung summiert sich auf 609 PS, der maximale DrehmomentBerg ist irrwitzige 1000 Nm hoch. Ihre Energie beziehen die E-Motoren aus einer hinter den Rücksitzen platzierten Lithium-Ionen-Batte
rie mit einer Kapazität von 34 kWh. Moment – der Akku von voll elektrischen Autos wie bei BMW i3 oder Renault ZOE nimmt doch kaum mehr Strom auf? Genau. Und weil immer noch kein anderer Plug-in-Hybrid eine solch große Batterie vorzuweisen hat, steht der Schwede bis heute in puncto elektrischer Reichweite ziemlich einsam an der Spitze: 124 km sind laut WLTPNorm rein elektrisch möglich – und tatsächlich können im Fahralltag knapp dreistellige Kilometerleistungen ohne Zutun des Verbrenners realisiert werden.
Trotz 2,3 Tonnen Gewicht kann der Polestar auch Querdynamik
Das lautlose und zugleich stress- wie emissionsfreie Gleiten beherrscht der Polestar nahezu perfekt, weil der Innenraum wirkungsvoll gegen Wind- und Abrollgeräusche gedämmt ist und weil sich der Federungskomfort uneingeschränkt das Prädikat „alltagstauglich“verdient. Ab etwa 140 km/h schaltet sich dann zwangsweise der Zweiliter-Turbo hinzu. Die Fahrleistungen im Hybrid-Modus werden den Ansprüchen an einen Sportwagen absolut gerecht: In 4,2 Sekunden stürmt der Polestar auf Tempo 100 und hat bei schnellen Autobahnetappen auch jenseits von 200 km/h noch mächtige Leistungsreserven zu bieten. Bei 250 km/h schiebt dann aber die Elektronik weiterem Vortrieb einen Riegel vor.
Trotz der enormen Masse und der alles andere als zierlichen Abmessungen fährt der Polestar 1 nicht nur stumpf geradeaus. Sein spontanes Einlenkverhalten und die daraus resultierende Kurvengier ist für einen 2,3-Tonenen-Koloss nicht nur aller Ehren wert. Auf verwinkelten, aber nicht allzu engen Landstraßen beeindruckt der Schwede zudem als präziser und rückmeldungsfreudiger Kurvenräuber. Entscheidenden Anteil an dieser Performance hat die Kombination aus manuell einstellbaren Öhlins-Dämpfern, haftstarker 21-Zoll-Mischbereifung sowie leistungsstarker Bremsanlage mit Sechs-Kolben-Bremssätteln an der Vorderachse. Und bei Zwischensprints auf Geraden werden Fahrer und Co-Pilot vom 1000-Nm-Drehmomenthammer nachhaltig in die bequemen Sportsitze gepresst.
Als derzeit wohl einzigem Hybrid-Auto kann man dem eleganten, limitierten und 155.000 Euro teuren Polestar 1 wohl gesichert eine Zukunft als Klassiker voraussagen. Alle weiteren Polestar-Modelle, etwa der seit Mitte 2020 erhältliche Mittelklasse-Crossover Polestar 2, setzen übrigens ausschließlich auf batterieelektrische Antriebe.