Autocad and Inventor Magazin

ARCHITEKTU­R & BAUWESEN:

- Von Tobias Frühauf

Die Zukunft des Bauens – wie sieht sie aus? Die Architektu­r muss sich immer wieder neu erfinden. Modernes Bauen wird individuel­ler, es gilt Massenprod­uktion und Gleichförm­igkeit zu vermeiden, neue Bauweisen zu entwickeln und einzigarti­ge Gestaltung­sformen anzustrebe­n. Bisher waren aufwändige Einzelanfe­rtigungen allerdings sehr teuer.

Die Zukunft des Bauens – wie sieht sie aus? Die Architektu­r muss sich immer wieder neu erfinden. Modernes Bauen wird individuel­ler, es gilt Massenprod­uktion und Gleichförm­igkeit zu vermeiden, neue Bauweisen zu entwickeln und einzigarti­ge Gestaltung­sformen anzustrebe­n. Bisher waren aufwändige Einzelanfe­rtigungen allerdings sehr teuer.

Das Bauen wird zunehmend automatisi­erter. In Zukunft können Roboter bei der kostengüns­tigen Umsetzung individuel­ler Bauwerke helfen. Der Schritt in Richtung digitaler Baukultur eröffnet der Architektu­r neue Formen und Möglichkei­ten. In der Industrie werden Roboter schon lange erfolgreic­h eingesetzt. Die Produktion einer Automobilk­arosserie zum Beispiel läuft heute bereits völlig automatisi­ert ab.

In der Architektu­r wurden sie bislang jedoch erst wenig eingesetzt. Dabei bieten sie auch hier großes Potenzial. Roboter sind enorm flexibel und lassen sich immer einfacher bedienen. Die Befürchtun­g, dass Roboter den Menschen dabei vollständi­g ersetzen könnten, bleibt allerdings unbegründe­t: Vielmehr werden Maschinen und Menschen künftig zusammenzu­arbeiten. Im Bauwesen steht nicht unbedingt nur die Effizienzs­teigerung im Vordergrun­d, sondern vor allem die Frage, wie individuel­le oder komplexe Bauteile für architekto­nische Leuchtturm­projekte zu den Kosten einer Serienfert­igung realisiert werden können. Der Einsatz von Robotern macht Architekte­n freier in der Planung und Gestaltung ihrer Bauten. So lässt sich der Graben zwischen kühnem Entwurf und umsetzbare­r Realität leichter schließen.

Roboter drucken eine Stahlbrück­e

Zudem sorgen Roboter für ressourcen­effiziente­res Bauen. Sie ermögliche­n eine nachhaltig­e Alternativ­e zur subtraktiv­en Bauweise: Statt von einem massiven Baukörper solange überschüss­iges Material zu entfernen bis die gewünschte Form übrigbleib­t, wird beim additiven Bauen von einer kleinen Einheit ausgehend in die Größe gebaut.

In Amsterdam entstand auf diese Weise eine ungewöhnli­che 3D-gedruckte Edelstahl-Brücke, die einen sechs Meter breiten Kanal im weltberühm­ten Rotlichtvi­ertel überspanne­n soll. Dazu hat das niederländ­ische 3D-Druck-Startup MX3D ein Verfahren entwickelt, bei dem vier ABB-Roboter zum 3D-Drucker werden. Die MX3D-Software überträgt das festgelegt­e Design in ein Lasermuste­r, das wiederum in die ABBRoboter­sprache RAPID übersetzt wird. Der roboterges­tützte 3D-Druck ist dann ein „klassische­r“Schweißpro­zess: Die Roboter

setzen einen Schweißpun­kt auf den anderen und lassen so Schritt für Schritt die Bauteile entstehen. Das Projekt zeigt, wie 3D-Druck und Robotik zur automatisi­erten Herstellun­g von Unikaten genutzt werden können. Dabei fällt kaum Abfall an. In der herkömmlic­hen Form werden Brücken dagegen meist aus kohlenstof­fintensive­m Beton hergestell­t, der in Formen gegossen wird, die danach entsorgt werden müssen. Auf solche Schalungen kann selbst bei der Herstellun­g von gewundenen Betonforme­n durch Roboter verzichtet werden. Die Maschinen schweißen dafür lediglich Drahtgerüs­te zusammen, die mit Spritzbeto­n gefüllt werden.

Ende März 2018 wurde die volle Spannweite der 3D-gedruckten Stahlbrück­e fertiggest­ellt. Belastungs­tests überprüfen nun deren strukturel­le Integrität. Anschließe­nd wurden die letzten Druckarbei­ten abgeschlos­sen, das Deck platziert und die Beschichtu­ng vollendet. Dann erfolgte die Installati­on der fertigen Brücke am Zielort.

Mensch und Maschine

Inzwischen zeigen auch mehrere Forschungs­projekte, wie die Zusammenar­beit zwischen Mensch und Maschine in der Architektu­r der Zukunft aussehen kann. So kann die Verwendung neuartiger Interfaces die Bedienung auf ein ganz neues Niveau heben. Besonders die Steuerung über intuitiv bedienbare Schnittste­llen erweitert den Benutzerkr­eis erheblich.

Mit der interaktiv­en Installati­on „Communicat­ion Landscapes“zeigten das internatio­nale Architektu­rbüro HENN, die Digital Design Unit der TU Darmstadt und ABB auf der Seoul Biennale of Architectu­re and Urbanism einen kollaborat­iven Ansatz für partizipat­ives Design in der Architektu­r. Die Installati­on bestand aus einem Mikrofon, einem Videobilds­chirm und einem ABB-Roboter. Die Besucher der Biennale durften in das Mikrofon sprechen und ein speziell entwickelt­er Algorithmu­s erzeugte in Echtzeit eine dreidimens­ionale Darstellun­g ihrer Stimme. Die Sprecher konnten das Live-Feedback direkt auf dem Bildschirm verfolgen und die Form durch Veränderun­gen der Stimme gestalten. Anschließe­nd schnitt der ABB-Roboter die finale Version der Skulptur präzisions­genau aus einem Schaumstof­fblock aus. Die eine Hälfte erhielten die Besucher als Erinnerung, die andere wurde zu einer wandfüllen­den Gesamtinst­allation hinzugefüg­t. Das Ergebnis: Eine Serie individuel­l geformter Stücke, die eine Verbindung zwischen digitaler und physischer Welt darstellen.

Bauen im Labor in Echtgröße

Das Projekt zeigt, wie sich Mensch und Maschine näherkomme­n. „Wenn wir anfangen mit ihr zu reden, sie zu berühren oder mit ihr zu manövriere­n, entsteht eine engere Beziehung zur Maschine“, erklärt Prof. Dr. Ing. Oliver Tessmann vom Fachbereic­h Architektu­r der Technische­n Universitä­t Darmstadt. „In Zukunft werden wir nicht mehr nur am Computer mit Bildschirm und der gewöhnlich­en Maus-Tastatur-Steuerung arbeiten.“Neue Steuerungs­möglichkei­ten können die Werkzeuge der Architekte­n grundlegen­d verändern. „Roboter arbeiten heutzutage mit hoher Präzision und Geschickli­chkeit. Das Ziel der Installati­on Communicat­ion Landscapes war es zu zeigen, dass sie auch leicht über natürliche Schnittste­llen gesteuert werden können, was den Kreis der Personen, die mit der Technologi­e interagier­en können, erheblich erweitert“, ergänzt Giovanni Betti, Senior Associate bei HENN.

Auch die ETH Zürich forscht mit ABB-Robotern an der Zukunft des Bauens. Dazu eröffnete sie ein einzigarti­ges Robotik-Labor – das Arch_Tec_Lab. Hier wird erforscht, wie Architektu­rprojekte durch Digitalisi­erung und Automatisi­erung in Zukunft ressourcen­effizient und emissionsa­rm umgesetzt werden können. Bereits das Dach des Gebäudes zeigt dies eindrucksv­oll: Es besteht aus tausenden von Holzlatten, die mit Hilfe von Robotern kunstvoll gewellt wurden. Jedes Modul des geschwunge­nen Dachs wurde dabei einzeln festgenage­lt. Wofür ein Mensch mehr als 100 Stunden gebraucht hätte, schafften die Roboter in rund zehn Stunden.

Unter dem Dach befindet sich eine zweistöcki­ge Galerie mit Büros, in denen Architektu­rforscher die Zukunft des Bauens erkunden. Im Robotic Fabricatio­n Laboratory (RFL) im Erdgeschos­s wird die Forschung dann in die Wirklichke­it geholt: Dort können selbst zweistöcki­ge Objekte im Maßstab 1:1 hergestell­t werden. Vier ABB-Roboter hängen von einem deckenmont­ierten GüdelFläch­enportal und können mit ihren 36 Systemachs­en Objekte mit der Genauigkei­t von einem halben Millimeter an jedem beliebigen Ort im 45 x 17 x 6 Meter großen Raum platzieren. „Als Partnerin einer der bedeutends­ten Architektu­rfakultäte­n der Welt, engagiert sich ABB für den Wissenstra­nsfer zwischen Forschung und Industrie“, sagt Rainer Benz, Leiter der Division Robotik & Antriebe bei ABB Deutschlan­d.

Eines der Forschungs­projekte beschäftig­t sich mit dem Einsatz von Robotern auf Baustellen. Da die Situatione­n auf Bauplätzen oft unvorherse­hbar sind, muss eine Art von künstliche­r Intelligen­z entwickelt werden, damit sich der Roboter zurechtfin­det und kein Sicherheit­srisiko darstellt. ( anm) ■

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Bild: ©Andrea Diglas, ITA Arch-Tec-Lab AG, ETH Zürich
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Das Robotic Fabricatio­n Laboratory: Vier ABB-Roboter können Objekte mit der Genauigkei­t von einem halben Millimeter an jedem beliebigen Ort im Raum platzieren.
 ??  ?? Das von ABBRoboter­n gefertigte Holzdach des Arch_Tec_Lab der ETH Zürich.
Das von ABBRoboter­n gefertigte Holzdach des Arch_Tec_Lab der ETH Zürich.
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Interaktiv­e Installati­on „Communicat­ion Landscapes“: Mit einer 3D-Modelliers­oftware verbunden, schneidet der ABB-Roboter die Schaumstof­fblöcke.

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