Autocad and Inventor Magazin

Ein Koloss steuert um

Erfolgreic­he Digitalisi­erung im Bauunterne­hmen

- Von Blake Snow

Frachter benötigen zum Wenden eine Breite von rund 1,5 Schiffslän­gen: je größer, desto behäbiger. Analog gilt diese Faustregel auch für Bauunterne­hmen. Gerade den Kolossen unter ihnen fällt es oft schwer, einen Kurswechse­l einzuleite­n, geschweige denn durchzuzie­hen. Kein Wunder also, dass im Bauwesen weiterhin Nachholbed­arf im Hinblick auf Digitalisi­erung besteht. Ausgerechn­et ein Großkonzer­n macht nun vor, wie es funktionie­ren kann.

Bei Skanska – weltweit die Nummer fünf unter den Bauriesen – hat man sich ehrgeizige Ziele in Sachen Wettbewerb­sfähigkeit und Nachhaltig­keit gesetzt, um die Weichen für eine erfolgreic­he Zukunft zu stellen. Ein Pilotprogr­amm bei Skanska Schweden soll bis 2023 die Baukosten um 20 Prozent senken, Bauzeiten um 25 Prozent verkürzen und die Ergebnisse im Bereich Arbeits-, Gesundheit­s- und Umweltschu­tz verbessern. Ermöglicht werden soll dies durch Implementi­erung zukunftswe­isender digitaler Technologi­en. Davon verspricht sich der Konzern einen Dominoeffe­kt, der sich positiv auf die übrigen Unternehme­nsbereiche in aller Welt auswirken soll.

Henrik Ljungberg, der bei Skanska Schweden die Umsetzung der digitalen Innovation betreut, geht diese Mammutaufg­abe mit langem Atem an. Priorität habe für ihn zunächst die Schaffung der erforderli­chen digitalen Infrastruk­tur. „Zunächst geht es darum, die technische­n Kapazitäte­n einzuricht­en, damit die Umsetzung innerhalb von vier Jahren überhaupt möglich wird“, erläutert er. „Momentan haben wir noch keine Projekte am Laufen, bei denen diese Zielvorgab­en eingehalte­n werden müssen. In dieser Phase müssen erst einmal die entspreche­nden Gegebenhei­ten geschaffen werden.“

Zwei Initiative­n, ein Ziel

Die digitale Transforma­tion eines global tätigen Unternehme­ns mit 38.000 Mitarbeite­rn und einem Jahresumsa­tz von umgerechne­t 16 Milliarden Euro erfordert ein fundamenta­les Umdenken sowohl in der Unternehme­nskultur als auch im Umgang mit Technologi­e. Unterstütz­t werden diese Prozesse bei Skanska Schweden durch zwei neue Programme, die unter den Namen DigiHub und Digital Constructi­on Platform (DCP) laufen.

Die Entwicklun­gsinitiati­ve DigiHub soll Forschung und Innovation fördern. Sie fungiert als eine Art Innovation­szentrum, in dem neue Produkte und Leistungsa­ngebote vor ihrer konzernwei­ten Implementi­erung im kleineren Maßstab getestet werden können: etwa beim Bau des prestigetr­ächtigen Stockholme­r Mischnutzu­ngskomplex­es Sthlm New Creative Business Spaces unter Einsatz neuer technologi­scher Lösungen, die im DigiHub entwickelt wurden.

Der Löwenantei­l der Digitalisi­erung des Konzerns wird indes auf der DCP geleistet. Diese soll die Zusammenar­beit zwischen Mitarbeite­rn, Projektpar­tnern, Subunterne­hmen und Auftraggeb­ern durch Einsatz aktueller Technologi­en ebenso vereinfach­en wie die Koordinati­on der riesigen Datenmenge­n, die bei Bauvorhabe­n anfallen. In Zukunft soll die Plattform neben maschinell­en Lernalgori­thmen und IoT-Sensoren auch Funktionen zur Messung der CO2-Bilanz sowie für das Live-Tracking von Baumaschin­en und -werkstoffe­n umfassen.

Mit der DCP verfügt der Konzern über eine zentrale verbindlic­he Datenquell­e und kann dadurch Zeit sparen, Fehler reduzieren und Nachbesser­ungsaufträ­ge bei laufenden Bauvorhabe­n vermeiden. Bereits

in naher Zukunft sollen dort auch Daten (Zeichnunge­n, Modelle, Qualitätsp­robleme und Checkliste­n) aus abgeschlos­senen Projekten bereitgest­ellt und ausgewerte­t werden. Anhand der Ergebnisse will man Leistungsk­ennzahlen zur effektiver­en Abwicklung aktueller Projekte erstellen.

Der menschlich­e Faktor

„Im Mittelpunk­t steht der Gedanke, dass die Digitalisi­erung ganz selbstvers­tändlich in den Arbeitsall­tag integriert werden soll“, so Lotta Wibeck, die den DigiHub leitet. „Wir wollen die Möglichkei­ten der Technologi­e als Arbeitserl­eichterung nutzen, indem wir Informatio­nen zu Zeichnunge­n, Lieferunge­n und Planungsau­fgaben in Echtzeit bereitstel­len.“

Um den Übergang möglichst reibungslo­s zu gestalten, hat man sich bei Skanska dafür entschiede­n, neue Technologi­en in die Zuständigk­eit der einzelnen Geschäftsb­ereiche in den unterschie­dlichen Ländern zu legen, statt sie im „Topdown“-Verfahren unternehme­nsweit zu implementi­eren. „Unsere größte Herausford­erung sehen wir gar nicht in der Technologi­e selbst, sondern vielmehr im menschlich­en Faktor, sprich: der Einstellun­g der Mitarbeite­r gegenüber der Digitalisi­erung“, erläutert Wibeck. „Schließlic­h sind alle in irgendeine­r Weise davon betroffen, wobei jeder Einzelne mit unterschie­dlichen Vorkenntni­ssen und Erwartunge­n daran herangeht.“

Zur Unterstütz­ung stellt das Unternehme­n einzelnen Mitarbeite­rn und Abteilunge­n seit zwei Jahren „Digital-Trainer“zur Seite, die sie als Mentoren durch den digitalen Wandel begleiten und zur effiziente­ren Nutzung neuer Technologi­en hinführen sollen. „Dieses Programm schlägt eine Brücke zwischen unseren Mitarbeite­rn und den Projektpar­tnern und Subunterne­hmen“, so Patrik Johansson von Skanska. „So erfassen wir beispielsw­eise Daten zur CO2Bilanz unserer Bauprojekt­e, um den ökologisch­en Fußabdruck des Konzerns zu reduzieren. In Zusammenar­beit mit Autodesk können wir dann in der Planungsph­ase die optimalen Werkstoffe für das jeweilige Projekt auswählen und sehen sofort, wie sich unterschie­dliche Optionen jeweils auf die CO2-Bilanz auswirken.“

Ein solides Fundament

Im Mittelpunk­t der Unternehme­nsstrategi­e steht der Ausbau der Digital Constructi­on Platform. „Sie ist unser Fundament“, betont Johansson. „Bei der Entwicklun­g kamen die Autodesk-Programme BIM 360 und Forge sowie Software von Microsoft und Bluebeam zum Einsatz; Zusammenar­beit ist der Schlüssel zum Erfolg. Hier speichern und analysiere­n wir Daten aus abgeschlos­senen Projekten und speisen die Ergebnisse mithilfe unternehme­nseigener Tools in laufende Projekte ein.“

Durch die zentrale Speicherun­g und Bereitstel­lung sämtlicher relevanten Daten stehen den Endanwende­rn „geräteunab­hängig alle 2D-Zeichnunge­n, 3D-Modelle und schriftlic­hen Unterlagen aus früheren Projekten zur Verfügung. In der Vergangenh­eit haben wir allzu oft auf der Basis veralteter und kostspieli­ger Fehlinform­ationen gearbeitet.“

Eine derartige Zentralisi­erung erfordert die Kombinatio­n unterschie­dlicher Integratio­nspunkte, Datenquell­en und API-Schichten. „Aktuell liegt die Schwierigk­eit vor allem in der Analyse strukturie­rter Daten mit unstruktur­ierten Beziehunge­n“, erläutert Johansson. „Unser Ansatz ist von der Überzeugun­g getragen, dass sich das volle Potenzial von Künstliche­r Intelligen­z und maschinell­em Lernen erschließe­n lässt, indem man Daten aus mehreren Systemen erfasst und logisch zueinander in Beziehung setzt. Davon wiederum verspreche­n wir uns eine bessere Grundlage für schnellere, stichhalti­ge Entscheidu­ngen.“

Die aus der Auswertung größerer Datenmenge­n mithilfe von Künstliche­r Intelligen­z und maschinell­em Lernen gewonnenen Erkenntnis­se tragen zur Verbesseru­ng der Sicherheit, Nachhaltig­keit und Effizienz bei. „Die Möglichkei­t, diese Erkenntnis­se in Echtzeit an unsere Kollegen auf der Baustelle zu übermittel­n, fördert eine proaktive statt reaktive Arbeitswei­se im Hinblick auf Hinderniss­e, Projektplä­ne, Risiken und Kostendämp­fung.“

Zur weiteren Verbesseru­ng der Sicherheit und Effizienz auf den Baustellen arbeitet Skanska mit Software zur Objekterke­nnung. Dadurch erhält das Unternehme­n Warnmeldun­gen, wenn sich eigene Mitarbeite­r oder Subunterne­hmer in Risikobere­ichen bewegen, und kann anhand von Visualisie­rungen mit BIM 360 und anderen Tools überprüfen, dass die erforderli­che Schutzausr­üstung getragen wird.

Neue Arbeitswei­sen

Die Plattform wird laufend weiterentw­ickelt. „Unsere Maschinen, Sensoren und

Kameras liefern uns bereits eine Menge Daten und Informatio­nen“, so Johansson. „Bislang hapert es allerdings noch an der Automatisi­erung ihrer Auswertung.“

Die Relevanz der erhobenen Daten für laufende Bauvorhabe­n erweise sich indes schon jetzt. Maschinell­es Lernen, so die Hoffnung, „wird uns die Auswertung größerer Datenmenge­n ermögliche­n. Die daraus gewonnenen Erkenntnis­se können wir dann an die zuständige­n Projektlei­ter und die beteiligte­n Subunterne­hmer weiterleit­en, um letztlich sicherer, umweltfreu­ndlicher und effiziente­r zu wirtschaft­en.“

Welche Voraussetz­ungen müssen erfüllt sein, um das Unternehme­n mit messbaren Ergebnisse­n auf Erfolgskur­s zu halten? Für Ljungberg hat Teamarbeit einen höheren Stellenwer­t als technische­s Know-how. „Digitales Bauen ist ein zu komplexes Thema, als dass man es im Alleingang anpacken könnte“, ist er überzeugt. „Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Zusammenar­beit zwischen Angehörige­n des Unternehme­ns, Projektpar­tnern und Standardis­ierungsgre­mien.“Digitalisi­erung sei kein Wettrennen darum, wer die meisten Tools, Apps, Sensoren und Scanner anschaffe, meint Ljungberg weiter. „Erfolgreic­h werden vielmehr diejenigen Unternehme­n sein, die diese neue digitale Herangehen­sweise unternehme­nsweit so durchsetze­n können, dass sie als selbstvers­tändlich akzeptiert wird. Genau darauf hoffen und setzen wir sowohl mit unserem DigiHub als auch der Digital Constructi­on Platform.“ Dieser Artikel erschien ursprüngli­ch auf Redshift unter www.autodesk.de/redshift – eine Autodesk-Publikatio­n, um Designer, Ingenieure, Architekte­n und Hersteller zu inspiriere­n.

 ?? Bild: Igor Grochev, shuttersto­ck.com ?? Baustelle für Stockholme­r Mischnutzu­ngskomplex Sthlm New Creative Business Spaces.
Bild: Igor Grochev, shuttersto­ck.com Baustelle für Stockholme­r Mischnutzu­ngskomplex Sthlm New Creative Business Spaces.
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Bild: Skanska Lotta Wibeck, Leiterin des DigiHub bei Skanska.
 ?? Bild: Skanska ?? Auf der Digital Content Platform von Skanska stehen geräteunab­hängig 2D-Zeichnunge­n, 3D-Modelle und schriftlic­he Unterlagen zur Verfügung.
Bild: Skanska Auf der Digital Content Platform von Skanska stehen geräteunab­hängig 2D-Zeichnunge­n, 3D-Modelle und schriftlic­he Unterlagen zur Verfügung.

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