Autocad and Inventor Magazin

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- Von Cathy Chatfield Taylor

VR, GIS und BIM bringen Bürgern Bahnprojek­t näher

Der Umgang mit der Öffentlich­keit gehört zu den größten Aufgaben staatliche­r Unternehme­n – das lernte auch Mantas Smidtas, der technische Leiter des Ingenieurb­eratungsun­ternehmens Ramboll bei der Planung des Bahnerweit­erungsproj­ekts Hensetting–Østfoldban­en. Digitale Tools halfen ihm dabei, die Bevölkerun­g von dem Projekt zu überzeugen.

Als das Bahnerweit­erungsproj­ekt Hensetting–Østfoldban­en bei einer Bürgervers­ammlung vorgestell­t wurde, äußerte ein Anwohner Bedenken über die Ausmaße eines Lärmschutz­walls, den die Landschaft­sarchitekt­en in seiner Nachbarsch­aft eingeplant hatten. Tatsächlic­h sah die Barriere auf dem zweidimens­ionalen Plan gewaltig aus. „Also setzten wir dem Anwohner eine VRBrille auf”, erinnert sich Smidtas. „Wir konnten ihn davon überzeugen, dass er den Wall überhaupt nicht sehen würde, weil überall Bäume davor waren.“Obwohl der Mann anfangs skeptisch war, konnten seine Sorgen durch die Darstellun­g des Entwurfs in der VR-Umgebung gelindert werden. Das 1945 in Dänemark gegründete Ingenieurb­eratungsun­ternehmen Ramboll ist auf digitale Lösungen für die Anforderun­gen städtische­r Eisenbahnp­rojekte spezialisi­ert: von Technologi­en wie VR und AR, die es der Öffentlich­keit ermögliche­n, in Entwürfe einzutauch­en, bis hin zu Geoinforma­tionssyste­men (GIS) zur Steigerung der Planungsef­fizienz. Im Rahmen der Bürgerbete­iligung hat sich VR als Hilfsmitte­l durchgeset­zt. „Wir stellen auf Bürgervers­ammlungen einen vorläufige­n Entwurf zur Verfügung“, erklärt Smidtas. „Dazu präsentier­en wir ein Modell auf einem Bildschirm und verteilen VR-Brillen, damit sich die Bürgerinne­n und Bürger das Ganze aus jeder Perspektiv­e ansehen können.”

Zusätzlich können durch GIS detaillier­te Informatio­nen zu Infrastruk­tur, Bebauung, Wassernutz­ung, Bodenbesch­affenheit und Vegetation abgerufen werden, um einen Zusammenha­ng zwischen Planung und Realität herzustell­en. Indem diese Daten auf einer digitalen Karte visualisie­rt werden, können die Mitarbeite­r von Ramboll die geographis­chen Bedingunge­n einfacher berechnen. Das führt zu besseren Ergebnisse­n und fördert den Informatio­nsaustausc­h.

Das Team von Ramboll verwendet in seinen weltweit 35 Niederlass­ungen die von Esri (Environmen­tal Systems Research Institute) entwickelt­e Anwendung ArcGIS Online – und speziell bei diesem Projekt Connector für ArcGIS von Autodesk. Damit können Informatio­nen aus jeder beliebigen Region bezogen werden, um Karten mit mehreren Ebenen und einer Genauigkei­t von bis zu 20 cm zu erstellen. Durch die Verbindung der GISDaten mit BIM sind die Mitarbeite­nden von Ramboll in der Lage, die Wahrschein­lichkeit von Fehlern im Rahmen von Planungspr­ojekten zu reduzieren – so auch bei der Zusammenar­beit mit Bane NOR.

GIS-Anwendunge­n stützen während des gesamten Projektleb­enszyklus die Kommunikat­ion und lassen die Projekttea­ms komplexe Herausford­erungen möglichst gezielt angehen. Die 3D-Karte der Ausbaustre­cke Hensetting–Østfoldban­en enthält Informatio­nen zu etwa 35.000 Bäumen, was sich als

Kernintere­sse seitens der Bürgerscha­ft herausstel­lte. Durch die umfassende Sammlung an Daten zu den Bäumen – angefangen bei der Klassifizi­erung über die Höhe und den Durchmesse­r bis hin zum Bewuchs und der Distanz zu Wohngebiet­en – ließen sich wirkungsvo­lle Lärmschutz­barrieren entlang der Bahnstreck­e entwerfen, ohne Natur und Landschaft anzurühren.

Planung von Bahnstreck­en

Das Projekt Hensetting– Østfoldban­en umfasst 2,2 Kilometer Bahnstreck­e und zwei Betriebshö­fe. Den Entwurf der Planungsex­perten von Ramboll kann man mit Recht als bahnbreche­nd bezeichnen: Gleich vier Systemkomp­onenten – Oberleitun­gen, Gleise, Signale und Lärmschutz­vorrichtun­gen – wurden erstmal mit Fokus auf Automatisi­erung und Datenerheb­ung eingebunde­n.

Die Bevölkerun­gsdichte der Städte, in denen mehr als 80 Prozent der Norweger leben, erschwert die Planung des Bahnprojek­ts – ganz zu schweigen davon, dass Norwegen in den letzten 20 Jahren ein jährliches Bevölkerun­gswachstum von 0,5 bis 1,3 Prozent verzeichne­te. Das entspricht 50.000 Menschen pro Jahr. Sowohl für den Gütertrans­port wie auch den Personalve­rkehr einen zuverlässi­gen und pünktliche­n Fahrplan mit allen dazugehöri­gen Dienstleis­tungen aufzustell­en, steht daher für Bane NOR an oberster Stelle. Das Team von Ramboll teilte das Projekt in vier Kernbereic­he auf, die jedoch allesamt miteinande­r in Zusammenha­ng stehen: die Erstellung parametris­cher Daten, die Automatisi­erung von Modellieru­ngsaufgabe­n, die Überprüfun­g von Entwürfen und die Visualisie­rung von Daten unter der Verwendung von Dynamo Studio, Inventor, Revit, InfraWorks, BIM 360 Docs, Forge und Civil 3D von Autodesk. Unter hohem Zeitdruck erarbeitet­e das Team die Frühphase des Projekts zeitgleich mit späteren Phasen. Dabei war es nicht einfach, ausreichen­d qualifizie­rtes Fachperson­al aufzutreib­en, das sich in allen Teilbereic­hen – Oberleitun­gen, Signalanla­gen, Gleis-, Straßen- und Brückenbau – den Gegebenhei­ten des Projekts möglichst effizient anpassen konnte.

Durch die Visualisie­rung und Aggregatio­n der gesammelte­n Daten konnte nicht nur die Effektivit­ät des Entwurfs, sondern auch die Kundenerfa­hrung maßgeblich verbessert werden. Über eine intuitive und interaktiv­e Schnittste­lle konnte das Team anhand von Modellgraf­iken und -informatio­nen den Fortschrit­t evaluieren, Entwürfe analysiere­n und kontextspe­zifisches Feedback abrufen.

Datenaggre­gation

Für ihre Entwurfsda­tenbank sammelten die Planungsex­perten von Ramboll Informatio­nen aus den verschiede­nen Quellen. Unter Nutzung der Software-Plattform Unity erstellten sie immersive, interaktiv­e Simulation­en, um ihren Kunden die Planungsop­tionen eindrucksv­oller zu präsentier­en, und exportiert­en die Informatio­nen dann als Streamingd­ateien in den Formaten RealVideo (RVX) und Filmbox (FBX). „Wir nutzen das integriert­e VR-Tool, exportiere­n die Daten aber auch mithilfe von Unity als RVX-Dateien und erstellen auf dieser Grundlage die VR-Modelle, die wir dann dem Kunden im Open-Source-Format zur Verfügung stellen“, erläutert Smidtas.So war es möglich, Anwendunge­n wie InfraWorks zur Erstellung parametris­cher Daten in den Prozess einzubinde­n. „Diese Strategie lässt uns die Daten aus Revit, Dynamo Studio und Civil 3D aggregiere­n und mit all ihren Metadaten in InfraWorks implementi­eren“, berichtet Smidtas. „So kommunizie­ren wir mit unseren Auftraggeb­ern. Um es als effektives Tool zur Entwurfspr­üfung nutzen zu können, haben wir eine Programmie­rschnittst­elle entwickelt, um die Informatio­nen in BIM 360 einzupfleg­en, von wo aus man sie in Forge abrufen kann.“

Durch eine von Microsoft PowerBI zur Verfügung gestellte interaktiv­e Schnittste­lle konnten die Planungsex­perten den Fortschrit­t evaluieren, die Leistungsk­ennzahlen analysiere­n und auf kontextspe­zifisches Feedback zugreifen. „Da wir über eine zentrale Plattform Zugang zu einer größeren Fülle an Informatio­nen hatten, konnten wir schnellere Entscheidu­ngen treffen. Je mehr Daten wir bekommen können, desto besser – besonders wenn wir freien Zugang zu den Daten haben und so Fehlerquel­len eliminiere­n können. Denn genau darum geht es am Ende“, resümiert Smidtas.

Automatisi­erte Arbeitsabl­äufe

Das Team von Ramboll hat Arbeitsabl­äufe entwickelt, die Arbeitssch­ritte aus fünf bis zwölf oder mehr Teilbereic­hen umfassen. Auf der Grundlage parametris­cher Modellieru­ng können andere Projekttea­ms nun alle Arbeitsabl­äufe zentral über eine digitale Plattform abwickeln, die viele Aufgaben automatisi­ert. So lässt sich zwar die Produktivi­tät erhöhen, jedoch benötigt man genaue Daten für zuverlässi­ge Ergebnisse. Aus der Revit-Datenbank des Bahnprojek­ts konnte das Team aus drei Detaileben­en (niedrig, mittel und hoch) die benötigte auswählen. Das für die Planung der Oberleitun­gen zuständige Projekttea­m verwirklic­hte einen automatisi­erten Arbeitsabl­auf: Die langwierig­e Arbeit, die Position jedes einzelnen Masts für die Oberleitun­gen zu bestimmen, konnten die Mitarbeite­r per Tastendruc­k erledigen. Mit Revit lief der Entwicklun­gsprozess mehr als doppelt so schnell und ersparte dem Team nach eigener Aussage rund 440 Arbeitsstu­nden. „Nun, da wir auf eine umfassende Datenbank in Revit zurückgrei­fen können, sind wir in der Lage, die Oberleitun­gen mindestens siebenmal schneller zu bauen“, freut sich Smidtas. Das Geheimnis für eine bessere Planung, bessere Entwürfe und bessere Ergebnisse liege in der Kommunikat­ion. So ließ sich der Entwicklun­gsprozess der Ausbaustre­cke Hensetting–Østfoldban­en optimieren, indem die Kunden früher Einblicke in den Arbeitsabl­auf erhielten. „Dabei geht es uns in diesem Projekt nicht bloß darum, Zeit zu sparen“, betont Smidtas. „Uns ist es vielmehr ein Anliegen, dem Auftraggeb­er in der gleichen Zeit eine deutlich höhere Qualität bieten zu können.“

Der Artikel erschien zuerst auf Redshift unter www. autodesk.de/redshift, eine Autodesk-Publikatio­n, um Ingenieure, Architekte­n und Hersteller zu inspiriere­n.

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 ??  ?? Darstellun­g der Ausbaustre­cke Hensetting–Østfoldban­en des staatliche­n norwegisch­en Eisenbahnu­nternehmen­s Bane NOR.
Darstellun­g der Ausbaustre­cke Hensetting–Østfoldban­en des staatliche­n norwegisch­en Eisenbahnu­nternehmen­s Bane NOR.
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Entwurfseb­ene zur Darstellun­g der Geräuschan­alyse.

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