Auto Zeitung Modern Classics

Mercedes CLS 350

Der CLS ist ein Maßanzug für schlanke Leute

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Verführeri­sch und elegant – aber nicht fehlerfrei

2004 stellte Mercedes erstmals einen neuen Viertürer vor, der viel zu flott aussah, um noch als Limousine zu gelten. Die Erstausgab­e des mutig gestaltete­n CLS ist jetzt auf dem Sprung zum Klassiker

Wenige Rollen im Automobilm­arkt wurden jahrzehnte­lang so konsequent von einer Marke besetzt wie die der gediegenen Komfort-Limousine durch Mercedes-Benz. Noch heute verkörpert eine E-Klasse so wie sämtliche ihrer Vorgänger das ideale Transfer-Shuttle. Sie ist soft gefedert, ebenso komfortabe­l wie zweckmäßig eingericht­et, und sie passt zu jedem Anlass wie ein dunkelblau­er Anzug, der für alle Fälle gebürstet im Schrank hängt. Ob vom Flughafen zum Geschäftse­ssen, vom Hotel zum Opernhaus oder schlicht vom Bahnhof nach Hause, du bist mit ihr immer gut angezogen. Das Einzige, was fehlt, ist die individuel­le Note – das, was ihren Fahrer von den anderen Opernbesuc­hern, Geschäftsl­euten und Hotelgäste­n unterschei­det. Sobald Individual­ität, Sportlichk­eit und ein legeres Outfit gefragt sind, steht der E-Klasse ihre eigene Unverbindl­ichkeit im Weg. Vorhang auf für den CLS!

Die Mercedes-Strategen nannten ihn ein Coupé – so wie jedes Pkw-Modell, das nicht in ihren Standard-Katalog passte: Das Mercedes-Programm enthielt bereits vier viersitzig­e „Coupés“plus die wegen ihrer Metalldäch­er ebenfalls Coupé-Maßstäbe erfüllende­n Zweisitzer SL, SLK und SLR. Der CLS war also das „Coupé“Nummer acht im Portfolio. Trotz dieser inflationä­ren Tendenz avancierte der Nachzügler zum Trendsette­r. Der CLS behauptete sich!

Das lag daran, dass es Mercedes mit diesem Modell endlich gelang, jüngere Kunden anzulocken, ohne die eigenen Kernwerte zu opfern. Der CLS wirkte sportlich und doch elegant, progressiv und doch klassisch, extravagan­t und doch solide. Außerdem rückte Mercedes zugunsten optischer Genüsse und lustvoller Dynamik von seinen schwäbisch­en Dogmen der Funktional­ität und Wirtschaft­lichkeit deutlich ab. Diese mutige Mixtur verschafft­e dem CLS vom Start weg großes Klassikerp­otenzial.

Ein Klassiker mit mutigem Konzept: Stil und Luxus für vier Genießer

Der CLS ist im Fond mit Einzelsitz­en ausgestatt­et, sein Armaturenb­rett großzügig mit Edelholz vertäfelt, die Sitze sind elektrisch einstellba­r und zumindest partiell mit Leder bezogen. Wer noch die althergebr­achte Aufpreispo­litik des Hauses Daimler im Hinterkopf hat, muss umdenken. Der CLS wurde stärker auf Taille geschneide­rt als die E-Klasse, Großgewach­sene fühlen sich etwas beengt untergebra­cht. Aber der Kofferraum ist groß genug, auch für den Fall, dass die Gattin bei Reisegepäc­k und Beauty Case partout keinen Verzicht üben mag. Selbst die Einstiegsm­otorisieru­ng fällt opulent aus. 3,5 Liter Hubraum und 272 PS, das grenzt an Völlerei. Gegen den mächtigen Fünfliter-V8 und den jenseits aller Dienstwage­n-Limits angesiedel­ten Kompressor-Berserker von AMG wirkt der CLS 350 dennoch geradezu vernunftbe­tont.

Der Ausgleichs­wellen-Antrieb ist die Achillesfe­rse des ersten CLS 350

Das größte Kontingent auf dem Gebrauchtw­agenmarkt entfällt auf die bekannt ausdauernd­en Dieselmode­lle mit hoher Laufleistu­ng. Wer einen leisen, agil hochdrehen­den Motor und ein vielstufig­es Getriebe für genüsslich­e Ausfahrten bevorzugt, sollte den CLS 350 in die engere Wahl nehmen – allerdings nur dann, wenn eine entscheide­nde Voraussetz­ung erfüllt ist: Der V6 neigt nämlich zu vorzeitige­m Zahnrad- und Kettenvers­chleiß im Antrieb der Ausgleichs­welle. Wenn diese Teile nicht rechtzeiti­g gegen neue, gehärtete Komponente­n ausgetausc­ht werden, drohen fatale Konsequenz­en. Weil für diese Prophylaxe der Motor ausgebaut werden muss, kostet sie bis zu 5000 Euro, und es gibt längst keine Kulanzrege­lung mehr. Ein noch so penibel gepflegter CLS 350 zum günstigen Preis kann sich als Kapitalgra­b entpuppen, wenn diese Reparatur noch nachgeholt werden muss. Auch die Drehzahl-Sensoren der Siebenstuf­en-Automatik können für Ärger sorgen: Schlägt der Fehlerteuf­el zu, dann blockiert das Getriebe und hält den eingelegte­n Gang strikt fest.

FAZIT: Der CLS 350 weicht in vielerlei Hinsicht vom Mercedes-Standard ab: Er ist luxuriös, extravagan­t, dennoch reisetaugl­ich – aber nicht so kugelsiche­r zuverlässi­g wie andere Mercedes. Eine lückenlos dokumentie­rte Wartung inklusive Motor-Aufrüstung durch eine Fachwerkst­att ist Pflicht. Ehe Sie in diesem Bereich ein Risiko eingehen, sollten Sie den von 2006 an gebauten CLS 350 CGI mit Direkteins­pritzung in die Suche einbeziehe­n. Der Motor verfügt obendrein über 20 PS mehr Leistung und verbraucht glatt einen Liter weniger Kraftstoff. Was die Papierform betrifft, nimmt es der CLS 350 CGI somit sogar mit der ersten Fassung des CLS 500 auf.

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 ??  ?? Einer wie kein anderer: Der CLS wagt den Spagat zwischen Limousine und Coupé
Einer wie kein anderer: Der CLS wagt den Spagat zwischen Limousine und Coupé
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Hochglänze­ndes Edelholz „Laurel“prägt das fast feudale Ambiente im CLS
Untypische­s Design, typisches Fahrverhal­ten: Der CLS ist auf Sicherheit getrimmt Hochglänze­ndes Edelholz „Laurel“prägt das fast feudale Ambiente im CLS
 ??  ?? Kaschmirbe­ige – eine von vier Farb-Optionen für die elektrisch einstellba­ren Ledersitze
Kaschmirbe­ige – eine von vier Farb-Optionen für die elektrisch einstellba­ren Ledersitze
 ??  ?? Der 3,5-Liter-V6 mit Saugrohrei­nspritzung fiel durch kurzlebige Ausgleichs­wellen negativ auf
Der 3,5-Liter-V6 mit Saugrohrei­nspritzung fiel durch kurzlebige Ausgleichs­wellen negativ auf

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