Blechfertiger denken in Prozessen 40 Jahre SPI GmbH: Geschäftsführer Jeanette Rouvel und Dirk Vollmer im Gespräch
Das IT-Haus SPI GmbH feiert am 15. Dezember sein 40-jähriges Jubiläum. Wenige Softwarehäuser können auf eine so lange, wechselvolle Geschichte zurückblicken. Grund genug für uns, mit Dipl.-Päd. MBA Jeanette Rouvel und Dipl.-Ing. Dirk Vollmer zu sprechen,
AUTOCAD & Inventor Magazin (ACM): Wie kam es vor 40 Jahren zur Gründung der SPI GmbH?
Dirk Vollmer: Die Gründer der SPI GmbH, Uwe Rouvel und Ralf Göllnitz, waren beide langjährige Mitarbeiter der Hewlett Packard GmbH. HP konzentrierte sich auf das Hardwaregeschäft, Software war eher begleitendes Beiwerk. Das sahen die beiden Ingenieure ganz anders und setzten in ihrer 1980 begründeten Selbständigkeit auf die Softwareentwicklung. Damals war Software ein Vehikel, um Hardware zu verkaufen. Heute hat sich das Bild komplett gedreht: Hardware ist erschwinglich und austauschbar geworden – die Intelligenz der Softwarelösung macht den Unterschied!
ACM: Was war das erste Produkt und was konnte es damals? Dirk Vollmer: SPI hat sich in den 80ziger Jahren und Anfang der 90ziger auf die CAD Software von ME10 und
ME30 von HP spezialisiert und hierfür „Zusatzmodule“für die Blechkonstruktion und Abwicklung von Blechteilen entwickelt. SPI hat damals das erste 2D Blechmodul auf Basis des CAD Systems ME10 entwickelt, dem folgten in logischer Weiterentwicklung andere CAD-Module. Am erfolgreichsten wurde die Blechsoftware SPI – Blech 9000 für ME30, eine 3D-CAD-Software die präzise, nachbearbeitungsfreie Blechabwicklungen berechnete. Es folgten Versionen für Catia, dann 1995 eine erste 2D Version für Autodesk, anschließend die 3D-Version für Inventor, parallel eine 3D Version für SolidWorks.
ACM: Wie ist der Geschäftsbereich SheetMetal Solutions entstanden? Jeanette Rouvel: SPI hat als unabhängiges Systemhaus von Anfang nicht nur CAD Software, sondern immer auch verschiedene andere IT-Lösungen entwickelt. Wir wollten uns nie auf nur ein Spezialgebiet festlegen lassen. Die Entwicklung weiterer Blechsoftwarelösungen für verschiedene Basissysteme mündete in den Geschäftsbereich SheetMetal Solutions, der heute neben dem Geschäftsbereich Business Solutions eines unserer Standbeine wurde. Anders als einseitig orientierte Spezialisten sind wir auf diese Weise nicht nur von einem Markt abhängig.
ACM: Welche Entwicklungen in der Blechbearbeitung der vergangenen 40 Jahre würden Sie besonders hervorheben und warum?
Jeanette Rouvel: Als wir mit unseren Lösungen an den Markt gingen, trafen wir noch überall auf Zeichenbretter in den Konstruktionsbüros. Dann kam CAD. Klarer Break war der Schritt von der 2D-Konstruktion zu 3D-Konstruktion. Heute ist 3D aus der Blechbearbeitung nicht mehr wegzudenken. Durch die Dreidimensionalität lassen sich darstellungsbezogene, unterlagenbezogene und technisch-visuelle Darstellungen automatisieren. Aber eben auch Daten für die Fertigung ableiten. SPI, als Spezialist für Blechabwicklung, macht dann aus dem 3D Modell wieder ein flaches Teil (aber eben nicht simple 2D-Daten). In diesem Zusammenhang sind Konstruktion und Fertigung immer mehr zusammengewachsen; die Branche fasst das unter dem Begriff Prozesskette Blech zusammen. Wir beobachten seit Jahren eine zunehmende Automatisierung in der Fertigung. Für den Gesamtprozess ist zu berücksichtigen, wie und auf welchen Maschinen die Bleche gefertigt werden.
ACM: Wie gelingt es SPI, sich gegenüber den großen CAx-Anbietern wie etwa Autodesk zu behaupten, die ja auch Lösungen für die Blechbearbeitung in ihr Portfolio integriert haben? Jeanette Rouvel: Zurzeit stellt es sich noch immer so dar, dass Hersteller von Mainstream-CAD-Systemen vorrangig das Ziel verfolgen, Hauptanforderungen der Anwender zu realisieren. Eigentlich immer zeigt sich im Neukundengeschäft – zu unserem Vorteil –, dass diese eben nicht für die Anforderungen der Branche ausreichen. Es geht dabei um mehr als CAD, es geht um Prozesse. Darum sehen wir uns heute auch immer öfter nicht nur als Softwarelieferant, sondern zugleich als Prozessberater. Für solche Themen haben sich die
Marketingstrategen der großen Hersteller ein Netz von Experten herangezogen. SPI hat über die Jahre ein eigenes Team von kreativen Entwicklern, Beratern und Kaufleuten aufgebaut, die zudem durch unsere intensive Zusammenarbeit mit dem Blechwerkzeugmaschinenhersteller Trumpf bessere Voraussetzungen für das Verständnis der Prozesse mitbringen als jeder CAD-Anbieter.
Wir sind dichter an den Werkzeugmaschinenherstellern der Blechindustrie und können so eine echte Durchgängigkeit realisieren. Möchte ein Kunde über die weitreichenden Funktionen unserer SheetMetalLösungen hinausgehen, so können wir mit unserer Entwicklermannschaft individuelle Kundenwünsche realisieren. Das ist ja gar nicht das Betätigungsfeld eines großen CAD-Anbieters.
ACM: Welche Erlebnisse aus diesen 40 Jahren Unternehmensgeschichte sind Ihnen besonders im Gedächtnis haften geblieben?
Dirk Vollmer: Es gibt verschiedene Zäsuren in der Geschichte des SPIGeschäftsbereichs SheetMetal Solutions. Ein Quantensprung war die Umstellung der CAD-Konstruktion auf 3D. Unsere Entscheidung, Lösungen für zwei Mainstream-Systeme verfügbar zu machen, haben wir nie bereut; dies hat uns weltweite Märkte erschlossen.
Zu Beginn waren wir noch in beiden Bereichen als Reseller der Basissoftware unterwegs. Die 2012 getroffene Entscheidung, uns aus dieser Situation zu lösen, war ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit und Fokussierung auf die Kernkompetenzen in den zwei benannten Geschäftsfeldern. Im Bereich SheetMetal Solutions bedient SPI die Industrie weiterhin mit Spezialapplikationen für die Prozesskette Blech und bleibt dabei Entwicklungspartner der großen CAD-Anbieter. SPIs Entwicklungskompetenz mündete zugleich in verschiedene Softwareprojekte, die als Individualsoftware für Unternehmen in der blechverarbeitenden Industrie entwickelt wurden.
ACM: Welche Trends zeichnen sich bei den Softwarelösungen für die Blechbearbeitung ab und inwiefern sehen Sie SPI dafür in Zukunft gerüstet? Jeanette Rouvel: Die früher vorhandenen Grenzen zwischen Konstruktion, Arbeitsvorbereitung und Fertigung werden immer mehr aufgelöst. Blechfertiger denken überwiegend in Prozessen und wünschen sich übergreifende Gesamtlösungen. Wir bewegen uns immer stärker auf eine Echtzeitfertigung zu. Das Fenster zwischen Angebot und Auftrag geht gen Null. Der Kunde möchte sein Bauteil am liebsten sofort in der Hand halten. Kalkulation in Echtzeit, auch außerhalb der Geschäftszeiten wird zum Standard werden. Genau da bieten wir Lösungen. SPI hat diesen Trend erkannt und eine integrierte Kalkulationslösung entwickelt. In logischer Konsequenz wird die Branche dazu übergehen, die Preise von ihren Kunden selbstständig kalkulieren zu lassen. Der nächste Schritt wäre dann ein Kundenportal oder ein Blech Shop im Internet. Wir sehen hier einen noch großen zu bedienenden Markt. Zu solchen Lösungen, auf die wir uns bereits intern vorbereiten, gehört dann eben wesentlich mehr als der Fertigungsprozess.
ACM: Frau Rouvel, Herr Vollmer, vielen Dank für das Gespräch.