ARCHITEKTUR & BAUWESEN:
Die Zukunft des Bauens – wie sieht sie aus? Die Architektur muss sich immer wieder neu erfinden. Modernes Bauen wird individueller, es gilt Massenproduktion und Gleichförmigkeit zu vermeiden, neue Bauweisen zu entwickeln und einzigartige Gestaltungsformen anzustreben. Bisher waren aufwändige Einzelanfertigungen allerdings sehr teuer.
Die Zukunft des Bauens – wie sieht sie aus? Die Architektur muss sich immer wieder neu erfinden. Modernes Bauen wird individueller, es gilt Massenproduktion und Gleichförmigkeit zu vermeiden, neue Bauweisen zu entwickeln und einzigartige Gestaltungsformen anzustreben. Bisher waren aufwändige Einzelanfertigungen allerdings sehr teuer.
Das Bauen wird zunehmend automatisierter. In Zukunft können Roboter bei der kostengünstigen Umsetzung individueller Bauwerke helfen. Der Schritt in Richtung digitaler Baukultur eröffnet der Architektur neue Formen und Möglichkeiten. In der Industrie werden Roboter schon lange erfolgreich eingesetzt. Die Produktion einer Automobilkarosserie zum Beispiel läuft heute bereits völlig automatisiert ab.
In der Architektur wurden sie bislang jedoch erst wenig eingesetzt. Dabei bieten sie auch hier großes Potenzial. Roboter sind enorm flexibel und lassen sich immer einfacher bedienen. Die Befürchtung, dass Roboter den Menschen dabei vollständig ersetzen könnten, bleibt allerdings unbegründet: Vielmehr werden Maschinen und Menschen künftig zusammenzuarbeiten. Im Bauwesen steht nicht unbedingt nur die Effizienzsteigerung im Vordergrund, sondern vor allem die Frage, wie individuelle oder komplexe Bauteile für architektonische Leuchtturmprojekte zu den Kosten einer Serienfertigung realisiert werden können. Der Einsatz von Robotern macht Architekten freier in der Planung und Gestaltung ihrer Bauten. So lässt sich der Graben zwischen kühnem Entwurf und umsetzbarer Realität leichter schließen.
Roboter drucken eine Stahlbrücke
Zudem sorgen Roboter für ressourceneffizienteres Bauen. Sie ermöglichen eine nachhaltige Alternative zur subtraktiven Bauweise: Statt von einem massiven Baukörper solange überschüssiges Material zu entfernen bis die gewünschte Form übrigbleibt, wird beim additiven Bauen von einer kleinen Einheit ausgehend in die Größe gebaut.
In Amsterdam entstand auf diese Weise eine ungewöhnliche 3D-gedruckte Edelstahl-Brücke, die einen sechs Meter breiten Kanal im weltberühmten Rotlichtviertel überspannen soll. Dazu hat das niederländische 3D-Druck-Startup MX3D ein Verfahren entwickelt, bei dem vier ABB-Roboter zum 3D-Drucker werden. Die MX3D-Software überträgt das festgelegte Design in ein Lasermuster, das wiederum in die ABBRobotersprache RAPID übersetzt wird. Der robotergestützte 3D-Druck ist dann ein „klassischer“Schweißprozess: Die Roboter
setzen einen Schweißpunkt auf den anderen und lassen so Schritt für Schritt die Bauteile entstehen. Das Projekt zeigt, wie 3D-Druck und Robotik zur automatisierten Herstellung von Unikaten genutzt werden können. Dabei fällt kaum Abfall an. In der herkömmlichen Form werden Brücken dagegen meist aus kohlenstoffintensivem Beton hergestellt, der in Formen gegossen wird, die danach entsorgt werden müssen. Auf solche Schalungen kann selbst bei der Herstellung von gewundenen Betonformen durch Roboter verzichtet werden. Die Maschinen schweißen dafür lediglich Drahtgerüste zusammen, die mit Spritzbeton gefüllt werden.
Ende März 2018 wurde die volle Spannweite der 3D-gedruckten Stahlbrücke fertiggestellt. Belastungstests überprüfen nun deren strukturelle Integrität. Anschließend wurden die letzten Druckarbeiten abgeschlossen, das Deck platziert und die Beschichtung vollendet. Dann erfolgte die Installation der fertigen Brücke am Zielort.
Mensch und Maschine
Inzwischen zeigen auch mehrere Forschungsprojekte, wie die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine in der Architektur der Zukunft aussehen kann. So kann die Verwendung neuartiger Interfaces die Bedienung auf ein ganz neues Niveau heben. Besonders die Steuerung über intuitiv bedienbare Schnittstellen erweitert den Benutzerkreis erheblich.
Mit der interaktiven Installation „Communication Landscapes“zeigten das internationale Architekturbüro HENN, die Digital Design Unit der TU Darmstadt und ABB auf der Seoul Biennale of Architecture and Urbanism einen kollaborativen Ansatz für partizipatives Design in der Architektur. Die Installation bestand aus einem Mikrofon, einem Videobildschirm und einem ABB-Roboter. Die Besucher der Biennale durften in das Mikrofon sprechen und ein speziell entwickelter Algorithmus erzeugte in Echtzeit eine dreidimensionale Darstellung ihrer Stimme. Die Sprecher konnten das Live-Feedback direkt auf dem Bildschirm verfolgen und die Form durch Veränderungen der Stimme gestalten. Anschließend schnitt der ABB-Roboter die finale Version der Skulptur präzisionsgenau aus einem Schaumstoffblock aus. Die eine Hälfte erhielten die Besucher als Erinnerung, die andere wurde zu einer wandfüllenden Gesamtinstallation hinzugefügt. Das Ergebnis: Eine Serie individuell geformter Stücke, die eine Verbindung zwischen digitaler und physischer Welt darstellen.
Bauen im Labor in Echtgröße
Das Projekt zeigt, wie sich Mensch und Maschine näherkommen. „Wenn wir anfangen mit ihr zu reden, sie zu berühren oder mit ihr zu manövrieren, entsteht eine engere Beziehung zur Maschine“, erklärt Prof. Dr. Ing. Oliver Tessmann vom Fachbereich Architektur der Technischen Universität Darmstadt. „In Zukunft werden wir nicht mehr nur am Computer mit Bildschirm und der gewöhnlichen Maus-Tastatur-Steuerung arbeiten.“Neue Steuerungsmöglichkeiten können die Werkzeuge der Architekten grundlegend verändern. „Roboter arbeiten heutzutage mit hoher Präzision und Geschicklichkeit. Das Ziel der Installation Communication Landscapes war es zu zeigen, dass sie auch leicht über natürliche Schnittstellen gesteuert werden können, was den Kreis der Personen, die mit der Technologie interagieren können, erheblich erweitert“, ergänzt Giovanni Betti, Senior Associate bei HENN.
Auch die ETH Zürich forscht mit ABB-Robotern an der Zukunft des Bauens. Dazu eröffnete sie ein einzigartiges Robotik-Labor – das Arch_Tec_Lab. Hier wird erforscht, wie Architekturprojekte durch Digitalisierung und Automatisierung in Zukunft ressourceneffizient und emissionsarm umgesetzt werden können. Bereits das Dach des Gebäudes zeigt dies eindrucksvoll: Es besteht aus tausenden von Holzlatten, die mit Hilfe von Robotern kunstvoll gewellt wurden. Jedes Modul des geschwungenen Dachs wurde dabei einzeln festgenagelt. Wofür ein Mensch mehr als 100 Stunden gebraucht hätte, schafften die Roboter in rund zehn Stunden.
Unter dem Dach befindet sich eine zweistöckige Galerie mit Büros, in denen Architekturforscher die Zukunft des Bauens erkunden. Im Robotic Fabrication Laboratory (RFL) im Erdgeschoss wird die Forschung dann in die Wirklichkeit geholt: Dort können selbst zweistöckige Objekte im Maßstab 1:1 hergestellt werden. Vier ABB-Roboter hängen von einem deckenmontierten GüdelFlächenportal und können mit ihren 36 Systemachsen Objekte mit der Genauigkeit von einem halben Millimeter an jedem beliebigen Ort im 45 x 17 x 6 Meter großen Raum platzieren. „Als Partnerin einer der bedeutendsten Architekturfakultäten der Welt, engagiert sich ABB für den Wissenstransfer zwischen Forschung und Industrie“, sagt Rainer Benz, Leiter der Division Robotik & Antriebe bei ABB Deutschland.
Eines der Forschungsprojekte beschäftigt sich mit dem Einsatz von Robotern auf Baustellen. Da die Situationen auf Bauplätzen oft unvorhersehbar sind, muss eine Art von künstlicher Intelligenz entwickelt werden, damit sich der Roboter zurechtfindet und kein Sicherheitsrisiko darstellt. ( anm) ■