Hightech-Motoren
Im Bugatti Chiron arbeitet ein 16-Zylinder Quad-Turbo, im Porsche Taycan Turbo S einer der stärksten Elektro-Antriebe
Dem monumentalen 16-Zylinder des Bugatti Chiron bietet der Porsche Taycan Turbo S die Stirn – mit zwei eher handlichen E-Maschinen. Kann das funktionieren?
Es fällt nicht so ganz leicht, beim Stöbern durch die Datenblätter Gemeinsamkeiten zwischen dem Bugatti Chiron und dem Porsche Taycan Turbo S auszumachen. Nahezu unerreichbar scheint die Messlatte, die das technische Gesamtkunstwerk aus dem elsässischen Molsheim da gelegt hat. In fast jeder Disziplin reiht der Bugatti Chiron einen Superlativ an den anderen. Herzstück ist der 8,0-Liter-Mittelmotor mit seinen verschachtelt in einem W angeordneten 16 Zylindern. Schon der Versuch, die verschlungen Wege von Luft – davon setzt das Aggregat mehr als 60.000 Liter pro Minute um – und Abgas nachzuvollziehen, mündet in Resignation. Die vertrackte Verknüpfung von vier Turboladern, die natürlich nicht alle zugleich lospusten, sondern in einem Registersystem
fein aufeinander abgestimmt sind, ist nur eines von vielen Beispielen für die Komplexität dieses Aggregats, das bis zu 1500 PS und maximal 1600 Nm an Drehmoment freisetzt.
Ein Porsche Turbo S ohne Turbo
„Keep ist simpel“scheint dagegen der Porsche Taycan Turbo S hier dem Bugatti entgegenzusetzen. Doch dieser Turbo S kommt zwar von den Turbo-Spezialisten schlechthin aus Zuffenhausen, ist aber gar kein Turbo, sondern das Elektro-Flaggschiff des deutschen Automobilbaus. Dem faszinierenden Zusammenspiel von Kinetik und Thermodynamik im Chiron setzt der Porsche lediglich zwei – im direkten Vergleich geradezu handliche – E-Maschinen entgegen: eine an der Vorderachse und eine hinten, wo ein angeflanschtes Zweigang-Getriebe die ansonsten gewohnte Simplizität des Elektro-Antriebs ein wenig unterwandert. Unterm Strich versammelt der Top-Taycan damit maximal – also im Overboost-Modus bei aktivierter Launch Control – bis zu 560 kW (761 PS) und 1050 Nm Drehmoment, die den Elektro-Porsche heftig aus dem Stand nach vorn katapultieren, wie es sonst keinem Verbrenner gelingt. Doch trotz der von uns bereits im Test verifizierten 2,8 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 hat der Bugatti dennoch die Nase vorn und schafft die 100er-Marke in nur 2,4 Sekunden. Das liegt nicht nur am Leistungs- und Drehmoment-Niveau des W16, sondern auch an der Entfaltung des Drehmoments, das der idealen An-Aus-Charakteristik einer E-Maschine schon sehr nah kommt (siehe Diagramm nächste Seite). Hier ist es allerdings nicht die naturgemäß blitzartige Wirkung von Volt und Ampere, sondern die sorgfältige Abstimmung von Gaswechseln, Zündung, Getriebe- und Traktionssteuerung sowie zahlreichen anderen mechanischen, elektrischen und hydraulischen Systemen, die solche Fabel-Fahrleistungen ermöglichen.
Aber auch die Zuffenhausener haben in ihre elektrische Antriebstechnik viel Know-how
esteckt. Die beiden Synchronmaschinen an Vorder- und Hinterachse sind mit starken Permanentmagenten ausgerüstet und verfügen über einen Stator mit sogenannter HairpinWicklung. Der Kupferdraht wird hier nicht wie üblich endlos gewickelt, sondern es werden U-förmige Flachdrähte – die aussehen wie Haarnadeln– in das Stator-Blechpaket eingefügt und an den offenen Enden per Laser verschweißt. Dieses automatisierte, präzise Verfahren ist zwar teuer, bringt aber eine höhere Kupfer- und damit auch Leistungsdichte in den Motor – auch ein Grund für die kompakte Bauweise der Taycan-E-Maschinen.
Trotz des wesentlich besseren Wirkungsgrads seiner Elektro-Motoren ist die Achillesferse des Taycan – wie bei allen E-Autos – die begrenzte übertragbare und speicherbare Energie an Bord. Dabei hat der Porsche bereits eine sehr leistungsfähige Batterie, die bei einer Spannungslage von 800 Volt arbeitet. Das ist deutlich mehr als bei anderen Elektro-Autos. Überschlägt man mal schnell den Strombedarf, zum Beispiel zur Freisetzung einer Leistung von 80 kW – also 109 PS –, dann ist dafür ein Strom von 100 Ampere nötig. Deshalb arbeiten in der Leistungselektronik des Taycan auch sehr wirkungsgradstarke Pulswechselrichter, die in der Spitze bis zu 600 Ampere ermöglichen. Als Dauerbelastung kommen solche hohen Ströme jedoch nicht in Frage. Aber das dauerhafte Abfordern hoher Leistungen ist ja ohnehin nicht die Stärke eines Elektro-Autos.
Dauervollgas ist nichts für E-Autos
Zwar hält die Performance Plus-Batterie des Taycan Turbo S Energiereserven von 93,4 kWh vor und lässt sich mit bis zu 270 kW Ladeleistung auch relativ flott wieder nachladen. Doch Dauervollgas mit bis zu 260 km/h verbietet sich auch hier von allein mit Blick auf die Reichweite. Könnte man die Overboost-Leistung von 550 kW permanent abrufen, wäre die Batterie in etwa zehn Minuten leergesaugt. Allein aufgrund seiner Antriebsleistung wäre der Porsche auch in der Lage, bedeutend schneller
zu fahren als 260 km/h. Aber der Übertragung und der Speicherung der für den Antrieb nötigen Energie sind bei einem Elektro-Auto deutlich engere Grenzen gesetzt als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.
Mit 100 Liter Otto-Kraftstoff an Bord hat man da in einem Bugatti Chiron ganz andere Voraussetzungen. Der Edelrenner ist konsequent auf Höchstleistung und Maximal-Geschwindigkeit ausgelegt, was im Klartext bis zu 420 km/h bedeutet – elektronisch abgeregelt. Das funktioniert nicht nur, weil Antrieb, Aerodynamik, Fahrwerk, Reifen und alle anderen Systeme im Hinblick auf dieses Ziel entwickelt wurden, sondern schlicht auch weil Benzin als Energieträger genau diese Möglichkeit bietet. Denn in den 100 Liter Tankinhalt, nachfüllbar an jeder Dorf-Tanke, steckt eine Energie (Heizwert) von fast 900 kWh. In einem Elektro-Auto bräuchte man also fast zehn Batterien aus dem Taycan Turbo S, um die gleiche Power zu speichern wie im Chiron. Und dabei ist der Taycan Turbo S bereits mit nur einer Batterie schon 300 kg schwerer als der überwiegend aus Karbon gefertigte Bugatti Chiron mit 1995 kg.
E-Auto mit besserem Wirkungsgrad
Allerdings sind Autos mit Verbrennungsmotor nach wie vor miserable Kostverwerter, und selbst die Hightech-Kostbarkeit von Bugatti macht da keine Ausnahme. Wenn alles optimal läuft, kann ein Verbrennungsmotor etwa 35 Prozent der Energie, die man ihm mit dem Kraftstoff zuführt, in Bewegung umsetzen. In der Praxis läuft aber selten alles optimal, und so erzielt man in einem Hypersportgerät wie dem Chiron auch schon mal Wirkungsgrade von deutlich unter 30 Prozent.
Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und der Wirtschaftlichkeit hat der voll elektrische Porsche Taycan jedenfalls die Nase weit vorn, kostet mit 186.336 Euro nicht nur einen Bruchteil des Chiron (2.856.000 Euro). Auch die zwei E-Maschinen brauchen nur wenig Pflege, wogegen Wartung und Ölwechsel des Bugatti schon mal fünfstellige Summen verschlingen.