GIS & INFRASTRUKTUR:
Der 3D-Druck hält langsam auch in die Baubranche Einzug. Welche ungewöhnlichen Projekte damit realisiert werden können, zeigt ein Vorhaben in Amsterdam: Hier ist die weltweit erste komplett 3D-gedruckte Brücke aus Edelstahl entstanden.
Der 3D-Druck hält langsam auch in die Baubranche Einzug. Welche ungewöhnlichen Projekte damit realisiert werden können, zeigt ein Vorhaben in Amsterdam: Hier ist die weltweit erste komplett 3D-gedruckte Brücke aus Edelstahl entstanden.
Das ausführende Unternehmen MX3D verfolgt mit dem 3D-Druck einer Brücke eine klare Zielsetzung: die Vorteile des 3D-Metalldrucks in neue Branchen einzuführen. Durch den Prozess der additiven Fertigung mithilfe von Schweißtechnologie, Roboterarmen und Computer-Konstruktionssoftware weitet das junge niederländische Unternehmen die Nutzung des 3D-Drucks auf reale Praxiseinsätze bei Gebäudebeständen aus. Nach Fertigstellung wird die Brücke über den Oudezijds Achterburgwal, einen der ältesten und berühmtesten Kanäle in Amsterdam führen. Damit wird sie zu einer eindrucksvollen Metapher für die Verschmelzung der Technologie der Zukunft mit der reichen Vergangenheit der Stadt. Bis die Montage der Brücke Ende 2019 realisiert werden kann, war es ein langer Weg, auf dem MX3D auf starke Partner setzen konnte.
Einer davon ist Messspezialist Faro, der mit dem Faro FocusS 350 und dem Faro ScanArm an der präzisen Vermessung von Brücke und Standort beteiligt war. Ein wichtiger Vorteil des Laserscannens: Es erlaubt bei der Positionierung und den Strukturprüfungen der fertigen Brücke Einblicke, die sich für künftige Projekte nutzen lassen.
Eine Frage des Standorts
In vielen Fällen beleuchten Baustellenvermessungen die Unterschiede zwischen typischen Elementen auf Konstruktionszeichnungen oder -modellen und den Gegebenheiten in der echten Welt – so auch bei diesem Projekt. Trotz aller technologischen Fortschritte wurde erst ziemlich spät im Konstruktionsprozess der endgültige Standort der Brücke festgelegt und eine Laservermessung durchgeführt. Dabei haben die hochdetaillierten 3D-Scans gezeigt, dass die Brückenköpfe nicht hundertprozentig parallel sind. Anstatt das ursprüngliche Mauerwerk anzupassen, haben sich die Projektbeteiligten entschlossen, die Brückenkonstruktion an den asymmetrischen Grundriss anzugleichen. Damit fügt sich die Form der Brücke behutsam in den bestehenden Kontext ein – ein Resultat aus dem Zusammenspiel zwischen Technologie und Designethos.
Kontinuierliche Prüfung während der Fertigung
Die Stichproben während des Fertigungsprozesses wurden von der Steel Structures Research Group des Imperial College ICL in London unter der Führung von Professor Leroy Gardner und Dr. Craig Buchanan durchgeführt. Deren Zielsetzung ist es, die Funktionseigenschaften und das Strukturverhalten des gedruckten Materials zu bestimmen. Der Großteil der Brücke wurde in ihrer ursprünglichen Ausführung belassen – der Aufbau von Schichten aus geschweißtem Material ist lediglich befreit von losem Fertigungsmaterial. Für das ICL bestand die Herausforderung darin, die wellenförmige Oberflächentopografie genau zu messen und gleichzeitig Stärken, Flächen, Durchmesser und Volumen zu erfassen.
Bei einer Reihe von kleinen Platten und kleinen zu messenden Querschnitten setzte Dr. Buchanan auf das Röntgenscannen. Das erwies sich jedoch wegen der Dicke des Materials als unpraktisch. Dann stießen sie auf den Faro ScanArm. Buchanan erklärte: „Ohne das Gerät wäre die Aufgabe schlicht nicht lösbar gewesen. Die einzige durchführbare Messmethode für die Muster war der Einsatz des Faro ScanArm.“
Nach der Vermessung nahm das ICLTeam zerstörende Prüfungen vor, die dann in das Computermodell einfließen, das mithilfe der Faro ScanArm-Daten generiert wurde. Bei der anschließenden Analyse werden Materialeigenschaften und Bruchlasten bestimmt. Obwohl noch weitere Tests durchgeführt werden, sehen die ersten Ergebnisse vielversprechend aus. Buchanan kommentiert dazu, dass „das prognostizierte Verhalten mit dem getesteten Verhalten ziemlich genau übereinstimmt“. Im November 2017 besuchte das ICL-Team Amsterdam, um weitere Lasttests durchzuführen, und kehrt nach Abschluss der laufenden Prüfungen zurück. Laut Buchanan „haben wir seit Beginn unserer Arbeit mit dem ScanArm in London festgestellt, dass wir ohne das Gerät einfach nicht die jetzige Genauigkeit erreicht hätten und wir viele Annahmen hätten einfließen lassen, was nicht ideal ist“.
Digitaler Zwilling der physischen Brücke
Eine weitere wichtige Aufgabe war es, die Brücke kontinuierlich während der Herstellung zu messen. Auch hier wurden Laserscanning-Methoden angewendet. Die Faro BuildIT Construction-Software half bei der Überprüfung, ob die Brücke gemäß dem 3D-Konstruktionsmodell erstellt wurde. Die Daten bilden das Computeranalysemodell, das während der Nutzungsdauer als digitaler Zwilling der physikalischen Brücke fungiert.
Laut Tristan Randall vom Projektpartner Autodesk ist „dieses Projekt eine großartige Demonstration, wie man unterschiedliche Bereiche digitaler Bearbeitung zusammenbringen kann, um ungeahntes Potenzial aus dem Designprozess, dem Einsatz und der Datenanalyse zu entfalten“. Angesichts dieses Neulandes – zumindest im Hinblick auf die Welt des Bauens – sehen MX3D und ihr engagiertes Expertenteam das Design und die Herstellung der Brücke auf einer Stufe, die sie „a Smarter Bridge“nennen.
Das Expertenkonsortium, unter anderem aus Mathematikern und IoTSpezialisten, entwickelt ein Netzwerk aus intelligenten Sensoren zur Echtzeitüberwachung der Brückenaktivität und des Brückenverhaltens. Das Alan Turing Institute verfolgt einen datenorientierten Ansatz und vergleicht das Echtzeit-Strukturverhalten mit dem Computermodell. Der IoT-Ansatz bei der Aufzeichnung des Verhaltens der Brücke in mehreren unterschiedlichen Szenarien wird zu einem sehr umfangreichen Datensatz führen. Das ermöglicht wertvolle Einblicke in die Welt der Brückenkonstruktion und schafft letztlich eine Datenbasis, die bei ähnlichen künftigen Projekten sehr wertvoll sein kann. ( anm) ■